Chefarzt-Prozess: Heinz W. fühlt sich umgeben von "Fachfremden"

2 Min
Heinz W. verbringt bereits seinen elften Verhandlungstag im Landgericht. Am kommenden Montag um 9 Uhr geht es weiter. Foto: Anna Lienhardt
Heinz W. verbringt bereits seinen elften Verhandlungstag im Landgericht. Am kommenden Montag um 9 Uhr geht es weiter.  Foto: Anna Lienhardt

Der angeklagte Heinz W. stellte sich am elften Verhandlungstag als Spezialist dar, dem die Bedeutung seines medizinischen Handelns aberkannt wird. Vor W.s Stellungnahme hatte das Gericht Befangenheitsanträge abgewiesen.

Gestern wurde er deutlich, fast frech. Heinz W., ehemaliger Chefarzt am Bamberger Klinikum, 48 Jahre alt, Venenspezialist. Als solcher wollte er sich vor dem Bamberger Landgericht verstanden wissen. Immer wieder konnte er sich Spitzen gegen Gericht und Gutachter nicht verkneifen.

So merkte er an: "Ein faires Verfahren setzt voraus, mir nicht mein Engagement aus Unverständnis oder Ignoranz abzuerkennen. Ein Risiko, das bei Fachfremden vorhanden sein kann."

Heinz W. muss sich unter anderem wegen der Vergewaltigung von zehn Patientinnen verantworten. Er soll die schlanken, jungen Frauen im Intimbereich berührt und teilweise Fotos und Videos gemacht haben. Der Angeklagte selbst betonte vom ersten Prozesstag an: alles medizinisch begründbar.

Dass das allerdings vor Gericht in Frage gestellt wird, ist ihm unverständlich. "Keines der Bilder hatte einen sexuellen Bezug! Wieso fällt das keinem der Sachverständigen auf?!!", warf er aufgebracht in die Runde. Überhaupt wetterte der Gefäßchirurg gegen einen seiner Meinung nach ungeeigneten Sachverständigen: Rechtsmediziner Professor Doktor Dieter Patzelt aus Würzburg. Gegen diesen hatten die drei Verteidiger des Angeklagten an einem früheren Prozesstag einen Befangenheitsantrag gestellt, den das Gericht abgelehnt hatte.

Dessen ungeachtet warf Heinz W. Patzelt erneut mangelndes Fachwissen im Bereich Gefäßerkrankungen vor. Als der Angeklagte etwa auf seine Bild-Dokumentation zu sprechen kam, zog er den Vergleich: "Einen Rechtsmediziner dazu zu befragen ist ähnlich, wie einen Schreiner bei einem tropfenden Wasserhahn zu holen." Doch W. muss sich nicht nur weiterhin mit dem Sachverständigen, sondern der kompletten Besetzung des Gerichts abfinden. Denn zwei weitere Befangenheitsanträge wurden gestern abgelehnt.

Als unbegründet zurückgewiesen

Die Verteidiger des ehemaligen Chefarztes hatten sowohl gegen den Vorsitzenden Richter Manfred Schmidt und die beiden Schöffen, als auch - in einem zweiten Antrag - gegen alle fünf Mitglieder der Großen Strafkammer Anträge wegen Befangenheit gestellt. Diese haben drei andere Richter des Bamberger Landgerichts als unbegründet zurückgewiesen.

Heinz W. jedenfalls ließ nicht die Gelegenheit verstreichen, auch der Staatsanwaltschaft etwas vorzuwerfen, nämlich "stereotypes Wiederholen der Anklageschrift" und "rufmörderische Meldungen".

Im zweiten Teil des Verhandlungstages ging es doch noch um das, was dem Mediziner vorgeworfen wird, genauer gesagt Fall 2 von insgesamt 13 aus der Anklageschrift: W. soll eine 20-jährige Studentin mit dem Hypnotikum Midazolam betäubt, ihre Schamlippen gespreizt und vom Intimbereich Fotos und ein Video gemacht haben. Anschließend, so wirft es die Anklageschrift vor, führte er einen "Butt Plug", übersetzt etwa "Anal-Stöpsel", vaginal bei der Patientin ein.

Der Gefäßchirurg erklärte, er habe den Anal-Stöpsel als Widerlager eingesetzt, um die innere Beckenvene aufzudehnen und sie dadurch sichtbar zu machen.

Die Patientin habe wissen wollen, ob diese innere Untersuchung wie mit "Bluetooth", eine Datenübertragung per Funktechnik, funktioniere. Der Einfachkeit halber sei W. im Bild geblieben und habe erklärt: "Die Ultraschallsonde ist die hier mit dem Kabel, die andere, die dagegen drückt, nennen wir meinetwegen Bluetooth", erläuterte er bei seiner Aussage. Das erhobene Bild- und Videomaterial soll der klinischen Weiterbildung gedient, und als einziges Medikament will er der jungen Frau Kontrastmittel gegeben haben.

Warum man dieses brauchte, um bei ihr die innere Beckenvene zu sehen, wollte einer der drei Sachverständigen wissen. In seiner schnippischen Antwort bezog sich W. auf ein Fachbuch: "Ich zitiere aus dem Rutherford, ein Ihnen völlig unbekanntes Schriftstück." Demnach könnten durch Ultraschall die Venen teilweise nur in 40 Prozent der Fälle sichtbar gemacht werden.