Hund könnte Alltag erleichtern
Dass dieser Wunsch sich jetzt verstärkt aufdrängt, hängt mit ihrem Mietverhältnis zusammen. Schon als sie eingezogen sind, hegte das Paar den Wunsch, irgendwann einen Hund zu besitzen. Ihren Kater durften sie mitbringen. Im Mietvertrag gibt es keine Klausel, die die Tierhaltung generell untersage, sagt Nadine Strüh. Doch als Benjamin Strüh sich jetzt an seinen Vermieter gewandt hat, untersagt dieser ihnen, auch einen Hund in der Mietswohnung zu halten - wegen der Nachbarn und überhaupt. Dabei könnte ein Hund Benjamin Strühs Alltag erleichtern. Das fange bei Kleinigkeiten an, wenn zum Beispiel ein Kugelschreiber runterfalle, nach dem sich Strüh nicht einfach bücken und aufheben kann, Türen, die geöffnet oder geschlossen werden müssen ...
Liest man bisherige Gerichtsurteile, kann ein Hund nicht grundsätzlich vom Vermieter verboten werden. Der Bundesgerichtshof urteilte 2015, dass ein generelles Verbot unwirksam sei. Vielmehr müssten die Störfaktoren Einzelfall für Einzelfall abgewogen werden. Für Nadine Strühs heißt das aber auch, es könnten krampfhaft Gründe gesucht und schließlich allen Beteiligten das Mietverhältnis schwer gemacht werden. Genau diesen Stress möchten die beiden vermeiden. "Wir sind nicht auf Konfrontation aus", sagt sie.
Eigenkapital fehlt
Um sich ihren Traum vom Eigenheim zu erfüllen, fehlt es dem Ehepaar an Eigenkapital. Gespart haben sie in den vergangenen Jahren deshalb nicht übermäßig, weil ihnen dieses Kapital letztlich nur wieder zu Lasten ausgelegt worden wäre, wenn es um Zahlungen bei Hilfeleistungen gehe. Das Bundesteilhabegesetz regelt nämlich, dass nur derjenige einen Anspruch auf Sozialhilfe hat, der kein größeres Vermögen besitzt. Der Bund wirbt in Bezug auf das 2017 verabschiedete Gesetz mit Begriffen wie "Selbstbestimmung". Genau diese versucht Benjamin Strüh auszuleben - im Alltag, im Berufsleben. "Ich bin bemüht, ein normales Leben zu führen, aber es werden einem immer wieder Steine in den Weg gelegt", sagt Strüh.
Als Mediengestalter arbeitet er in Teilzeit. Mit seinem elektrischen Rollstuhl kann er den Weg zum Büro in Bamberg selbstständig zurücklegen. Auch ein Auto wurde für ihn umgebaut. Die verbindliche Wartung kostet jährlich 2000 Euro. Eine Summe, die nur vom Staat übernommen wird, wenn der Betroffene nicht selbst 5000 Euro auf dem Konto liegen hat - zum Beispiel. Seit dem 1. April 2017 darf eine Person, die auf Sozialhilfe angewiesen ist, ein Vermögen bis zu 5000 Euro besitzen. Davor lag die Grenze bei 2600 Euro. Doch auch die neue Summe reicht einer Bank nicht aus, um ein konkretes Finanzierungsangebot vorzulegen.
Die gelernte Arzthelferin hat vor der Eheschließung sogar ihren Bausparvertrag gekündigt. Überspitzt ausgedrückt: "Bürokratisch wären wir ohne Trauschein vielleicht sogar besser dran", sagt Benjamin Stroh.
Es soll sich etwas ändern
Dass sie mit diesem Gedanken nicht alleine sind, ist auch dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) bewusst. "Bisher wurden Ehepartnerinnen und -partner bei der Eingliederungshilfe beim Einkommen und Vermögen voll herangezogen. Dies wurde von einigen als ,Eheverbot‘ wahrgenommen", erklärt eine Sprecherin des Ministeriums. Das Sozialministerium weist aber auch darauf hin, dass sich in Hinblick auf die Anrechnung von Einkommen und Vermögen in den nächsten Jahren etwas verändern wird: "Der Vermögensfreibetrag - und damit die Möglichkeit zu sparen - wird deutlich von bisher 5000 Euro auf rund 50 000 Euro erhöht." Dies sei ein entscheidender Schritt für den Umbau der Eingliederungshilfe hin zu einem "eigenständigen Leistungssystem für Menschen mit Behinderung", so die Sprecherin.
Verheiratet sind Nadine und Benjamin Strüh seit 2011. Ernsthaft über die finanziellen Verhältnisse ohne Trauschein nachzudenken, nein, das kommt für das Paar nicht infrage. Genauso wenig, wie sich jetzt schon zu sehr nach neuen Immobilien umzuschauen. Aber sie wollen ihren Traum noch nicht aufgeben. Deshalb wagen sie jetzt den Schritt in die Öffentlichkeit und kämpfen.
Denn: Klein beigeben ist einfach nicht ihr Ding.
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Kommentar von Sarah Seewald:
Ehe wird hier verspottet
Das Bundesteilhabegesetz diskriminiert Frauen, die einen Menschen lieben, der auf Hilfe, auf Unterstützung im Alltag, angewiesen ist. Das 2017 angepasste Gesetz verspottet trotz erhöhter Vermögensgrenze den eigentlich aktuellen Vorstoß der Politik, (verheiratete) Frauen zu ermutigen, sich selbstständig finanziell fürs Alter oder im Falle einer Scheidung abzusichern. Wie schnell 5000 Euro Reserve weg sein können, weiß jeder Verdienende.
Deshalb ist es ein Witz, wenn das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit "Selbstbestimmung" prahlt. Sich mit dem Gedanken auseinanderzusetzen, dass eine Ehe in der heutigen Zeit geschieden werden könnte, ist die eine Sichtweise. In Erwägung zu ziehen, dass ein Trauschein ein Paar daran hindert, größere Träume zu erfüllen, ist absurd. Weder die individuellen Lebensentscheidungen eines behinderten Menschen noch die seiner Ehefrau können als selbstbestimmt oder gar gleichberechtigt bezeichnet werden, wenn einem das Träumen von größeren Zielen verwehrt wird.