Der Baumkronenpfad wird die Region attraktiver machen. Eine Antwort darauf, wie man Frankens alte Buchenwälder besser schützt, ist er nicht.
Im Steigerwald wird man sich wohl noch lange an diesen Tag erinnern. Am 19. März wird der acht Millionen Euro teuere Baumwipfelpfad der bayerischen Staatsforsten eröffnet. Er ist einer von dann 15 solcher Bauwerke in Deutschland, ein spektakulärer Wanderweg durch die Kronen eines Laubwalds. Er belohnt Spaziergänger nach einem Kilometer mit weitem Fernblick.
"Über allen Gipfeln ist Ruh, in allen Wipfeln spürest du kaum einen Hauch", schreibt Johann Wolfgang von Goethe 1780 in Wanderers Nachtlied. Für Frankens grünes Herz ist diese Zustandsbeschreibung aber nicht wörtlich zu nehmen. Auch am 19. März wird es im Buchenwald bei Ebrach eher unromantisch unruhig zugehen: Die Mitglieder des Vereins Nationalpark Nordsteigerwald wollen die Gelegenheit nutzen, um vor den zahlreichen Gästen zu demonstrieren - nicht gegen den Baumwipfelpfad wie der Verein betont, sondern für einen Baumwipfelpfad in einem Nationalpark.
Die Willensbekundung zeigt, dass die Debatte um die bestmögliche Entwicklung im Steigerwald auch im neunten Jahr nach der umstrittenen Initiative des ehemaligen Bamberger Landrats Günther Denzler (CSU) nicht ausgestanden ist. Denzler hatte sich zuerst für einen Nationalpark und dann für ein Weltnaturerbe Steigerwald stark gemacht.
Wie könnte das Ringen auch vorüber sein? Vor einem Jahr hat die Staatsregierung den möglichen Kompromiss, ein rund 700 Hektar großes und ebenso kritisiertes wie geliebtes Schutzgebiet namens Hoher Buchener Wald bei Ebrach, unter Beteiligung des Umweltministeriums und mit einigen juristischen Winkelzügen wieder aufgehoben, "abgesägt", wie Kritiker unkten.
Kein Schutzgebiet um Wipfelpfad
Das hat dazu geführt, dass der neue Baumerlebnispfad, der nun die Massen locken soll, gewissermaßen mutterseelenallein im Walde steht. Anders als bei den meisten Wipfelpfaden umgibt das Millionenbauwerk nicht einmal ein verschämtes Mini-Schutzgebiet.
Dafür beschäftigt der Steigerwald auf Betreiben der Naturfreunde in diesem Jahr gleich zwei Gerichte: der Bayerische Verwaltungsgerichtshof soll die Frage klären, ob die Verordnung über die Aufhebung der Schutzverordnung rechtens war. Und auch der Verfassungsgerichtshof wird es mit fränkischem Hartholz zu tun bekommen. Der Nationalparkverein wirft der Staatsregierung einen Willkürakt vor und bereitet seit Monaten eine Popularklage vor.
In dieser Situation versucht Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) die Quadratur des Kreises. Sie will die Ruhe über Frankens Wipfeln wieder herstellen indem sie den Schutz der alten Buchenwälder verbessern will, aber nicht per Verordnung, sondern mit Dialogprozess. "Eine hochwertige geschützte Natur in Verbindung mit sanftem Tourismus ist der Schlüssel für die Entwicklung der Region", sagte sie diese Woche.
Geschützte Natur, sanfter Tourismus? Solchen Zielen könnten in der Tat alle im Steigerwald zustimmen, selbst jene, die seit neun Jahren in heftiger Fehde miteinander liegen. Doch was heißt das konkret? Der Titel für ein Weltnaturerbe, aufgesetzt auf dem Verbund der Buchenwaldwelterbestätten wäre wohl erreichbar, hat aber aus Sicht der Staatsregierung bisher den Makel, dass ein echtes Schutzgebiet entstehen und der Holzertrag sinken würde.
Also doch der Welt
kulturerbetitel für die heute als Gefängnis genutzte Zisterzienserabtei samt umgebender Länderen? Das Landesamt für Denkmalpflege beurteilt diesen Weg als langwierig und nicht zwingend erfolgversprechend. Bliebe das Europäische Kulturerbesiegel, das kaum einer kennt und folglich wenig werbewirksam ist.
Die Debatte um den Naturschutz im Steigerwald wird der Region so oder so erhalten bleiben. Grund ist auch die 2007 beschlossene nationale Biodiversitätsstrategie, vom damaligen CSU-Landwirtschaftsminister Seehofer (CSU) unterzeichnet. Sie verhieß, den Prozentanteil der ungenutzten öffentlichen Wälder bis 2020 auf zehn Prozent anzuheben. Das Ziel, ein Netzwerk für heimische Arten aus großen Schutzgebieten zu schaffen, wird in vielen Bundesländern mittlerweile mit Nachdruck verfolgt. Nur in Bayern geht man einen anderen Weg.
Das Ziel des Baumwipfelpfades ist es nicht, Verständnis für die Schutzwürdigkeit der Buchen um Ebrach zu wecken, sondern eben dieses zu verhindern. Hätte man sonst parallel zum Bau dieses Aussichtsturms die Abschaffung des größten Buchenschutzgebietes in Bayern betrieben? Die Akteure sind dieselben: Agrarminister Brunner (der Waldzündler) und die von ihm abhängigen Bayerischen Staatsforsten in Regensburg. Da nimmt man auch massiv Geld in die Hand, das einst der immer noch wütgend-aggresssiv agierende Innenstaatssekretär Eck (der Regionalproporz Unterfrankens in der bayerischen Staatsregierung) als Subventionen verteufelt hat.
Der Baumwipfelpfad ist unter diesen Vorzeichen tatsächlich ein "Leuchtturm" - ein Leuchtturm der bayerischen Starrköpfigkeit und Engstirnigkeit, gekrönt von der Ängstlichkeit der fränkischen Landtagsabgeordneten - daraus resultiert ein Leuchtturm der bayerischen Rückständigkeit in Sachen Naturschutz.
wie knapp und prägnat und bringt alles auf den Punkt. Vielen Dank dafür an Michael Wehner.
Ich hoffe, das sich dieses Theater bald verflüchigt und wir ein würdiges Großschutzgebiet im Steigerwald bekommen - schon aus pekuniärem Interesse, der Baumwipfelpfad war teuer genug und wird in einem wenig reizvollen Bayerische-Staatsforsten-Wirtschaftswald bald Spinnweben ansetzen - acht Millionen Euro...!!!
so mancher bauer hat schon seine letzte kuh verkauft, um die melkmaschine zu finanzieren
... wird der Baumwipfelpfad nur ein teures Millionengrab bleiben.
Mit den Kosten seines Baus hätte man den Ertragsausfall durch das Schutzgebiet "Hoher Buchene Wald" über viele Jahrzehnte ausgleichen können. Doch die BaySF bauen sich lieber ein Denkmal.
Schade nur, dass für den Bau der Gastronomie und des Parkplatzes so viele alte Bäume fallen mussten - eigentlich genau die Bäume, die man vom Baumwipfelpfad aus gerne gesehen hätte.
Das erinnert sehr an den Fahrradweg zu den Methusalembäumen, die dann leider entfernt werden mussten, um den Radweg sicherer zu machen. Welch Irrsinn!
wenn wir in diesem Frei(???)staat nicht mal 700 ha. Staatswald (!!!) unter Schutz stellen können, ohne dass Münchens Lobbyinteressen drüberregieren.