Wer wissen will, ob sein Dieselauto der Marke VW, Audi, Skoda oder Seat einen manipulierten Motor EA 189 an Bord hat, findet das schnell heraus. Doch was dann im Falle eines Rückrufs am Wagen gemacht wird, ist immer noch völlig offen. Alle warten auf das Kraftfahrtbundesamt.
Eine Kombination aus 17 Buchstaben und Zahlen beschäftigt gerade viele Autobesitzer. Die Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) ihres Wagens bringt inzwischen schnell Klarheit, ob das Auto involviert ist, involviert in den gigantischen Abgas-Skandal des Volkswagenkonzerns.
Wer einen Dieselmotor der Jahre 2008 bis 2013 nutzt und dabei einen Pkw der Marken VW, Audi, Skoda oder Seat sein Eigen nennt, kann auf den Internetseiten der Unternehmen leicht erfahren, ob es sich um einen Motor EA 189 (das EA steht für Entwicklungsauftrag) handelt, bei dem die Manipulationssoftware zum Einsatz kommt.
"Prüfen, ob Ihr Fahrzeug betroffen ist", bietet sich ein blaues Kästchen auf "info.volkswagen.de" an. Ein Klick, und es kommt die Aufforderung "Bitte geben Sie Ihre FIN ein". Ähnlich funktioniert es bei Audi, Skoda und Seat. Seine FIN ließt der Autobesitzer hinter der Windschutzscheibe direkt auf der Instrumententafel an der Fahrerseite ab. Oder er schaut im Fahrzeugschein im Feld "E" nach.
"Abwarten", heißt es nur
FIN eingeben, ein Mausklick: Wer einen Dieselmotor EA 189 fährt, wird zum Beispiel bei Skoda sofort mit "Wir bedauern sehr, Ihnen mitteilen zu müssen, dass die fragliche Software in Ihrem Fahrzeug zum Einsatz kommt" begrüßt. "Wir werden alles in unserer Macht Stehende unternehmen, um dies so schnell wie möglich zu beheben."
Was heißt nun "so schnell wie möglich"? Was muss ein Autofahrer jetzt tun? "Abwarten", sagt eine freundliche Dame bei der VW-Kundenservice-Hotline. Es gebe noch keine Informationen, was am Auto genau gemacht werde. "Der Halter bekommt demnächst ein Schreiben vom Kraftfahrt-Bundesamt, in dem mitgeteilt wird, dass sein Fahrzeug betroffen ist", sagt sie nur. Mehr wisse sie momentan auch nicht.
Seit Mittwoch liegen Pläne von VW, wie und in welchem Zeitraum das Unternehmen die Abgas-Affäre bewältigen will, beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Die Behörde sitzt in Flensburg. Muss bei betroffenen Fahrzeugen womöglich mehr gemacht werden als eine neue Software aufzuspielen? VW-Sprecher Eric Felber hält sich bedeckt: Man müsse abwarten, wie das KBA dies bewerte. In der Pressestelle des KBA ist seit Tagen niemand zu erreichen.
Bei der Skoda-Hotline spult ein Mitarbeiter seine Beruhigungssätze herunter. "Es wird nur die Software geändert, von mehr wissen wir nicht", sagt er bestimmt. Alles bleibe, wie es war. "Ihr Wagen wird genauso viel verbrauchen wie vorher." Auch die Leistung verändere sich nicht.
Niedrigerer Einspritzdruck?
Über so eine Aussage können Experten an fränkischen Hochschulen nur schmunzeln. "Das Thema ist sicherlich nicht flächendeckend über ein Software-Update zu machen. Sonst hätte man das schon vorher gemacht", sagt Hartmut Gnuschke, Professor für Automobiltechnik an der Hochschule Coburg mit Schwerpunkt Verbrennungskraftmaschinen.
"Es wird wohl so sein, dass VW bei der Einspritzanlage etwas tun muss", meint der Coburger Professor. Das Problem seien die Stickoxide. Diese entstünden bei hohen Temperaturen, und hohe Temperaturen gebe es bei hohen Leistungen.
Man könne nun das Getriebe austauschen, um eine niedrigere Drehzahl zu erreichen und damit die Leistung zu schmälern, erklärt Gnuschke. "Aber das werden die nicht tun." Vielmehr glaubt er, dass VW beim Drehmoment ansetzt. "Die werden lieber etwas von der Höchstgeschwindigkeit wegnehmen, um die Temperaturen im Brennraum und damit die Stickoxide zu senken."
"Das würde teuer werden"
Bei niedrigen Geschwindigkeiten kommt man laut Gnuschke aber damit auch nicht weiter. "Hier ist die Stellschraube der Einspritzdruck", erklärt der Professor, der einst bei Bosch an der Entwicklung von Dieseleinspritzsystemen gearbeitet hat. Zuletzt sei der Druck beim Einspritzen immer mehr nach oben geschraubt worden. Das habe weniger Ruß und höhere Leistung zur Folge gehabt, aber eben auch höhere Temperaturen und mehr Stickoxide. Die Einspritzrate jetzt über einen gesenkten Druck reduzieren - das kann VW laut Gnuschke auch über ein Software-Update erreichen.
Wenn der Erfolg nicht über den Einspritzvorgang erreicht werde, "dann muss VW über die Abgasnachbehandlung gehen". "Das würde teuer werden", sagt Gnuschke, der zugleich den Dieselmotor in Schutz nimmt: "Was Stickoxide und Partikelanzahl angeht, ist das Rohabgas beim Ottomotor nicht viel besser als beim Diesel."
Ähnlich sieht das VW-Problem auch Dieter Brüggemann, Professor an der Fakultät für Ingenieurwissenschaften der Universität Bayreuth mit dem Schwerpunkt Motorforschung. "Etwas weniger Höchstgeschwindigkeit für den Kunden, da wird man nicht drum rumkommen." Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei bei einigen Motorvarianten ein Austausch von Komponenten nötig. "Die Situation ist selbst für Experten nicht ganz durchschaubar", sagt Brüggemann. "Selbst VW kennt jetzt noch nicht in allen Fällen die richtige Lösung."
Die Händler sind ebenfalls verunsichert. Mit der Rückrufaktion kommt auf sie zwar ein zusätzliches Geschäft zu. Aber "ein solcher Skandal kann den Kfz-Betrieben keine Freude machen, weil er branchenweit Vertrauen zerstört hat", sagt Klaus Dieter Breitschwert, Präsident des Bayerischen Kraftfahrzeuggewerbeverbands.
Um welches Abgas geht es?
Dieselautos stoßen Stickoxide aus. Stickoxide sind Schadstoffe, die im Sommer für hohe Ozonwerte verantwortlich sind. Sie greifen die Schleimhäute an und können so zu Atemwegserkrankungen führen. Die EU hat derzeit eine Obergrenze von 80 Milligramm pro Kilometer festgesetzt (Euro 6). In den USA liegt mit einem Limit von 70 Milligramm pro Meile die Messlatte deutlich höher. Und eine Meile ist rund 1,6 Kilometer lang!
Weniger Abgas mit Harnstoff
In Fahrzeugen, die über einen speziellen SCR-Katalysator verfügen, wird eine Harnstofflösung in das Abgasrohr gespritzt. Experten sprechen von Abgasnachbehandlung. Dabei werden die Stickoxid-Emissionen deutlich reduziert. Die dafür benötigte Harnstoff-Wasser-Lösung wird von der Industrie einheitlich mit "AdBlue" bezeichnet. In vielen Dieselautos hat VW die Technik aber gar nicht verwendet, sondern einen sogenannten NOx-Speicher-Kat.
Probleme in Umweltzonen?
Bei den Plaketten für die Umweltzonen in bestimmten Städten (grüne Plakette) geht es in erster Linie um die Luftbelastung durch Rußpartikel (Feinstaub). Allerdings fordern schon seit vergangenem Jahr Umweltverbände die Weiterentwicklung dieses Instruments um eine blaue Plakette für Fahrzeuge, die besonders wenig Stickoxide emittieren. Bestehende Grenzwerte für diese Schadstoffe würden in den meisten Städten seit Jahren deutlich überschritten.