Asylsuchende: Das Leben der Anderen

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Ayad AlhaidiFoto: Ronald Rinklef und dpa / Montage: Micho Haller
Ayad AlhaidiFoto: Ronald Rinklef und dpa / Montage: Micho Haller
Yusef Alhi MosaFoto: Ronald Rinklef und dpa / Montage: Micho Haller
Yusef Alhi MosaFoto: Ronald Rinklef und dpa / Montage: Micho Haller
 
Rajab Ahmadli und Kursum Achadova Foto: Ronald Rinklef und dpa / Montage: Micho Haller
Rajab Ahmadli und Kursum Achadova Foto: Ronald Rinklef und dpa / Montage: Micho Haller
 

Flüchtlinge werden oft als Masse wahrgenommen. Aber jeder Einzelne hat eine Geschichte - einige werden in unserem Wochenendthema Asyl erzählt.

Etwa 1,1 Millionen Menschen sind in den vergangenen Monaten nach Deutschland geflüchtet. Es gibt viele offene Fragen, rationell nachvollziehbare Sorgen über die nötige Infrastruktur und Organisation. Ein Sprachkurs der Universität Bamberg für zwei Dutzend Asylbewerber ist ein Beispiel dafür, was im Kleinen getan wird.

Und die Menschen, die dort Deutsch lernen sind ein Beispiel dafür, dass jeder Einzelne dieser Menschen seine ganz eigene Geschichte hat. Oft werden sie einfach nur als die Anderen wahrgenommen. Als eine Masse. Dabei sind sie so unterschiedlich wie der quirlige Ayad Alhaidi, der nachdenkliche Yusef Alhi Mosa und das Paar Rajab Ahmadli und Kursum Achadova, das sich aneinander festhält als liefen sie Gefahr, einander zu verlieren.


Hier der kurze Steckbrief dieser Menschen, die wir in einem Sprachkurs der Universität Bamberg getroffen haben:

Yusef Alhi Mosa
Der 18-Jährige stammt aus Aleppo im Norden Syriens, wo die Terrormiliz IS, Rebellen, Regierungstruppen und russische Luftangriffe besonders brutal gewütet haben. Er kam vor sechs Monaten über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich bis Zapfendorf. In der Berufsschule lernt er im Moment vor allem deutsche Sprache und Kultur. Er möchte Elektriker werden. In der Asylbewerberunterkunft hat er Freundschaft mit Ayad Alhaidi geknüpft. Was mit seiner Familie passiert ist und warum er alleine in hier ist - darüber spricht er nicht.

Ayad Alhaidi
Der Elfjährige liebt Basketball. Für ihn gibt's einen großen Unterschied zwischen Kindern in Aleppo und Zapfendorf: Seine syrischen Freunde bewegen sich mehr draußen, die fränkischen Kinder sitzen öfter vor Fernseher und Computer. "In Syrien auch", erklärt Ayad: "In Klasse sieben." Aber nicht schon in der fünften. Er geht in Zapfendorf in die Schule, wohnt mit Mutter und zwei Brüdern in Unterleiterbach. Der zweite Unterschied zu Aleppo sei, dass es hier ruhig ist. "In Aleppo - " er überlegt: "am Morgen: Bumm, am Abend Bumm. Hier ist ruhig. " Ayad ist seit einem halben Jahr hier. Der Elfährige macht Fehler, kann sich aber auf Deutsch ausdrücken - und er quasselt unbefangen drauflos. Sein Vater ist in der Türkei, erzählt er. Von Regelungen zum Familiennachzug hat der Junge noch nie gehört. "Mein Papa kommt her", ist er überzeugt.

Rajab Ahmadli und Kursum Achadova
Der 40-Jährige und seine vier Jahre jüngere Frau flohen vor einem Jahr aus Aserbaidschan. Sie sind mit einem Flieger gekommen, vermittelt durch eine "Maklerin". Kursum Achadova war Geografielehrerin, ihr Mann Maler. Die beiden besuchen außer dem Kurs bei der Uni Bamberg noch einen weiteren und können schon recht gut Deutsch. Sie verstehen die Nachrichten, sehen dass Asylbewerbern teils feindlich begegnet wird, dass Asylbewerberheime brennen. Die 36-Jährige sagt, dass ihr das Angst macht. Bisher sei sie aber nur freundlichen Deutschen begegnet.


Ein Besuch im Sprachkurs

Flüchtlinge als Masse wahrzunehmen, als die Anderen, funktioniert in der Begegnung mit den Einzelnen nicht. Vor allem nicht, wenn es Kinder sind. Die Flüchtlinge? Potenziell kriminell, sexistisch, Terroristen? Der kleine Ayad zerstört dieses Bild mit seinem Kinderlachen. Er sitzt zusammen mit Yusef Alhi Mosa, Rajab Ahmadli und Kursum Achadova und anderen Asylbewerbern aus seiner Unterkunft in einem Lehrraum der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Jeder hat eine andere Geschichte. Alle sagen über ihre Erfahrung mit den Deutschen: "Gute Personen!"


Ein Bericht über gastfreundliche Asylbewerber - und die Folgen

Die Gruppe, die hier in den vergangenen vier Wochen bei Petra Avram Deutsch lernen durfte, kommt aus Unterleiterbach - aus dem Asylbeweberheim, das nach einem Artikel unserer Zeitung im Dezember bundesweit Schlagzeilen gemacht hatte. Einige Bewohner hatten ein verirrtes Paar aus Karlsruhe bewirtet; die Rentner hatten nicht bemerkt, dass der ehemalige Gasthof heute eine Asylbewerberunterkunft ist. Zumindest kurz hat diese Geschichte das Leben einiger Asylbewerber in Unterleiterbach verändert. Sie waren für eine Zeit kein Teil der anonymen Masse mehr. Dutzende Medien fragten nach Interviews, sogar eine Filmemacherin meldete sich. Einer unserer Leser lud die Asylbewerber zum Essen ein.

Weil unsere Zeitung auch erwähnt hatte, dass die Asylbewerber auf Sprachkurse warten, bot die Universität spontan zwei Kurse an. Außer der sprachlichen Ausbildung standen auch kulturelle Aktivitäten auf dem Programm: Klein-Venedig, ein Besuch im Bamberger Dom und im Naturkundemuseum.


Krapfen und Deutsch

Christine Drakew vom Sprachenzentrum der Universität erzählt, dass der Kurs am Rosenmontag begann und die Flüchtlinge mit Krapfen begrüßt wurden. "Sie haben eigentlich alles dankbar angenommen - aber es wurde auch deutlich, dass die Sprache ihnen am Wichtigsten ist." Die Asylbewerber wollen lernen, sie wollen sich integrieren, sie wollen anerkannt werden. Kawa Suliman, der "Kellner" in der Geschichte mit den Karlsruhern, ist inzwischen anerkannt. Er ist zu seinem Bruder nach Hamburg gezogen.