Im Strafverfahren gegen einen früheren Bamberger Chefarzt zieht einer der Verteidiger Parallelen zur Hexenverfolgung im 17. Jahrhundert: Damals wie heute sei mangelndes Wissen die Ursache falscher Anschuldigungen.
Die Hexenverfolgung in Bamberg hätte es nicht gegeben, wenn die Menschen damals nicht so unwissend gewesen wären, sagt Rechtsanwalt Dieter Widmann. Der selbe "Mechanismus" droht nach seinen Worten im Prozess gegen den früheren Bamberger Chefarzt Heinz W., den er gemeinsam mit zwei auswärtigen Kollegen verteidigt.
Dass sich der 49-jährige Phlebologe seit 7. April wegen zahlreicher Sexualstraftaten an 13 Frauen vor dem Landgericht verantworten muss, führt die Verteidigung auf das fehlende medizinische Wissen der Staatsanwaltschaft und des Gerichts zurück.
Die Strategie, mit der W. und seine Rechtsanwälte darauf reagieren, ist seit Dienstag (14. April), dem zweiten Verhandlungstag, klar: Der Mediziner will alles zu seiner Rehabilitation nötige darlegen, umfangreich und mehrere Verhandlungstage lang.
In Anspielung auf einige der Schlagzeilen, die der Klinikskandal bundesweit gemacht hat und noch macht, sagte der Angeklagte: "Ich war und bin weder Sex-Arzt noch Dr. Pervers. Ich war und bin niemand, der irgend jemandem sexuelle Gewalt antun würde. . . Ich bin weder ein Sexualstraftäter noch ein Vergewaltiger."
Heinz W. begann seine Einlassungen mit einem fast zweistündigen Referat. Auf die angeklagten Straftaten - unter anderem Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und gefährliche Körperverletzung - ging er nur vage ein.
Noch kein Wort verlor er über die Ruhigstellung von Patientinnen, die er vor seinen intimen Untersuchungen ohne Wissen der Frauen vorgenommen hat. Umso ausführlicher beschrieb er den Betrieb in der von ihm seit 2005 geleiteten Klinik für Gefäßchirurgie, Gefäßmedizin und Phlebologie im Bamberger Klinikum sowie seine Suche nach alternativen Diagnose- und Therapiemethoden bei Frauen mit Beckenvenenthrombose, einem seiner Spezialgebiete.
Zwölf der 13 mutmaßlichen Opfer waren Patientinnen und Mitarbeiterinnen in W.s Klinik. Die ihm vorgeworfenen Untersuchungen sollen nichts anderes gewesen sein "als die Erprobung einer Maßnahme in Hinsicht auf ihren medizinischen Nutzen".
Der Arzt räumte nur Versäumnisse in der Aufklärung ein. Er habe wohl die klinisch-medizinischen Interessen über das Selbstbestimmungsrecht der Frauen gestellt. Dies bedauerte er, ebenso die seelischen Folgen für die Frauen.
Rechtsanwalt Martin Reymann-Brauer, der sechs Nebenklägerinnen vertritt, nannte W.s Äußerungen "eine verkleidete Beleidigung" seiner Mandantinnen. Er konnte in der Stellungnahme des Angeklagten "nicht ansatzweise eine Entschuldigung" erkennen.
Oberstaatsanwalt Bernd Lieb sagte, W. habe "ein gewisses Fehlverhalten angedeutet".
Der zweite Prozesstag endete am Mittag, ohne dass Richter, Anklage- und Nebenklägervertreter Gelegenheit zu Rückfragen hatten. Grund: Der Vorsitzende Richter musste zu einer Beerdigung weg.
Für 28. April, wenn das Verfahren weitergeht, kündigt die Verteidigung eine Power-Point-Präsentation zu den 13 angeklagten Fällen an. Dann dürfte wohl auch erstmals die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden.
Als Verteidiger würde ich mich schämen, einen solchen Vergleich zu gebrauchen. Den damaligen Opfern konnte keine "Tat" bewiesen werden, sie hatten keine Verteidiger, mussten unter schlimmsten Foltern aussagen. Heute bekommt der Angeklagte ein rechtsstaatliches öffentliches Verfahren und hat von ihm gewünschte und beauftragte Verteidiger.