Bayern schwenkt um: Ja zu umstrittenen Stromtrassen

1 Min
Symbolfoto: Jens Büttner/dpa
Symbolfoto: Jens Büttner/dpa

Bayern vollzieht eine 180-Grad-Wende und gibt den Widerstand gegen die umstrittenen neuen Höchstspannungsleitungen durch Franken auf. Die Wirtschaftsministerin will aber den Verlauf ändern.

Die Bürgerinitiativen, die in Franken gegen den Bau der neuen Stromleitungen kämpfen, haben ihren mächtigsten Verbündeten verloren: Am Dienstag verkündete überraschend die bayerische Staatsregierung, bislang ein entschiedener Gegner der Trassen, dass aus ihrem Nein ein Ja wird.

"An der Notwendigkeit der Trasse besteht kein Zweifel mehr", zitiert die Mittelbayerische Zeitung Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) - was das Ministerium prompt dementierte. So habe das die Ministerin in kleiner Runde nicht gesagt, sehr wohl aber, dass Bayern neue Stromtrassen braucht, um den wegfallenden Atomstrom zu kompensieren.

"Prüfstand"

Zu den Trassen, die als gesetzt gelten dürfen, zählen demnach die Thüringer Strombrücke (Wechselstrom, bereits im Bau) und die Südlink-Verbindung (Gleichstrom), die unter anderem von Wilster bei Hamburg nach Grafenrheinfeld
führen soll und Unterfranken in Aufruhr versetzt. Auf dem Prüfstand steht nach Aigners Haus die Gleichstrompassage Südost von Bad Lauchstädt in Sachsen-Anhalt nach Augsburg. "Es ist noch nicht klar, ob diese Leitung gebraucht wird. Wenn das der Fall ist, wird sie gebaut, aber sicher nicht so wie bisher geplant", darf diese Zeitung einen Ministeriumssprecher zitieren.

Diese Leitung ist seit Monaten ein Aufreger in Ober- und Mittelfranken. Aigners Chef, der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer, hat sich zum Sprachrohr der Trassengegner gemacht, die sich bundesweit in hunderten Bürgerinitiativen vernetzen.

Ein klares Wort

Erst vor wenigen Tagen flatterte der Jungen Union (JU) im oberbayerischen Rennertshofen ein Brief Seehofers ins Haus. JU-Chef Michael Müller hatte ein klares Wort des Ministerpräsidenten zum Netzausbau gefordert. Seehofer lieferte es wie gewünscht und oft gehört: "Daher werde ich alles tun, dass diese Stromtrasse nicht kommt."

Nun sollte man meinen, dass die Worte Aigners und die Seehofers ansatzweise widersprüchlich sind. Mitnichten, heißt es aus dem Umfeld des Ministerpräsidenten; Seehofers kategorisches Nein beziehe sich auf den Transport von Kohle-Strom durch die neuen Leitungen; Bad Lauchstädt liegt im ostdeutschen Braunkohlereviers.

Länger, tiefer, teurer

Ähnlich wie Verkehrsminister Dobrindt (CSU) bei der Pkw-Maut versucht jetzt also Energieministerin Aigner die Quadratur des Kreises bei der Energiewende: Neue Leitungen dürfen schon gebaut werden, sie dürfen aber keinen Kohlestrom transportieren. Und die Landschaft nicht verschandeln. Das bedeutet nach dem Energiekonzept für Bayern, das Aigner im September präsentieren will: Die ungeliebte Leitung im Osten Frankens soll wie Südlink irgendwo da beginnen, wo viele Windräder stehen.

Sie wird also länger (und teurer) Und sie soll zum Teil unter der Erde verlegt werden (noch teurer) . "Wir sind für alle Vorschläge offen", sagen die Netzbetreiber Amprion und 50Hertz, die die Südost-Leitung planen. Sie können gleichmütig bleiben. Sie bauen, was Politiker beschließen. Zahlen muss es der Bürger über die Stromrechnung.