Noch vor dem Auftritt von Kanzlerin Angela Merkel standen 20 Dringlichkeitsanträge auf der Tagesordnung des CSU-Parteitages in München. Deshalb beklagt der Bamberger Delegierte Stefan Kuhn, dass vom Parteitag "nur die Schelte für Merkel und die Watschn für Seehofer" an die Öffentlichkeit gekommen sei.
Für genauso bedeutsam hält der Ortsvorsitzende der CSU Bamberg-Mitte den Antrag Nummer J 12, der "Die Verfolgung von Christen und anderer Gläubiger" betraf: "Ein Kernthema, das die Gesellschaft bewegt", sagte Stefan Kuhn, gemeinsam mit Christian Lange, Gisela Schlenker und Melanie Huml Delegierter aus dem Kreisverband Bamberg-Stadt, gegenüber unserer Zeitung.
Als Mitglied im Landesvorstand des Evangelischen Arbeitskreises (EAK) der CSU hatte Kuhn den rund 1000 Delegierten seinen ureigensten Plan vorgestellt: Die CSU-Europagruppe solle sich für die Ernennung eines EU-Beauftragten für Religionsfreiheit einsetzen. Dieser Antrag ging ohne Gegenstimmen durch.
"Wir müssen vermehrt zur Kenntnis nehmen, dass auch im europäischen Raum der Schutz der Religionsfreiheit nicht immer und für jedermann anerkannt wird", begründete der Kuhn seinen Vorstoß. Gerade dann, wenn wieder intensivere Gespräche mit der
Türkei geführt würden, sei die Frage der Religionsfreiheit zentral: "Es ist auf internationaler Ebene unerlässlich, für religiöse Toleranz zu werben", so Kuhn.
Er selbst gibt sich tolerant: "Ich kann mir auch einen Muslim als EU-Beauftragte
n für Religionsfreiheit vorstellen." Natürlich habe er mit den Vorsitzenden des EAK, Bundesminister Christian Schmidt und Silke Launert MdB, diesen Antrag abgestimmt. "Wir werben gemeinsam dafür, die zunehmende Bedeutung dieses Menschenrechts Religionsfreiheit auf europäischer Ebene zu unterstreichen." Ein Europa, das sich als Wertegemeinschaft verstehe, müsse auf die zunehmende Missachtung und Bedrohung dieses Rechts in vielen Staaten reagieren.
"Nur über den Schutz der Religionsfreiheit wird es gelingen, Radikalisierung und Unterdrückung wirksam entgegen zu wirken." Die EU solle hier vorangehen und auch in der Struktur der Kommission "endlich ein Zeichen setzen".
Zu dem Antrag J 12 gehört auch die Forderung an die Bundesregierung und die Abgeordneten der CSU-Landesgruppe im Bundestag, in der nationalen Gemeinschaft, im Europarat und im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen "aktiv weiterhin die Durchsetzung der Religionsfreiheit weltweit zu fördern und sich dafür einzusetzen, dass die Verfolgung von Christen oder die anderer Gläubiger auf Grund ihrer Religion endet". Als Hauptquelle für Verfolgungen führen die Antragsteller den extremistischen Islam an, dem in Syrien und dem Irak nicht nur Christen ausgesetzt seien, sondern auch Muslime als sogenannte Glaubensverräter.
Es müsse möglich sein, dass jeder seinen Glauben offen leben, wechseln oder ablegen lassen: "Keinesfalls darf man sich zum Spielball der Fundamentalisten machen lassen und aus den Augen verlieren, dass es uns nicht um die Aufrüstung gegen einen Feind geht, sondern um die Solidarität mit den Verfolgten", hob der EAK hervor. Umso mehr gelte es, sich für die weltweite Durchsetzung der Religionsfreiheit - auch in Nordkorea und China - einzusetzen.
Die Stadt Bamberg und der Landkreis waren mit 13 Delegierten beim CSU-Parteitag vertreten. Für Holger Dremel, der Mitglied im Vorstand des CSU-Kreisverbandes Bamberg-Land ist, war es der erste Parteitag.Er hat sich von "alten Hasen" sagen lassen, dass der Einzug der Kanzlerin in früheren Jahren von den Delegierten wesentlich enthusiastischer begrüßt worden sei.
In seinen Augen sei Kanzlerin Merkel von Seehofer nicht brüskiert oder gar gedemütigt worden, er habe sie aber "blöd aussehen lassen", und das habe er, Dremel, persönlich "suboptimal" gefunden.
Die Bamberger Delegierte Gisela Schlenker findet, dass die auf dem Parteitag zur Schau getragenen Meinungsverschiedenheiten nur "ein gefundenes Fressen" für die Medien gewesen seien. Man solle die Sache bloß nicht zu hoch hängen. In der Politik dürfe man seine Meinung sagen, sich auch streiten, um danach wieder konstruktiv zusammenarbeiten. Merkel und Seehofer seien beide Profis, weshalb man sich keine Sorgen machen müsse.
Das ist typisch für einen evangelischen Politfunktionär: "Ich kann mir auch einen Muslim als EU-Beauftragten für Religionsfreiheit vorstellen," erklärt Stefan Kuhn. Hallo Herr Kuhn: Wenn schon kein Christ diese Funktion ausüben muss oder soll oder darf, dann kann es n u r ein Jude sein. Denn gerade die Juden haben in Europa, vor allem unter den Nationalsozialisten, furchtbare Erfahrungen mit Verfolgung aus religiösen Gründen gemacht. Und ein Jude wäre auch genau die Reizfigur für ein Europa des religiösen Miteinander, die nötig wäre, um die Muslime in unseren Breiten gewissermaßen zu einem Offenbarungseid in Sachen Toleranz zu zwingen. Seit Mohamed eine angebliche Vergiftung einer Jüdin zuschrieb (Jahre nachdem er alle Juden aus seinem Alterssitz Medina vertrieben hatte), müssen die Juden unter den Moslems leiden.
Aber wenn es Herrn Kuhn darum geht, vor allem in der Türkei für religiöse Toleranz zu werben, dann wäre ein Moslem als Gesandter der EU völlig fehl am Platz. Zumal der ohnehin nur mit Erdogans Gnaden wirken könnte - die Türkei hat ja schon ein innermuslimisches Problem, dazu die Kurdenfrage und den Omnipotenzanspruch der staatstragenden Partei. Toleranz in der Türkei - ich vermute da eine grundlegende Bildungslücke wie in der gesamten islamischen Welt.
Im Übrigen hat die Christenheit im unerschrockenen Papst, dem katholischen Bischof von Rom, einen international anerkannten und glaubwürdigen Sprecher, einen unüberhörbaren Mahner zum Frieden und zur Versöhnung. Es ist mir schon klar, dass das die tausenfach zersplitterten reformierten Kirchen gerne verdrängen. Aber der Papst - eben auch eine Reizfigur - dürfte der einzige christliche Religionsführer sein, den die Mullahs als Gesprächspartner akzeptieren würden. Erdogan jedenfalls hat ihm schon zugehört.
Vermutlich haben alle Bamberger Delegierten beim Parteitag dem Ingolstädter Oberlokomotivführer die Gefolgschaft verweigert. Die nichtstimmberechtigte Bevölkerung hätte sich wohl nicht mit den 12,8 Prozent Gegenstimmen zufrieden gegeben, um die u.a aus den Kreisen der Schwesterpartei als Flegelei und Gloifeltum (das versteht ein Franke nicht, wohl aber der Oberbayer) Brüskierung der Dame und Kanzlerin A. Merkel abzustrafen. Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok sagte laut FT: «Das ist unhöflich, ungehörig und nicht erträglich.» Der schleswig-holsteinische CDU-Landesvorsitzende Ingbert Liebing sagte: «So geht man nicht in der Union miteinander um.» CDU-Bundesvize Julia Klöckner lehnte einen Kommentar mit der Bemerkung ab, sie müsste dann «die klassischen Höflichkeitsformen verlassen». SPD-Vize Ralf Stegner sagte: «Die CSU führt sich auf wie eine Horde Halbstarker.» Unsere Frau Huml hätte sich das sicher nicht gefallen lassen. Seehofer gab sich trotzdem zufrieden: «Am Stil meiner Politik und am Kurs wird sich nichts ändern.» Ist das nun die abendländische, bayerische oder nur die parteispezifische Leitkultur?