Als Gast ist Brian O. Kepher nach Bamberg zur "Mahler Competition" eingeladen worden. Die Geschichte des 21-jährigen Kenianers mutet an wie ein Märchen.
Manchmal werden wir verwöhnte Mitteleuropäer mit der Nase auf wirkliche Probleme gestoßen. Da gibt es dann keine Partygespräche über die neueste Diät oder gläserne Decken oder dass man wegen Straßenbaus zehn Minuten länger ins Büro braucht. Da wird man konfrontiert z. B. mit dem Slum "Korogocho" in Nairobi, Kenia. Dort wohnen ca. 200 000 Menschen auf eineinhalb Quadratkilometern. Es gibt kein fließendes Wasser und keine Kanalisation, Kriminalität, HIV-Infektionsraten sind hoch, Drogen- und Alkoholmissbrauch verbreitet.
Und von dort kommt Brian O. Kepher. Seine Geschichte hat die Jury des Mahler-Dirigentenwettbewerbs so gerührt, dass sie den 21-jährigen Kenianer nach
Bamberg eingeladen hat. Als Gast, der dennoch ungemein viel gelernt hat und den Chefdirigent Jonathan Nott höchstpersönlich in seiner Profession unterrichtet.
Eine Tatsache, die dem jungen Mann wie ein Märchen vorkommt, vorkommen muss. Denn an der Wiege ist ihm nicht gesungen worden, dass er einst einige Tage im Residenz-Hotel wohnen wird. An der Wiege wurde ihm überhaupt nichts gesungen, sagt er, der Alltag mit hart arbeitenden Eltern und sieben Geschwistern war hart genug.
Erst als er an einem kenianischen Nationalfeiertag eine Kapelle hörte, buchstäblich mit Pauken und Trompeten, war er elektrisiert. Seit 2011 spielt er im "Ghetto Classics Orchestra", einem öffentlichen Projekt, das etwa 300 Slumkindern Begegnungen mit der Musik ermöglicht. Nebenbei hat er die Highschool erfolgreich beendet: Man muss hören, wie er die Freude seiner Mutter darüber beschreibt und dass er eine Jugend ohne Drogen und Kriminalität geschafft hat.
Schlagwerk ist sein Instrument, was für einen Afrikaner plausibel scheint.
Aber sein Orchester - seit Januar 2015 leitet er es - hat eine "normale" Besetzung mit Bläsern und Streichern und allem, was dazugehört; die Musiker sind sieben bis 16 Jahre alt, "eine Plattform, um Fehler zu machen", sagt ihr Dirigent und lobt dennoch ihren Eifer. Er selbst studiert an der Kenyatta-Universität in Nairobi Musik.
Ja, und wie kam er zum Dirigieren? Einerseits lernte er von älteren Semestern im Ghetto-Orchester und in zwei weiteren kenianischen Symphonieorchestern. Den größeren Teil hat sich der Autodidakt selbst angeeignet. Immer wieder sah er im Internet Videos von der "Night of the Proms" und, vor allem, von seinen Vorbildern Simon Rattle, Leonard Bernstein und Gustavo Dudamel. Er studierte und analysierte ihre Bewegungen und versuchte sie umzusetzen. Beethovens Fünfte begeistert ihn und Griegs Peer-Gynt-Suite. Und Dudamel trägt er im Herzen, sagt Brian Onyango Kepher.
Dudamel, Gewinner 2004, hat ihn auch auf den Bamberger Dirigentenwettbewerb gebracht. Als Papst Franziskus im vergangenen Jahr Nairobi besuchte, dirigierte Kepher ein "Ave Maria". Eben jene Aufnahme schickte er dann als Bewerbungsvideo nach Bamberg, Ergebnis wie geschildert.
Wie wird es weitergehen? Sein größter Traum ist, in Europa Musik studieren zu können. Im Austausch mit den "regulären" Kandidaten habe er schon viel gelernt. Das barocke Bamberg bezaubert ihn. Er sei gewarnt worden, dass die Menschen hier rassistisch seien. Stattdessen ist er begeistert von überwältigender Hilfsbereitschaft auch der Einheimischen. Vielleicht wird man ihn irgendwann wiedersehen. Vorerst jedoch möchte er einmal Simon Rattle treffen.