Schwarze Schafe unter den Betrieben wollen mit der Corona-Krise Kasse machen. Der Staat greift durch. Es gibt 2100 Verdachtsfälle - und eine große Dunkelziffer auch in Franken.
"Es geht quer durch alle Branchen, und es sind kleine Betriebe ebenso darunter wie die ganz großen." Reiner Hollerung, Experte für Kurzarbeit bei der Arbeitsagentur in Nürnberg, bestätigt eine Meldung, die am Donnerstag aus dem Sozialministerium in Berlin kam: Die Kurzarbeit ruft auch schwarze Schafe auf den Plan.
Die großzügigen Regelungen der Bundesregierung für die Gewährung von Kurzarbeitergeld haben in der Corona-Krise Massenentlassungen verhindert und zahlreiche Betriebe vor der Pleite bewahrt. Gerade in Franken mit dem hohen Anteil von Beschäftigten in den Zuliefer-Betrieben für die Autoindustrie ist die Kurzarbeit ein Segen. Betriebe, denen die Aufträge wegbrechen, können die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten reduzieren; der Staat stockt dann den Lohn auf und übernimmt einen Teil der Sozialleistungen.
Diese Modell hat "Potenzial für Missbrauch und Betrug", wie ein Sprecher der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft sagt. "Da ist die Verlockung groß, mitzunehmen, was man mitnehmen kann", heißt es auch bei der Gewerkschaft Verdi.
Eine von zahlreichen Maschen, die aufgeflogen sind: Verwandte werden im eigenen Betrieb kurzfristig zu einem hohen Gehalt eingestellt und dann in Kurzarbeit geschickt. Rita Wittmann, die Verdi-Geschäftsführerin für Mittelfranken, kennt weiter "beileibe nicht nur Einzelfälle" von Mitarbeitern, die in Kurzarbeit verabschiedet wurden - und doch am Arbeitsplatz erscheinen mussten.
Nicht immer steckt kriminelle Energie hinter solchen Vorfällen, sagt Reiner Hollerung. "Das musste alles hoppla-hopp gehen, und die Vorschriften sind ja doch recht kompliziert."
Oft falsche Anschuldigungen
Aus eigener Erfahrung weiß der Experte der Agentur für Arbeit, dass es oft Mitarbeiter (oder ehemalige Mitarbeiter) sind, die den eigenen oder einen anderen Betrieb "anschwärzen". Dabei stelle sich nach langwierigen Prüfungen nicht selten heraus, dass an den Vorwürfen nichts dran ist. "Ich hatte eben erst einen Hinweis auf Kurzarbeit-Betrug. Dabei macht dieser Betrieb seit zwei Monaten gar keine Kurzarbeit mehr."
Hollerung rechnet für seinen Fachbereich mit einer "zweiten Welle": Sprich dann, wenn Betriebe die Kurzarbeit beenden und die Agentur die Arbeitszeitnachweise prüft, "wohl dann erst kommt alles ans Licht".
Aktuell gibt es bundesweit laut Sozialministerium 2100 Verdachtsfälle in Sachen Kurzarbeit-Schwindel, in 21 konkreten Fällen wird ermittelt. Ein Schaden von 6,3 Millionen Euro steht im Raum. Für Kurzarbeit hat der Bund bislang 8,1 Milliarden Euro Lohnersatz und 6,2 Milliarden Euro für Sozialversicherungsbeiträge ausgegeben.
Auf dem Scheitel der Corona-Pandemie im Mai waren in Deutschland rund sieben Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit. 2010, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, waren es "nur" 1,5 Millionen. Damals wurde in 850 Fällen wegen Betrugs ermittelt.
Bei diesen Firmen sollte der Staat tatsächlich rigoros durchgreifen und das Geld mit Zins und Strafzahlungen zurückholen. Ich weiß auch von zwei Betrieben in denen es so gelaufen ist bzw. noch läuft. Die, die sich in betrügerischer Weise bereichert haben, werden jedoch behaupten den Betrieb schließen zu müssen, sollten sie das Geld zurückzahlen müssen. Die leidtragenden sind dann wohl wieder die Mitarbeiter.