Die AfD und ihre Litzendorfer Gegner

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Marcus Pretzell (r.) diskutierte nach seinem Vortrag noch zwei Stunden mit den Gästen.
Marcus Pretzell (r.) diskutierte nach seinem Vortrag noch zwei Stunden mit den Gästen.
Etwa 50 Bürger demonstrierten gegen Pretzells Besuch in Litzendorf. Fotos: Christoph Hägele
Etwa 50 Bürger demonstrierten gegen Pretzells Besuch in Litzendorf.  Fotos: Christoph Hägele
 

In der Gaststätte des Schützenvereins sprach am Donnerstag der Europaabgeordnete Marcus Pretzell über das Waffenrecht und Asylfragen.

Die Schüsse, deren Lärm die Demonstranten immer wieder zusammenzucken ließen, hätten dem Abend eine völlig unangemessene Dramatik verleihen können. Aber der Litzendorfer Werner Schnabel ist ein mit zu vielen Wassern gewaschener Politaktivist, um sich davon aus der Fassung bringen oder gar aufstacheln zu lassen. Auf einer Schießsportanlage knallt es eben, so einfach ist das.

Sachlich und fast schon betont unaufgeregt demonstrierten der Zusammenschluss "Buntes Ellertal - Bündnis für Toleranz" sowie das Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus am Donnerstagabend auf dem Gelände des Litzendorfer Schützenvereins gegen den Besuch des AfD-Politikers Marcus Pretzell.


Ein Meister der Provokation

Der Europaabgeordnete und Lebensgefährte der Parteivorsitzenden Frauke Petry sprach am Abend in der vereinseigenen Gaststätte Kunigundenruh und auf Einladung des
Bamberger AfD-Kreisverbands über den Zusammenhang zwischen Waffenrecht und öffentlicher Sicherheit. Was Pretzell dazu einfällt, wollten rund 120 Menschen wissen. Die Zahl der Gegendemonstranten bezifferte die Bamberer Polizei auf "etwa 50".

Der 42-jährige Pretzell zählt zu jenen AfD-Politikern, die mit strategisch eingesetzten Provokationen ihre Partei, nicht zuletzt aber auch sich selbst regelmäßig in die Schlagzeilen bringen. Zuletzt hatte sich Pretzell im EU-Parlament der ENF-Fraktion rund um den französischen Front National angeschlossen und sich damit als Galionsfigur des rechten AfD-Flügels empfohlen. "Natürlich ist Pretzell jemand, der die Menschen bewegt und interessiert. Deshalb haben wir ihn auch eingeladen", sagte der neue AfD-Kreisvorsitzende Jan Schiffers. Wer sich unter den Zuschauern von Pretzell allerdings Angriffe gegen die Einwanderungspolitik der Kanzlerin oder die wortreiche Verhöhnung eines multikulturellen Gesellschaftsmodells erhofft hatte, sah sich enttäuscht. Diese Register zog an diesem Abend allein Wolf Dieter Jakobi.

In geiferndem Ton wütete der ehemalige Bamberger AfD-Kreisvorsitzende gegen einen drohenden Ausverkauf deutscher Werte und Traditionen. Die Anwesenden forderte er auf, sich aktiv gegen diese Entwicklung zur Wehr zu setzen. Wie er sich diesen Widerstand konkret vorstellt, verriet Jakobi indes nicht.


Jakobis Tobsuchtsanfall

Pretzell schienen Jakobis Sätze eingermaßen unangenehm zu sein. Diese Deutung erlauben zumindest sein nervöses Nesteln in den Haaren und das aggressive Ignorieren von Jakobis rhetorischem Tobsuchtsanfall.
Pretzell, so hatte es den Anschein, nutzte den Abend, um einen neuen, etwas liberaleren Zungenschlag auszuprobieren. Das wurde deutlich, als er eine schnelle berufliche Eingliederung anerkannter Asylbewerber anmahnte. Dies wurde auch deutlich, als er beinahe entrüstet den Wunsch eines Zuhörers abwehrte, sich für die Etablierung von Bürgerwehren starkzumachen. "Um Gottes Willen, nein. Die innere Sicherheit ist allein Aufgabe der Polizei", sagte Pretzell. Ganz in diesem Geist empfahl er seinem Publikum die AfD später auch "als die Rechtsstaatspartei für Deutschland".

Seine Auseinandersetzung mit einem verschärften Waffenrecht verband Pretzell mit der grundsätzlichen Kritik an einem übergriffigen Staat im Allgemeinen und einer monströsen EU-Bürokratie im Besonderen.


Klaffende Widersprüche

Aus dem Munde eines Politikers, der selbst dem EU-Parlament angehört, mag sich diese Kritik heuchlerisch anhören. Pretzells Haltung steht aber beispielhaft für eine Partei, die gerade wegen ihrer Verachtung für die parlamentarische Demokratie in die Parlamente gewählt werden will.

Das Schützenhaus war allerdings nicht der Ort, an dem diese Widersprüche aufzubrechen drohten. "Jeder unbescholtene Bürger sollte das Recht haben, eine Waffe zu besitzen. Das hat keinen Politiker zu interessieren": Sätze wie dieser stießen nicht nur bei den aktiven Sportschützen im Saal auf erwartungsgemäß großen Applaus.
Den Demonstranten vor dem Schützenhaus war Pretzell dagegen keine nähere Beschäftigung wert. Sowohl Schnabel als auch Bambergs Dritter Bürgermeister Wolfgang Metzner (SPD) beließen es in ihren Reden bei eher allgemein gehaltenen Angriffen auf die AfD. "Wir setzen heute ein Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung und für Demokratie und Toleranz", sagte beispielsweise Metzner.

Schnabel reicherte die Kritik noch um eine sozialpolitische Dimension an und hielt der AfD eine neoliberale Wirtschafts- und Sozialpolitik vor. Drinnen in der Vereinsgaststätte Kunigundenruh kostete es Dieter Kuhl zumindest dem Augenschein nach nur wenig Mühe, die Ruhe zu bewahren.
"Jeder darf protestieren. Auf der anderen Seite ist mir jeder willkommen, der sich in meiner Gaststätte vernünftig verhält", sagte Kuhl. Diese Einstellung verrät, weshalb Kuhl seine Gaststätte seit einiger Zeit auch für Veranstaltungen des AfD-Kreisverbands öffnet.

Davon hat ihn bislang auch die Kritik des Bündnisses "Buntes Elltertal" nicht abbringen können. "Herr Kuhl sollte sich überlegen, mit wem er Geschäfte macht", ging Schnabel auch am Donnerstag den Wirt frontal an. An Kuhl selbst prallt dies ab, gegen Eingriffe in seine unternehmerische Freiheit verwahrt er sich: "Die sollen mich in Ruhe lassen und sich sachlich mit der AfD auseinandersetzen."
Genau das haben Schnabel und seine Bündnisgenossen am Donnerstagabend getan.