Anwohner der Kettenbrücke klagen über andauernde nächtliche Lärmbelästigung und "Saufgelage". Außerdem springen Leute im Dunkeln von der Brücke in den Kanal. Wird sie bald zum Brennpunkt wie die Untere Brücke 2013?
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im Wasser haben sie noch niemanden erwischt. "Wir hatten mal einen mit Badehose, die war aber trocken. Dem kann man natürlich nichts nachweisen." Was sich im ersten Moment lustig anhören mag, hat einen - wortwörtlich - todernsten Hintergrund.
Das, was Polizeisprecherin Silke Gahn berichtet, stimmt nachdenklich: Immer wieder wird die Polizei zur Kettenbrücke gerufen, weil am späten Abend oder mitten in der Nacht Menschen über das Geländer klettern und in den Main-Donau-Kanal springen. Eine lebensgefährliche Praxis, schließlich kann niemand wissen, ob ein Baumstamm im Fluss treibt.
Doch die Brückenspringer sind nicht der einzige Grund, weshalb seit Anfang Juli häufiger als üblich eine Polizei-Streife an jener Verbindung zwischen Oberer Königsstraße und Hauptwachstraße anhält.
"Da wird Nacht für Nacht Party gemacht" oder "die schleppen kästenweise Bier an. Jetzt kommen auch noch Schlägereien dazu": Es sind Sätze von Anwohnern, die nicht namentlich in der Zeitung genannt werden. Denn sie wollen keinen Ärger mit gewissen Personen auf der Brücke, von denen einige in betrunkenem Zustand offenbar zur Aggressivität neigen.
Das bestätigt dem FT ein junger Mann - kein Anwohner, sondern jemand, der gelegentlich die Aufenthaltsqualität der Kettenbrücke genießt. Die Anwohner können das Klientel durchaus unterscheiden. "Es stört nicht, wenn Leute sich einen schönen Abend machen. Es ist wunderbar, dass die Sitzgelegenheiten angenommen werden", sagt einer.
Aber: "Nach und nach sind auch solche gekommen, die Saufgelage auf und unter der Brücke veranstalten." Vor allem abends und am Wochenende "sitzen da nur noch Leut mit Bier", sagt der Anwohner.
Über 50 Jahre wohnt er schon an der Brücke, doch diesen Sommer hat er bereits mehrmals zum Telefonhörer gegriffen, die Polizei angerufen, vor kurzem auch das Ordnungsamt - aus lauter Verzweiflung.
Er spricht von Gruppen zwischen zehn und 30 Leuten, dem "lauten Gequietsche von Mädchen" oder lärmenden Runden, die mit tragbaren Musikapparaten die Umgebung beschallen.
Polizei weiß Bescheid
Silke Gahn von der Polizeiinspektion Bamberg-Stadt kennt solche Beschwerden. Alleine in einer heißen Nacht von Freitag auf Samstag wurde drei Mal die Polizei gerufen: 22.59 Uhr, 2.35 Uhr, 3.55 Uhr. "Lautes Grölen, Schreien, Radau und Brückensprünge", liest sie aus dem Vermerk im Polizeicomputer vor.
Wird die Polizei alarmiert, macht sich eine Streife auf den Weg.
"Wenn die Leute belehrbar und einsichtig sind, werden sie nicht sofort beim ersten Mal verwarnt", sagt Gahn, fügt jedoch hinzu: "Das ist kein Freibrief." Platzverweise sind bereits vorgekommen. Begibt sich jemand sogar in Lebensgefahr und sollte beim Brückensprung doch einmal erwischt werden, sind für die Ordnungswidrigkeit zwischen 50 und 70 Euro fällig. Die Belehrung über die Gefahr gibt es gratis.
Gahn merkt an: "Ruhestörungen haben wir momentan im gesamten Stadtgebiet, wenn die Leute bei gutem Wetter draußen sind. Die Kettenbrücke fällt auf wegen der Wasserpringer."
Gerade in Sachen Ruhestörung war noch vor zwei Jahren ein anderer Treffpunkt über dem Wasser in die Schlagzeilen geraten: die Untere Brücke. Höhepunkt des Konfliktes war deren Räumung am 16. Juli 2013. Die Polizei hatte damals rund 250 Menschen aufgefordert, die Brücke zu verlassen und ihren Müll mitzunehmen.
Die Situation hatte sich über Wochen aufgeschaukelt, als Anwohner sich nachts dauerhaft von der Geräuschkulisse vieler Menschen auf einen Haufen gestört gefühlt hatten.
Aufruf zu "Toleranz und Rücksicht"
Obwohl die Untere Brücke nach wie vor gut besucht ist, scheint sich die Lärmproblematik aktuell auf die Kettenbrücke zu verlagern - was in der Stadtverwaltung bereits bekannt ist. Sprecherin Ulrike Siebenhaar spricht von einer "angespannten Situation", ruft aber gleichzeitig zu "Toleranz und Rücksicht" und einer "friedlichen Koexistenz" auf. Sie weiß: Jedes Jahr, wenn es heiß wird und die Leute auf öffentlichen Plätzen lange draußen sitzen, kommt es zu Interessenkonflikten.
Die Besonderheit an der Kettenbrücke sind offenbar "unterschiedliche Nutzergruppen", wie Siebenhaar sagt. Auch in Bamberg gebe es Menschen, die am Rand der Gesellschaft leben.
Was die jüngeren betrifft, erhofft sich die Stadt positive Folgen durch den Einsatz von Streetworkern. Für das ältere Klientel versuche man ebenfalls, einen Weg zu finden.
Siebenhaar merkt jedoch an: "Bis zu einem gewissen Grad muss man das als Stadtgesellschaft aushalten - solange sich alle an die Regeln halten." Im Zweifelsfall werde man vor Ort präsent sein, sowohl von Seiten der Stadtverwaltung, als auch der Polizei. Die Sprecherin betont: "Keiner will um acht die Gehsteige hochklappen. Doch für Innenstadt-Anwohner ist es schwierig, wenn nachts um zwei die Leute noch feiern."
Das sind neben dem von ihr angesprochenen Klientel offenbar auch jüngere Bamberger. Ein Anwohner beschreibt anschaulich: "Hier sitzen die Freaks, dort die Hippies und drunten die Punks. Und dann gibt es noch die, die aus der Stadt über die Brücke nach Hause laufen."
Doch genau das ist auf und unter der Kettenbrücke eben sehr oft nicht der Fall. Trotz der Erfahrungen mit anderen Brennpunkten wurde die neue KB besonders einladend möbliert. Ohne rechtzeitig entsprechende Polizei-oder Stadtpräsenz zu zeigen, hat man dieser negativen Entwicklung bislang zugesehen. Und nun: ... "im Zweifelsfall werde man vor Ort präsent sein" ... Im Zweifelsfall!! Wann tritt der denn bitte ein? Wenn die Wohnqualität dort noch mehr sinkt? Wenn noch mehr Anwohner nicht schlafen können? Wenn noch mehr Müll über die winzigen Mülleimer hinausquillt? Wenn die Ratten auf der Brücke noch zahlreicher werden? Im Übrigen ist das nicht nur ein Sommerproblem. Es ist mehr als unverständlich, dass von Seiten der Stadt ruhig zugesehen wurde, wie sich ein (bislang) tolles Wohngebiet zum Krawall- und Müllplatz entwickelt hat. Ich bin jetzt schon sehr gespannt auf die Präsenz der Stadtverwaltung.