Bambergs letzter Buchbinder: Papier ist sein Metier

4 Min
Bernhard Ullein bei der Arbeit. Über 30 Jahre lang hat er Buchbinderlehrlinge ausgebildet. "Für diesen Beruf interessieren sich vorwiegend junge Frauen", sagt er. Foto: Matthias Hoch
Bernhard Ullein bei der Arbeit. Über 30 Jahre lang hat er Buchbinderlehrlinge ausgebildet. "Für diesen Beruf interessieren sich vorwiegend junge Frauen", sagt er. Foto: Matthias Hoch
Foto: Matthias Hoch
Foto: Matthias Hoch
 
Foto: Matthias Hoch
Foto: Matthias Hoch
 
Foto: Matthias Hoch
Foto: Matthias Hoch
 
Foto: Matthias Hoch
Foto: Matthias Hoch
 
Foto: Matthias Hoch
Foto: Matthias Hoch
 
Foto: Matthias Hoch
Foto: Matthias Hoch
 
Foto: Matthias Hoch
Foto: Matthias Hoch
 
Foto: Matthias Hoch
Foto: Matthias Hoch
 
Foto: Matthias Hoch
Foto: Matthias Hoch
 
Foto: Matthias Hoch
Foto: Matthias Hoch
 
Foto: Matthias Hoch
Foto: Matthias Hoch
 
Foto: Matthias Hoch
Foto: Matthias Hoch
 
Foto: Matthias Hoch
Foto: Matthias Hoch
 
Foto: Matthias Hoch
Foto: Matthias Hoch
 

Bernhard Ullein hat auch schon für das Museum of Modern Art in New York gearbeitet.

Dieses Album fertigt er mittlerweile nicht mehr an. Das ist schade. Denn das wäre so ein "Ding" gewesen für unsere neue Serie "Ein Ding von hier", in der wir Produkte (aber auch Dienstleistungen) vorstellen wollen, von denen nicht jeder weiß, dass sie aus der Region Bamberg kommen. Den Designpreis "Seitensprünge" der Handwerkskammer von Oberfranken hat Bernhard Ullein seinerzeit dafür erhalten.

Wie es dazu kam, dass seine handgebundenen Fotoalben mit der kleinen Dose im Einband (in der man Erinnerungsstücke wie den ersten Zahn, Konfetti oder Strandsand aufbewahren kann) sogar im Shop des Museum of Modern Art in New York verkauft wurden, erzählt der Buchbindermeister mit einem Schmunzeln: "Wir waren damit auf der Messe ,Paperworld' in Frankfurt. Die Einkäuferin des Museums kam an unseren Stand, war sehr interessiert und hat bestellt. Zuvor aber wollte sie wissen, ob das vielleicht die Asche eines Verstorbenen sei, was da in den durchsichtigen Kapseln zu sehen war. Wir konnten sie beruhigen."


Seit 1983 selbstständig

Vieles andere gibt es zu entdecken in der Werkstatt des 57-Jährigen, der nach und nach immer mehr von seinen Schätzen zeigt: Es sind die Werkzeuge, Vorrichtungen und Maschinen, mit denen er täglich arbeitet und die er 1983 von Franz Gutsfeld, der sein Handwerk in der Bamberger Fischstraße ausübte, übernommen hat. Die meisten jedenfalls.

Für den gebürtigen Unterfranken, der durch den Besuch der Meisterschule nach Nürnberg kam, war das der Start in die Selbstständigkeit. Zunächst noch ein Jahr in der Fischstraße, dann 30 Jahre am Mittleren Kaulberg war die Buchbinderei Ullein zu finden. Nun hat sie ihren Standort in der Sutte, in der ehemaligen Einliegerwohnung seines Hauses.


Knochenleim wird kaum noch verwendet

Es riecht nach nichts. Zumindest nicht an diesem Nachmittag, als Bernhard Ullein auf den Besuch gewartet hat, der ihn eine Stunde lang von der Arbeit "abhalten" wird. Kommt denn heute kein Knochenleim mehr zum Einsatz? "Nur noch ganz wenig. Wenn, dann bei ganz alten Büchern. Meistens arbeite ich mit Kunstharzleim. Oder Kleister", sagt der Meister, der seit kurzem der Einzige ist, der in Bamberg dieses Handwerk noch ausübt.

Während er zeigt, was er so alles macht, klingelt es am Tor und ein älterer Herr bringt eine Bibel vorbei, deren schlichter Einband ramponiert ist. 1959 kam sie in den Besitz der Familie. "Es ist unsere Hochzeitsbibel," erzählt er. "Die will ich irgendwann mal an die nächste Generation weitergeben, aber eben nicht in diesem Zustand. Beide Kinder haben sie für den Religionsunterricht in der Schule gebraucht. Deshalb sieht sie so mitgenommen aus."


Hauptsache die Bibel bleibt erhalten

Das Buch an sich ist noch gut in Schuss. Nur der Einband muss erneuert werden, schätzt Bernhard Ullein die Lage ein. Dem Kunden ist nur wichtig, dass die Bibel erhalten bleibt. Es müsse deshalb kein teures Material sein, sagt er. Die verblassten goldfarbenen Buchstaben auf dem Buchrücken sind in einer heute nicht mehr gebräuchlichen Schrift gesetzt: Groß- und Kleinbuchstaben gemischt.

Der Mann, der einige Tage vorher durch Zufall beim Vorbeilaufen auf die Buchbinderwerkstatt aufmerksam geworden ist, wie er sagt, hat Namen und Telefonnummer hinterlassen. In rund vier Wochen wird er seine Bibel runderneuert abholen können.


"Nie am Buchrücken ziehen!"

Die Originalbeschriftung nachzuempfinden dürfte kein Problem sein. In einem Nebenraum der Werkstatt warten in vielen flachen Schubladen Lettern aus einer Aluminium-Zink-Legierung, um in eine der Apparaturen eingespannt zu werden, mit denen ein Buchbinder prägt. Und Klischees aus Messing, für das Aufbringen von Mustern und Ornamenten. Auch die stammen noch von Meister Gutsfeld. "Sowas wäre heutzutage kaum noch bezahlbar."

Viele Kunden möchten aber auch, das der Originaleinband ihres Buches, das sie Bernhard Ullein anvertrauen, erhalten bleibt. In diesem Fall geht der Buchbinder anders zu Werke. Wie mit einem Druckwerk umgegangen wurde, kann er anhand des jeweiligen Schadensbildes erkennen. Und wo fasst der Fachmann seine eigenen Bücher an? "Auf keinen Fall hole ich sie aus dem Regal, indem ich nur am Buchrücken ziehe", sagt er.

Das Reparieren macht nur einen Teil seiner Tätigkeit aus. Am liebsten arbeitet er kreativ. Die Kundenwünsche sind immer andere. "Ich habe den Tag über mit so vielen verschiedenen Materialien und Arbeitsgängen zu tun. Und abends kann ich sehen, was ich geschafft habe," beschreibt er das, was ihm an seinem Beruf gefällt.

Wenn der Begriff "entschleunigt" nicht so hässlich wäre, könnte man ihn auf die Atmosphäre anwenden, die in der Werkstatt herrscht. Die Faszination, die von den alten Maschinen ausgeht, liegt für den Laien darin, dass man nach kurzer Erklärung sofort versteht, was genau sie mit dem Werkstück machen.


Pressen, Zwingen und Gewichte

Unter Druck sind hier nur einige noch nicht ganz fertiggestellte Arbeiten. In Pressen, Zwingen und mit Gewichten beschwert warten sie darauf, dass pure Physik dem Meister bei der Arbeit hilft. Oft dauert es seine Zeit, bis der nächste Handgriff vorgenommen werden kann.

Als einzige Utensile aus der "Jetztzeit" fallen der WLAN-Router und die Ladestation für das schnurlose Telefon ins Auge. "Und hier, meine kleine Stereoanlage", lacht Bernhard Ullein. Gut - die könnte man aber auch den 80er-Jahren zuordnen...

Handgemachte Fotoalben für Privatkunden sind etwas, was der Buchbinder sehr gern herstellt. "Noch mit Fadenheftung, aus hochwertigen Materialien, und mit Details, die der Auftraggeber gerne haben möchte." Auf einem der Arbeitstische liegt beispielsweise ein noch nicht ganz fertiges, dessen Buchrücken einen Jungennamen und eine römische Zahl trägt.


Eigentlich sind Fotoalben "out"

"Freilich, in Zeiten der Digitalfotografie sind Alben grundsätzlich aus der Mode gekommen. So mancher lässt sich Fotobücher drucken - aber es gibt doch noch einige Leute, die was Klassisches wollen."
Bernhard Ullein arbeitet auch für Bibliotheken, Museen und Verlage, gestaltet das Äußere von Speisekarten, bindet Diplomarbeiten für Studenten und Fachmagazine zum Archivieren, die ihm Ärzte, Rechtsanwälte etc. vorbeibringen.

Zurzeit klemmt gerade ein beträchtlicher Stapel FT-Ausgaben, jeweils zwei Monate zusammengefasst, in einer Presse. Mit himmelblauen Einbänden versehen, treten sie demnächst ihren Weg in einen Keller in der Gutenbergstraße an.