Mit einem Ziegenzaun hat Naturschutzexperte Thomas Stahl aus Försdorf die Rehgeiß und den Bock eingefangen. Beide wurden in den Michaelsberger Wald gebracht. Damit dürfte das Landesgartenschaugelände rehfrei sein.
Thomas Stahl hat die Kuh vom Eis, oder besser gesagt die Erba-Rehe von der Erba-Insel geholt, die derzeit für die Landesgartenschau neu gestaltet wird. Die Tiere befinden sich jetzt im Michaelsberger Wald. "Eine haarige Sache", wie er im Rückblick sagt, "weil die Tiere im Fellwechsel sind." Aber nicht nur deswegen. Drei Wochen lang ging der Jäger und geprüfte Natur- und Landschaftspfleger zusammen mit Familienmitgliedern und weiteren Jagdfreunden auf der Erba-Insel auf "die Pirsch". Aber nicht, um die zwei verbliebenen Rehe zu erlegen, sondern um sie einzufangen.
Die Idee dazu wurde in einem Gespräch mit dem Vorsitzenden des Bamberger Tierschutzvereins, Liebhard Löffler geboren. Denn der Tierschutzverein begleitete das Erba-Reh-Problem immer in enger Absprache mit dem Ordnungsamt der Stadt und OB Andreas Starke (SPD). Löffler hatte Stahl gefragt, ob es denn nicht noch irgendeine andere Möglichkeit gebe, der Tiere habhaft zu werden. Der aus dem Burgebracher Gemeindeteil Försdorf stammende Stahl, der Landschaftspflege mit Ziegen und Schafen betreibt, hat Erfahrung mit dem Einfangen von Rehen, weil sich immer wieder Tiere in seinen Ziegen- und Schafzäunen verfangen. So gab es die Überlegung, ob es nicht auch umgekehrt geht, man die Rehe also gezielt einfangen könnte. Andere Wildtiere hatte Stahl für wissenschaftliche Untersuchungen schon mit Netzen gefangen. Warum es also nicht einfach wagen? Das Ordnungsamt war einverstanden. "Da der Lebensraum für die Rehe auf der Erba-Insel in den letzten Monaten immer knapper wurde und die Stressbelastung für die Tiere in der letzten Zeit enorm zugenommen hat, wurde in der 14. Kalenderwoche eine neuerliche Fangaktion durch den Beauftragten, Thomas Stahl gestartet", heißt es in der Pressemitteilung der Stadt über die Fangaktion.
Bevor Stahl loslegen konnte, musste er sich mit den Gewohnheiten der Tiere vertraut machen. Damit alles möglichst ruhig verlaufen konnte, begaben sich Stahl und Freunde abends und an den Wochenenden auf die Erba-Insel. Die Tiere mussten gegen drei in geringem Abstand voneinander aufgestellten Ziegenzäunen getrieben werden. Die Höhe von einem Meter genügt, "weil Rehe weniger drüber springen als drunter durchwollen oder auch die Netze zerreißen", so Stahls Erfahrung.
Vor knapp zwei Wochen gelang es dann, die trächtige Geiß zu fangen. "Alles musste schnell gehen", so Stahl. Drei Helfer hielten das aus dem Zaun befreite Tier fest, Stahl fesselte die Beine, dann kam die Geiß in einen dunklen, luftdurchlässigen Jutesack, weil sie da am ruhigsten ist und auch ruhig atmet. "Alles sollte so schonend und stressfrei wie möglich für das Tier ablaufen." Nach kurzer Transportzeit konnte die Geiß in den Michaelsberger Wald entschwinden, natürlich nach vorheriger Absprache mit dem Jagdpächter. Im Vergleich zur Geiß war der Bock gewitzter, berichtet Stahl. Immer wieder kam er auf wenige Meter an ihn heran. Aber ihn dann zum Zaun hin zu bringen . . . Immer wieder entwischte das Tier und suchte sich neue Ruheplätze. Doch allmählich wurde es im wahrsten Sinn eng für den Bock, immer mehr Gartenzäune wurden dicht gemacht, das Areal abgeschlossen und zusehends verschwand das Dickicht.
Am Ostersonntag ging der Bock endlich ins Netz. An der Kanalböschung und im Gebüsch entlang wurde er "gedrückt", also vorsichtig getrieben, bis er im Netz war. Dann folgte das gleiche Prozedere wie schon vorher bei der Geiß.
Dem weiblichen Tier dürfte die Umsiedlung keine Probleme bereiten. Der Bock, dem Stahl eine gelbe Ohrmarke verpasst hat, ist zwar ebenso fit wie die Geiß, er muss sich allerdings sein eigenes Revier erst noch erkämpfen. Allerdings wird er in der neuen Umgebung wohl schnell zur Ruhe kommen. Und das Kitz der Erba-Geiß, das wohl bald geboren wird, hätte auf der Großbaustelle Erba-Insel keine Chance gehabt, meint Stahl.
Alle sind zufrieden "Trotz einiger Unannehmlichkeiten im Vorfeld, sind alle Beteiligten froh darüber, dass die Rehe nun eine neue Heimat gefunden haben", heißt es aus dem Rathaus. Für den Tierschutzvereinsvorsitzenden seien alle Wünsche erfüllt und der Michaelsberger Wald die wesentlich bessere, da natürliche Umgebung für die Rehe.
Wert legt Löffler indes noch auf die Feststellung, dass das Erba-Reh (Promi-Reh), das in der Tierklinik Bamberg behandelt worden war, keine Hundebisswunden hatte, was Gunnar Burczyk auf FT-Nachfrage bestätigt.
Stahl hat beim letzten Besuch auf dem Erba-Gelände in dieser Woche keine frischen Fährten entdeckt, weshalb die Stadt den vorsichtigen Schluss wagt, dass alle Rehe in den Michaelsberger "Fuß gefasst" haben.