Jeden Glauben an die Zukunft hatte Miriam Proksch nach einem schweren Unfall verloren. Aber sie überwand den Tiefpunkt und ist heute glücklicher denn je.
Es war ein Unfall, der Miriam Proksch' Leben von Grund auf veränderte. Wenige Sekunden machten aus einer sportbegeisterten jungen Frau einen querschnittsgelähmten Menschen, der auf fortwährende Hilfe angewiesen ist. Zehn Jahre vergingen seit dem Schicksalsschlag. Mittlerweile aber wünscht sich Miriam Proksch nicht mehr in die Zeit zurück, in der sie noch laufen und tanzen konnte. "Ich habe mein Glück gefunden - vielleicht auch, weil ich meinen Weg um so viele Ecken herum nehmen musste."
Unterstützung durch Assistenten
Gerade schreibt Miriam Proksch an ihrer Bachelorarbeit. Bilbo und Fibi, die beiden Stubentiger der Hochschülerin, sind unterwegs, als wir die 37-Jährige besuchen. "Hallo. Kommen Sie rein": Sigrid Carluccio empfängt uns an der Tür - eine der Helferinnen, die der Rollifahrerin Tag für Tag zur Seite stehen. "Früher habe ich als Taxifahrerin gearbeitet.
Jetzt assistiere ich Miriam - eine Tätigkeit, die mir weitaus mehr gibt", sagt die Bambergerin. Die Sonne scheint, also verlegen wir das Interview auf die kleine Terrasse der Studentin - zwischen Blumentöpfe und Frühlingsdeko.
Wie weiterleben?
"Kaffee?" "Danke, gerne!" Sigrid Carluccio geht Richtung Küche, während Miriam Proksch über die schmerzlichste Zeit ihres Lebens und den anschließenden Neuanfang spricht. "Zwei Monate lang war ich nach meinem Unfall auf der Intensivstation, danach noch neun Monate lang in einem Querschnittgelähmten-Zentrum." All die Träume, Pläne und Vorstellungen der damals 27-Jährigen hatten sich in Nichts aufgelöst. "Ich kam in ein Seniorenheim, wo ich sechs Monate lang lebte. Das war einfach nur schrecklich.
Welche Zukunft habe ich noch - fragte ich mich damals und wollte nicht mehr weiterleben."
Sigrid Carluccio bringt den Kaffee. Kater Bilbo kommt maunzend aus dem Garten. Miriam Proksch lächelt. "Ich denke, heute kann ich stolz darauf sein, nicht aufgegeben zu haben. Ich habe gebetet: Gott, nimm mein Leben in die Hand, sonst bin ich verloren." Und tatsächlich gelang es der Studentin nach einer Weile, neue Kraft zu schöpfen. Ihr Gesundheitszustand besserte sich, so dass die gebürtige Unterfränkin nach Gaustadt ins "Haus Miteinander" ziehen konnte: Eine Wohnanlage der Joseph-Stiftung, in der behinderte und nicht-behinderte Menschen verschiedenstens Alters selbstbestimmt zusammenleben.
Das Leben als ständiger Kampf
Nach und nach lernte Miriam Proksch, ihr Schicksal anzunehmen.
So kehrte sie vor drei Jahren an die Universität zurück, um ihren Abschluss im Bereich Theologische Studien und Philosophie zu machen. Mit Hilfe von Assistenten wie Sigrid Carluccio meistert die Hochschülerin ihren Alltag trotz körperlicher Einschränkungen. "Früher war ich so perfektionistisch, dass ich mich durchs Leben kämpfte. Ich hatte große Ziele, die ich zu erreichen suchte, statt die schönen Momente zu genießen": Kleine Glücksmomente, die Miriam Proksch inzwischen zu schätzen lernte, so dass sie sich heute als viel zufriedener und zuversichtlicher als vor dem Unfall beschreibt. "Letztendlich bin ich dankbar für das, was mir vor nunmehr zehn Jahren zugestoßen ist."
Ein weiter Weg liegt hinter der 37-Jährigen.
Ein steiniger Weg, den Miriam Proksch anderen körperbehinderten Menschen, die mit ihrem Schicksal hadern, erleichtern möchte: "Drum hatte ich die Idee, einen Rolli-Treff zu gründen, bei dem man sich austauschen, gegenseitig unterstützen und gemeinsame Aktivitäten planen kann." An jedem dritten Donnerstag im Monat kommt Proksch' "Selbsthilfegruppe für Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen" zusammen.
Berührungsängste abbauen
Ein Anliegen ist es der 37-Jährigen darüber hinaus, Berührungsängste gegenüber Menschen mit Behinderung abzubauen. So möchte die Studentin nach ihrem Abschluss auch an Schulen gehen und mit Kindern arbeiten. "Ich zeige ihnen, wie es ist, gehandicapt zu sein.
Aber ebenso, wie man damit zu leben lernt, ohne zu verzweifeln."
Bislang ist all das aber noch Zukunftsmusik, nachdem Miriam Proksch zuvor ihr Studium abschließen und ihre Bachelorarbeit abgeben muss. Darin thematisiert die Hochschülerin auf gewisse Weise ihre Geschichte. "Ich schreibe darüber, wie Menschen nach einem schweren Unfall zurück ins Leben - ein neues Leben - finden."
Treffen im Bürgerhaus
Wer Miriam Proksch kennenlernen oder sich ihrer Selbsthilfegruppe anschließen möchte, hat an jedem dritten Donnerstag des Monats Gelegenheit. "Wir treffen uns um 18 Uhr im Bürgerhaus Rosmarinweg."