"Circles" heißt eine Präsentation internationaler zeitgenössischer Kunst, die ab Samstag zu 16 Plätzen der Bamberger Geschichte einlädt. Die Schau ist Teil der Feier "20 Jahre Welterbe Bamberg" und zeigt auch Werke von Ai Weiwei.
Ein Geistlicher, der sich vor einem barocken Altar in Luft aufzulösen scheint? Heinrich Hohl, Pfarrer der Bamberger Kirche St. Gangolf, ist begeistert von den Aussichten, die sich seit kurzem im barocken Chorraum seiner Kirche bieten. Für ihn ist das großformatige Foto ein Symbol für den Menschen, der sich jenseits des Materiellen auf Sinnsuche begibt.
Möglich, dass viele Bamberger und Besucher dieser Stadt sich ähnlich inspiriert fühlen von Michael Weselys Langzeitbelichtung aus einer brasilianischen Kirche. Sie ist Bischof Gunther von Bamberg gewidmet und Teil einer Circles/Kreise genannten Ausstellung, die Werke international bekannter Künstler vor dem Hintergrund historischer Persönlichkeiten, Orte und Begebenheiten in Bamberg präsentiert. Sie wird am Samstag um 15 Uhr in St. Gangolf eröffnet.
Zeitgenössische Kunstwerke waren in den letzten Jahren in Bamberg häufiger zu sehen, seit das Internationale Künstlerhaus Villa Concordia 1998 damit anfing, Großplastiken in den Gassen der Bamberger Altstadt zu drapieren.
Bezug zur Stadt-Geschichte
Doch dieses Mal ist es anders, weniger plakativ, aber facettenreicher und mit konkretem Bezug zur Bamberger Historie. "Das Projekt schürft tief in der Geschichte dieser Stadt. Uns ging es darum, wie wir moderne zeitgenössische Kunst in Assoziation mit historischen Bewegungen und Persönlichkeiten bringen können", sagte der Initiator der Veranstaltung Alexander Ochs-Barwinek, ein gebürtiger Bamberger, der heute in Berlin und Peking als Galerist, Kurator und Autor lebt.
Ochs gelang es, viele Verbündete für das Großprojekt zu gewinnen: die Stadt Bamberg, die 20 Jahre Zugehörigkeit zum Unesco-Welterbe der Menschheit feiert, den mittlerweile 190-jährigen Kunstverein Bambergs, dazu viele Helfer und Freiwillige, ohne die ein Kulturspektakel dieser Art nicht möglich wäre.
Denn es sind viele Orte und Geschichten, die hier den künstlerischen Bogen durch die Stadt und die Zeiten schlagen: Von St. Gangolf bis zur Altenburg, vom Synagogenplatz bis zur Stephanskirche laden zwei Dutzend Künstler an 16 Schauplätzen dazu ein, sich mit der Geschichte Bambergs, der modernen Kunst und ihren Ausdrucksformen und letztlich dem eigenen Leben auseinandersetzen.
Vertontes Auschwitz-Gedicht
Zum Beispiel Nora Gomringers Auschwitz-Gedicht, das als Sound-Installation in der Willy-Lessing-Straße als Nachhall des gewaltsamen Tods dreier Frauen aus der Wassermann-Familie im Konzentrationslager zu hören ist. Oder auf der anderen Straßenseite im Tresorraum der Villa Wassermann, einst der Name einer großen jüdischen Bank. Hier spielt Luzia Simons mit ihren Tulpenbildern auf den Wahnwitz der Geldwirtschaft an, der 1637, dem Jahr der Tulpenblase, zu einem großen Handelscrash führte.
Es sind bekannte Namen, die für Staunen sorgen und den Bamberger Kreisen gewiss die überregionale Aufmerksamkeit bescheren werden, die sie verdienen. Künstler wie Jakob Mattner, Yin Xiuzhen, Claire Fontaine, Jörg Herold oder Micha Ullman haben sich in den Dialog mit der alten fränkischen Stadt begeben.
Zu ihnen gehört auch Ai Weiwei. Der chinesische Regimekritiker beteiligt sich an der Schau mit zwei Werken, darunter einer aus fünf grünen Arbeitermänteln bestehenden Skulptur. Alexander Ochs-Barwinek setzte sie in einen spektakulären Kontrast vor dem 1020 entstandenen "Sternenmantel" Kaiser Heinrichs II. im Diözesanmuseum.
Die meiste Aufmerksamkeit wird in den nächsten Wochen wohl den hockenden Figuren auf dem vom Verkehr umspülten Schönleinsplatz zu Teil. Schon an den Vortagen der Ausstellung hat es die Installation zum viel fotografierten Publikumsliebling gebracht. Rote Männer auf grünem Rasen? Der harmlosen Neugier der Touristen zum Trotz ist es ein ernstes Werk, dessen Rot die ambivalenten Lebenserfahrungen des zeitweise im Exil lebenden Chinesen Wang Shugang widerspiegelt. "Rot ist die Farbe der Kommunistischen Partei Chinas. Rot ist auch die Farbe des Massakers am Tiananmenplatz", erklärt dazu Alexander Ochs-Barwinek.
Der Ausstellungsmacher hofft, dass die zeitgenössischen Kunstwerke in Bamberg möglichst viele Menschen dazu bewegen, die Geschichte Bambergs mit ihrem eigenen Leben in Beziehung zu setzen "und über den Alltag zu reden". Dann schließt sich gewissermaßen der Kreis.