Mehr Bürger, mehr Jobs, mehr Touristen? Bamberg boomt seit Jahren. Doch nicht alles ist tatsächlich Gold, was glänzt. Drei unbequeme Wahrheiten, die zur ganzheitlichen Betrachtung der Bamberger Dinge wichtig sind.
Bamberg ist reich. Jahrelang kannte das Steuerbarometer in Bamberg nur eine Richtung - nach oben. Die sprudelnden Geldquellen, die über die Gewerbesteuer und den Einkommenssteueranteil der Kommune ins Stadtsäckel flossen, wuchsen von 74 Millionen Euro im Jahr 2015 auf stolze 110 Millionen Euro 2018.
Doch mittlerweile ist der Bann gebrochen, die Einnahmen brechen empfindlich ein - und was das Problem erschwert - auch der staatliche Finanzausgleich geht bedrohlich nach unten: "Wir stehen bei der Haushaltsaufstellung für 2020 vor einer Rekordlücke von 102 Millionen Euro", sagt Kämmerer Bertram Felix. Die Konsequenz daraus dürfte die Stadt noch länger beschäftigen: Um Ausgaben und Einnahmen in Einklang zu bringen, muss der Finanzreferent "vielen auf die Füße treten". "Die Stadtgesellschaft wird darüber diskutieren müssen, was wir uns noch leisten können und was nicht." Dabei geht es nicht nur um den "bunten Strauß an Ausgabenwünschen", der in den letzten Wochen vom Busverkehr bis zu neuen Kultureinrichtungen geflochten wurde. Der Spardruck erstreckt sich auch auf sogenannte unvermeidliche Kosten wie Konversion, Bahnausbau und die Folgekosten von neuen Kindertagesstätten. Felix betont zwar, dass Bamberg grundsätzlich eine stabile Kostenstruktur habe. Aber klar ist auch: Eine ernsthafte Krise der deutschen Industrie könnte auch das verwöhnte Bamberg schwer treffen. Felix warnt davor, "nackte Tatsachen und die Wahrheit" zu vernachlässigen: "Sprudelnde Steuereinnahmen wird es ohne neue Gewerbeflächen nicht geben." Bamberg boomt. Oberflächlich betrachtet sind es die Zahlen eines kometenhaften Aufstiegs. Binnen fünf Jahren, von 2014 bis 2018, hat die Stadt Bamberg bei den Einwohnern nach den Angaben des statistischen Landesamtes um 6000 Menschen zugelegt, nachdem es zuvor viele Jahre auf der Stelle getreten war. "Bamberg überflügelt Bayreuth", jubelte das Rathaus in einer Pressemitteilung.
Doch zur Wahrheit gehört auch, dass der schnelle Zuzug die gewohnten Strukturen in Bamberg über den Haufen zu werfen droht. Neu- und Altbamberger müssen sich gewissermaßen noch aneinander gewöhnen. So hat sich die Zahl der ausländischen Mitbürger zwischen 2015 und 2018 auf 12 000 nahezu verdoppelt. Diese Entwicklung lässt sich nur zum Teil durch die gute wirtschaftliche Lage erklären, die viele ausländische Mitbürger aus EU-Ländern nach Bamberg lockte. Der zweite Teil der Wahrheit ist, dass auch die Neuankömmlinge der umstrittenen Ankereinrichtung Oberfranken seit 2016 in der Einwohnerstatistik auftauchen, obwohl die meisten keine langfristige Bleibeperspektive haben. Dauerhaft erhöht haben sich in den letzten Jahren auch andere Kennwerte: die Kriminalität ist markant gestiegen, Bamberg erreicht Spitzenwerte im fragwürdigen Ranking bei Ladendiebstählen. Und auf dem Mietmarkt spielt sich ein ernüchternder Verdrängungswettbewerb ab, von dem nicht nur die sogenannten Abgehängten, sondern zunehmend auch Normalverdiener betroffen sind. Die Frage stellt sich, wie lange die Bamberger Infrastruktur, vom Straßennetz bis zum Seniorenheim, dem
Ansturm noch gewachsen ist.
Bamberg ist wunderschön. Diese unumstößliche Wahrheit ist in den vergangenen Jahren ein wenig ins Wanken geraten - zumindest bei jenen, die in der Altstadt wohnen. Der Grund drängt sich an sonnigen Wochenenden in den Innenstadtstraßen förmlich auf: Die wenigen Bamberger, die zwischen Altstadtrathaus und dem Domplatz dann noch unterwegs sind, fühlen sich wie eine Minderheit. Wer aber teilt schon gerne seine Traumstadt mit einer Million Freunde? Das verdirbt den Spaß.
Dass der Venedig-Effekt auch Nutznießer hat, ist dabei unumstritten. Bei der Rekordzahl von zuletzt 700 000 Übernachtungen in den Hotels und Pensionen der Stadt werden Millionen-Umsätze gemacht - der Tourismus ist zu einer Jobmaschine geworden.
Dauergeschiebe im Welterbe
Doch das Dauergeschiebe in den Welterbegassen hat seinen Preis. Manchen Innenstadtbewohnern ist es zu viel geworden. Sie erkennen ihr altes Bamberg nicht wieder. Doch wenn es Hausbesitzer in der Altstadt nicht mehr aushalten, weil die Nacht zum Tage wird, wenn sie über eine "Bürgerwehr" zum Schutze der Nachtruhe nachdenken, dann läuft etwas schief in Bamberg. Der Traumstadt-Nimbus hat Kratzer bekommen.
Schon im Namen "Bürgerwehr" liegt begründet, um was es geht. Der "Bürger" wehrt sich da es die öffentliche Hand nicht schafft für Recht und Ordnung zu sorgen.