Vom kommenden Montag an wird das Verfahren am Landgericht Bamberg mit der Anhörung weiterer Zeugen fortgesetzt. Jetzt sollen die mutmaßlichen Opfer zu Wort kommen.
Am 7. September endet die Sommerpause im so genannten Chefarzt-Prozess vor dem Bamberger Landgericht. Knapp vier Wochen war das Verfahren unterbrochen. Der inzwischen 50-jährige Angeklagte, Heinz W., hat bereits seinen zweiten Geburtstag in Folge in Untersuchungshaft verbracht: Seine Festnahme erfolgte am 20. August 2014. Der Mediziner soll sich an zwölf Patientinnen und Mitarbeiterinnen im Klinikum Bamberg vergangen haben. Am Montag geht der Prozess mit der umfangreichen Beweisaufnahme weiter. Eine Zwischenbilanz.
Was wird Heinz W. vorgeworfen?
Als früherer Leiter der Klinik für Gefäßchirurgie am Klinikum Bamberg soll er zwölf junge Frauen unter einem Vorwand betäubt und intim "untersucht" haben. Von seinen Handlungen gibt es viele Fotos und Videosequenzen. Die Anklagebehörde geht von sexuell motivierten Straftaten aus. Sie wirft dem früheren Chefarzt Vergewaltigung in zehn Fällen vor, außerdem sexuelle Nötigung, gefährliche Körperverletzung und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen.
Hat Heinz W. ein Geständnis abgelegt?
Nein. W. und seine drei Verteidiger bemühen sich vom ersten Verhandlungstag an, die Anklage zu erschüttern. Sie stellen die Ermittlungsergebnisse in Frage, insbesondere die Auswertung der Bild- und Filmaufnahmen als belastendes Material. Die Verteidiger haben schon mehrere Befangenheitsanträge gegen Richter und einen der Gutachter gestellt; sie wurden bislang alle abgelehnt.
Wie sieht die Verteidigungsstrategie aus?
Die Untersuchungen der Frauen streitet W. nicht ab. Er beteuert aber, sie hätten nie einem anderen Zweck als der Suche nach einer neuen, noch nicht da gewesenen Untersuchungsmethode bei Beckenvenenthrombose gedient. Die Aufnahmen will er für eine Studie und Fachvorträge gemacht haben. Der Polizei und Staatsanwaltschaft wirft die Verteidigung vor, von Anfang an einseitig ermittelt zu haben, nämlich in Richtung des sexuellen Missbrauchs.
Wo steht der Prozess nach der Sommerpause?
In 20 Verhandlungstagen kamen bisher 22 Zeugen zu Wort, vorwiegend aus dem klinischen Umfeld des Angeklagten und von der Polizei. Außerdem wurde ein von der Verteidigung benannter Sachverständiger gehört. Am Montag geht die Beweisaufnahme weiter. Es sind zunächst weitere 22 Verhandlungstage bis Januar terminiert.
Kamen die mutmaßlichen Opfer schon zu Wort?
Nein. Sie sind unter den ungefähr 30 noch ausstehenden Zeuginnen und Zeugen. Zwölf von ihnen nehmen als Nebenklägerinnen am Verfahren teil, waren die meiste Zeit aber nicht selbst anwesend. Sie lassen sind durch ihre Rechtsanwälte vertreten.
Wann sind die Nebenklägerinnen an der Reihe?
Nach dem jetzigen Terminplan der Strafkammer sagt das erste mutmaßliche Opfer am 21. September aus. Die junge Frau ist zugleich die wichtigste Zeugin der Anklage. Es handelt sich um eine angehende Ärztin, die 2014 während ihres Medizinstudiums im Klinikum ein Praktikum absolvierte und die Ermittlungen ins Rollen gebracht hat.
Was weiß die Hauptbelastungszeugin?
Die Frau hat sich im Juli 2014 auf Bitte von Heinz W. zu einer Ultraschalluntersuchung für seine angebliche Studie bereit erklärt. Weil sie anschließend keinerlei konkrete Erinnerungen an das hatte, was mit ihr geschah, und sie sich merkwürdig benommen fühlte, hegte sie den Verdacht, dass der Chefarzt ihr nicht, wie besprochen, ein Kontrastmittel verabreicht hat, sondern etwas anderes. Sie veranlasste eine Blutprobe, in der noch Stunden nach dem Termin in der Klinik für Gefäßchirurgie ein Beruhigungsmittel nachgewiesen wurde. Daraufhin erstattete die Medizinstudentin Strafanzeige gegen Heinz W.
Wie geht es weiter, wenn alle Zeuginnen und Zeugen gehört wurden?
Dann kommen die Gutachter zu Wort. Das Gericht wird wenigstens fünf Sachverständige befragen. Es handelt sich um zwei Rechtsmediziner, einen Gynäkologen und einen Gefäßspezialisten. Zur Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten nimmt der bundesweit bekannte forensische Psychiatrie-Professor Norbert Nedopil an dem Bamberger Prozess teil. Denkbar ist, dass die Strafkammer auch noch einen EDV-Experten beizieht, sofern am Ende der Beweisaufnahme noch Fragen zum sichergestellten Bildmaterial auf den beschlagnahmten Computern und Festplatten von W. offen sind.
Kann ich die Verhandlung besuchen?
Ja, die Hauptverhandlung ist öffentlich. Zuhörer, auch Medienvertreter, müssen damit rechnen, dass sie zeitweise den Sitzungssaal verlassen müssen. Die Öffentlichkeit wurde schon wiederholt ausgeschlossen, weil sehr persönliche Dinge des Angeklagten oder von Zeugen zur Sprache kamen. Das Publikumsinteresse am Prozess hat nach den ersten Tagen stark nachgelassen. Beginn: 9 Uhr.