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Bamberg: Diebstähle nehmen in der Stadt massiv zu - Kriminologin erklärt die Gründe dafür


Autor: Teresa Hirschberg

Bamberg, Dienstag, 12. April 2022

Die Aufklärungsquote der Polizei ist gestiegen, doch in einem bestimmten Bereich haben auch die Delikte extrem zugenommen. Die Zahl der Ladendiebstähle in Bamberg liegt weit über dem Bayern-Durchschnitt. Eine Expertin schätzt ein, wie aussagekräftig die Statistik wirklich ist.
Die Polizeieinsätze am Bamberger Ankerzentrum haben 2021 zugenommen: Um 450 Delikte mussten sich die Beamten insgesamt kümmern. Auch der Großteil der Ladendiebstähle werde von "nicht deutschen Tatverdächtigen" begangen.


Ist das idyllische Bamberg etwa doch ein gefährlicheres Pflaster als gedacht? Die aktuelle Kriminalitätsstatistik der städtischen Polizei zeigt zwar, dass die Straftaten im Jahr 2021 insgesamt um 4,9 Prozent zurückgegangen sind – doch ein in einem bestimmten Bereich haben die Delikte enorm zugenommen. Eine Expertin für Kriminologie und Strafrecht erklärt, warum es in Bamberg so viele Diebstähle gibt und was das Ankerzentrum sowie die Pandemie damit zu tun haben.

Die Bamberger Polizei dürfte mit den aktuellen Zahlen zufrieden sein: Die Aufklärungsquote der Straftaten ist von 68 auf 71,7 Prozent gestiegen – und übertrifft damit auch den bayernweiten Durchschnitt, der aktuell bei 66,9 Prozent liegt. Doch Bamberg überragt den Freistaat auch in einem unschönen Punkt: Die Fälle von Ladendiebstählen sind in der Domstadt nämlich um 31 Prozent gestiegen, während sie im bayerischen Durchschnitt um 11,9 Prozent zurückgegangen sind.

Ladendiebstähle in Bamberg nehmen stark zu - Kriminologin liefert Einschätzung

"Die Bamberger Zahlen sind wirklich interessant und können durchaus unterschiedlich interpretiert werden", sagt Gabriele Kett-Straub, Professorin am Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie an der FAU Erlangen/Nürnberg. Eines sei aber klar: Die Kriminalstatistik der Polizei könne nur Auskunft über diejenigen Taten geben, die den Beamten tatsächlich bekannt sind. Kett-Straub spricht hier vom sogenannten "Hellfeld".

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Was die Statistik aber nicht kann: Informationen dazu liefern, wie viele Straftaten tatsächlich vor Ort passiert sind, merkt die Expertin an. "Man kann also nicht feststellen, Bamberg sei sehr viel stärker von Diebstählen und insbesondere Ladendiebstählen betroffen als der Rest Bayerns. Das könnte zwar sein, ist aber nicht sehr wahrscheinlich."

Bei Ladendiebstählen sei das Dunkelfeld generell sehr groß. Die Kriminologie-Expertin vermutet jedoch, dass es in Bamberg kleiner ausfällt als in strukturell vergleichbaren Orten. Ein Grund für die gute Aufklärungsrate könnte hier die hohe Kontrolldichte sein: "Wird mehr kontrolliert, steigt zwangsläufig die entdeckte Kriminalität und es sinkt zugleich der Anteil der Straftaten, die ansonsten unentdeckt geblieben wären", erläutert Kett-Straub. Schon ein paar zusätzliche Ladendetektive könnten in Bamberg den Effekt haben, dass mehr Diebstähle auffliegen und damit in die Statistik einfließen.

Auch Fahrräder und Autos werden in Bamberg vermehrt geklaut

Doch nicht nur Ladendiebstähle, sondern auch Diebstähle von Fahrrädern und an bzw. aus Autos haben laut der Bamberger Polizei zugenommen: Bei Fahrrädern stiegen die Delikte um 1,3 Prozent, während sie bayernweit um 14,9 Prozent abnahmen. Und im Kfz-Bereich nahmen die Diebstähle sogar um 11,7 Prozent zu, sanken bayernweit jedoch um 21,2 Prozent.

Auch die Auswirkungen der Pandemie schlagen sich in den Kriminalstatistiken nieder: Während der Lockdown-Phasen sei die Zahl der Wohnungseinbrüche und dabei begangenen Diebstähle zurückgegangen. Hier sei aber laut Professorin Klett-Straub auch die Anzeigenbereitschaft der Betroffenen höher, das Dunkelfeld also wiederum kleiner.

Auffällig an der neuen Bamberger Statistik ist ein weiterer Punkt: Die Gesamtzahl der "nicht deutschen Tatverdächtigen" sei laut Polizei ebenfalls leicht gestiegen, und zwar von 36,4 auf 39,8 Prozent. Davon unterscheiden die Beamten den Anteil der "Zuwanderer": Hier stieg die Zahl der Tatverdächtigen von 23,1 auf 26,4 Prozent. Besonders hoch ist laut Statistik der Anteil ausländischer Tatverdächtiger, die Ladendiebstahl begehen: Von 591 ermittelten Tätern seien 369 Nichtdeutsche und davon wiederum 324 Zuwanderer – dies sei laut Polizei eine neue Entwicklung.

Ausreißer vs. Anstieg: Wie lassen sich die Straftaten interpretieren?

Doch Strafrechtsexpertin Kett-Straub relativiert die Zahlen: Denn der Anteil nicht deutscher Tatverdächtiger sei wirklich nur gering gestiegen. "So einen kleinen ‚Ausreißer‘ nach oben kann man immer mal beobachten, ist aber noch nicht als ,echter‘ Anstieg zu verbuchen."

Polizei musste 2021 öfter zum Ankerzentrum ausrücken

Die Bamberger Statistik zeigt aber noch ein weiteres Phänomen: "Seit Inbetriebnahme des Ankerzentrums stellt sich in Bamberg die Frage nach der Tatbeteiligung von Zuwanderern", erläutert die Polizeiinspektion Bamberg-Stadt. Sie nähmen eine "herausragende Stellung" in der Statistik ein: Von insgesamt 1129 ermittelten Nichtdeutschen seien 749 Zuwanderer gewesen.

Im Ankerzentrum kam es 2021 zu insgesamt 450 Delikten, darunter 75 gefährliche Körperverletzungen, fünf Sexualdelikte und ein Tötungsdelikt. 584-mal musste die Polizei zur AEO ausrücken, das sind 107 mehr Einsätze als im Vorjahr. "Dies liegt unter anderem daran, dass teilweise Abschiebungen wieder aufgenommen werden, die bis dato coronabedingt ausgesetzt waren", erklärt die Polizei. Die Beamten merken aber auch an: In den meisten Fällen handelte es sich sowohl bei den Tätern als auch bei den Opfern um Zuwanderer.

Junge Männer sind besonders anfällig für Kriminalität

Mit dieser Zunahme sei bereits zu rechnen gewesen: "Schon aus dem einfachen Grund, dass in Bamberg nun mehr Zuwanderer als vorher leben", lautet die Einschätzung von Kett-Straub. "Unter den Zuwanderern befinden sich zudem viele junge Männer und diese Personengruppe ist insgesamt von Haus aus deutlich kriminogener als andere." Die Expertin betont aber: Auch junge deutsche Männer werden häufiger straffällig als beispielsweise ältere Frauen.

Abgrenzung zum "Racial Profiling" wird schwierig

Konkret bedeutet das für Bamberg: Je mehr junge Männer in einer Stadt leben, desto stärker wird wohl die Kriminalität ansteigen. Das könnte wiederum dazu führen, dass Ladendetektive und Security-Mitarbeiter diese Personen in Geschäften von vorneherein genauer beobachten. "Das wird teilweise kritisiert, ist aber aus Ermittlersicht auch nachvollziehbar", sagt die Professorin. Man wolle zwar "erfolgsorientiert" vorgehen, die Abgrenzung zum "Racial Profiling" sei aber schwierig.

Die Kriminologin vermutet hinter den vielen Ladendiebstählen eine schlichte Motivation: Langeweile. „Es gab ja wenig Ablenkung im Jahr 2020.“ Dafür würden vor allem vermehrte Diebstähle im Innenstadtbereich sprechen. So lasse sich auch die erhöhte Kriminalität im Ankerzentrum erklären: Wo viele Menschen, und vor allem junge Männer, unter psychischer Belastung und Zukunftsängsten zusammenleben, komme es zu mehr Straftaten.

Corona verstärkt Aggressionen und Straftaten

Auch die Pandemie trägt also ihren Teil dazu bei: "Diese Umstände führen zu größerer Aggression. Und da ist es dann durchaus zu erwarten, dass es im Ankerzentrum selbst vermehrt zu Gewaltdelikten wie der einfachen und gefährlichen Körperverletzung, aber auch zu Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz kommt", sagt die Expertin. Außerdem sei davon auszugehen, dass die Taten in der Einrichtung konsequent von den Verantwortlichen zur Anzeige gebracht werden.

Die Bamberger Polizei stellt aber auch klar: "Es ist nach wie vor Fakt, dass die übermäßige Zahl der Zuwanderer rechtstreu ist. Dies ergibt sich aus dem Vergleich der Anzahl der Bewohner der Ankereinrichtung und der Anzahl der Zuwanderer bei den ermittelten Straftätern, welche teilweise auch mehrfach in Erscheinung traten."

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