Tödliche Messerattacke in Bamberg: Achteinhalb Jahre Haft für Alex L.

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Unmittelbar neben diesem Schaufenster war Michael G. im Treppenhaus des Schuhgeschäfts tödlich verletzt worden. Die Ladenpassage in der Langen Straße war nach seinem Tod für viele seiner Freunde ein Ort der Trauer. Archivbild: Peter Groscurth
Unmittelbar neben diesem Schaufenster war Michael G. im Treppenhaus des Schuhgeschäfts tödlich verletzt worden. Die Ladenpassage in der Langen Straße war nach seinem Tod für viele seiner Freunde ein Ort der Trauer.  Archivbild: Peter Groscurth

Das Gericht hat die Tat vom 26. Juni 2015 in einem Schuhhaus in der Langen Straße als Totschlag gewertet.

Der Verteidiger warf voller Wut den Kugelschreiber über den Tisch, legte die Stirn in Zornesfalten, schlug in offensichtlicher Verzweiflung die Hände vors Gesicht: Das gestenreiche Schauspiel, das Strafrechtsprofessor Klaus Bernsmann am Mittwochnachmittag geliefert hat, war geeignet, die Zuschauer vom eigentlichen Geschehen abzulenken: von der Urteilsbegründung im Strafverfahren gegen den 36 Jahre alten Alexander L., der in der Nacht zum 26. Juni 2015 in seinem Elternhaus in der Langen Straße fünf Mal auf den Mieter Michael G. eingestochen und ihn getötet hat.


Acht Jahre für den Totschlag

Das Urteil war ganz und gar nicht im Sinne der Verteidigung und des Angeklagten, durch Körpersprache deutlich zum Ausdruck gebracht. Nur "Notwehr" sollte die Tat nach Auffassung von Bernsmann gewesen sein, der in der vergangenen Woche Freispruch beantragt hatte. Demgegenüber hatte Oberstaatsanwalt Otto Heyder eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes aus Heimtücke und niedrigen Beweggründen gefordert.
Die Anträge hätten nicht weiter auseinanderliegen können. Doch für beide Versionen sah die Schwurgerichtskammer unter Leitung von Vorsitzendem Richter Manfred Schmidt keine hinreichenden Beweise. Sie sprach den Angeklagten wegen Totschlags schuldig und ahndete die Tat mit acht Jahren Freiheitsstrafe. Dazu kamen die Urteile für eine gefährliche Körperverletzung, zwei versuchte Nötigungen und Sachbeschädigung im Vorfeld des Hauptgeschehens, so dass eine Gesamtstrafe von achteinhalb Jahren gebildet wurde.
Richter Schmidt betonte, dass diese Taten zwar nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Geschehen am 26. Juni stünden, dass sie aber geeignet seien, den Angriff auf Michael G. zu bewerten und einzuordnen: In allen Fällen habe der Angeklagte ein Messer eingesetzt und sei aus nichtigen Anlässen auf seine Kontrahenten losgegangen.
Bei der Kirchweih in Reckendorf 2014 hat L. einen Mann zu Boden geworfen und auf seinen Kopf getreten, anschließend einen anderen Mann mit dem Messer angegriffen, wobei dessen T-Shirt beschädigt wurde. Im Januar 2015 ging er in der Hornthalstraße auf einen Mann los, der ihm angeblich Geld schuldete. Diesem drohte er mit einem Baseballschläger und einem Messer.


Messer am Hals

Die gleichen Waffen holte er am 23. Juni 2015 heraus, als er sich von Michael G., einem Mieter im Haus seiner Eltern, gestört fühlte: Dieser war im Begriff, das Treppenhaus zu putzen. Alexander L. hielt dem gleichaltrigen Mann ein Küchenmesser an den Hals und drohte, ihn "abzustechen", wenn er nicht mit dem Lärm aufhöre. Bei Michael G. hat das einen "tiefen Eindruck" hinterlassen und ihn geängstigt. Das schloss die Kammer aus Zeugenaussagen und auf Grund zahlreicher Mitteilungen des Opfers an Freunde über einen Nachrichtenkanal.
Einen vergleichbar "nichtigen Anlas" - so die Formulierung von Richter Schmidt - lieferte Michael G. am 26. Juni. Weil er seinen Schlüssel vergessen hatte, klingelte der Mann bei den Nachbarn, die ihn ins Haus ließen. Während die Nachbarn in ihrer Wohnung noch beratschlagten, wie man G., der sich ausgesperrt hatte, helfen solle, schlug dieser gegen seine Tür und versuchte, sie mit Gewalt zu öffnen. Der Lärm rief Alexander L. auf den Plan. Obwohl ihn von Michael G. nur eine Tür mit Milchglasscheibe trennte, wählte er einen langen Umweg: Er nahm die Hintertreppe, durchquerte den langgestrecken Laden und betrat das Treppenhaus durch eine Schiebetür. Dann muss er G. im ersten Stock "gestellt" haben. Kurze Zeit später ging die Auseinandersetzung am Fuß der Treppe weiter. L. stach Michael G. einmal in den Rücken und vier Mal von vorne in den Oberkörper. Ein Stich durchtrennte mehrere Rippen und traf die Herzkammer - das Todesurteil. Laut Richter Schmidt hätte das Opfer auch nicht überlebt, wenn sofort Hilfe gekommen wäre. L. hatte daran aber gar kein Interesse: Er schloss die Schiebetür ab und türmte in den Hain ohne einen Notarzt zu rufen. Zwei Stunden später kehrte er an den Tatort zurück und stellte sich.


Vermindert schuldfähig

Die Kammer ist auf Grund von Indizien und Zeugenaussagen überzeugt: Von Notwehr könne nicht die Rede sein. "Der Angeklagte wollte Michael G. unter Mitnahme eines Messers zur Rede stellen." Wegen des nachgewiesenen Crystal-Konsums bei L. ging die Kammer von verminderter Schuldfähigkeit aus. "Methamphetamin ist kein Beruhigungsmittel, sondern das genaue Gegenteil", sagte Richter Schmidt in Anspielung auf eine Aussage des Angeklagten während der Beweisaufnahme: Crystal beruhige ihn bei Stress.