Bis in die 1960er Jahre wurden bei der Prozession die Zunftstangen mitgetragen. Dann fand sich niemand mehr, der die Heiligenfiguren tragen wollte. Heute stehen sie auf der Empore der Jakobuskirche.
Noch in den 1950er Jahren gehörten sie zum traditionellen Erscheinungsbild der Fronleichnamsprozession in Bad Kissingen, die Zunftstangen. Dann wurde es immer schwieriger, Träger zu finden. Seitdem stehen die weiß-blauen Tragestangen mit den Heiligenfiguren in der Jakobuskirche. Inzwischen auf der Empore, und deshalb sind sie nur noch während der Sonntagsgottesdienste zu bewundern, wenn die Empore geöffnet ist.
Zunftstangen werden erstmals im 17.
Jahrhundert erwähnt. Als die Handwerkerzünfte damit ihrem Patron huldigen aber auch ihr Selbstbewusstsein demonstrieren wollten.
Kirchenpfleger Peter Kaidel holt eine der gut zwei Meter hohen Stangen aus ihrer Halterung. Sie zeigt den heiligen Michael. Ein Zunftzeichen befindet sich nicht an der Stange, aber St. Michael gilt als Patron für Schneider, Maurer und Zimmerleute.
Auch für Kaufleute soll er "zuständig" sein.
Auf manchen der Kissinger Zunftstangen ist eine Jahreszahl zu sehen. "Die meisten stammen aus der Zeit um 1860", sagt Peter Kaidel. Aber es stehen auch Stangen aus dem 18. Jahrhundert in der Jakobuskirche. Und da wäre noch ein Nachzügler aus dem 20. Jahrhundert. Oben auf de Stange befindet sich eine Figur von St. Nepomuk.
Der frühere städtische Angestellte Adolf Kühnlein hat sie vor etlichen Jahren gestiftet, als er, schon im Ruhestand, seine Prüfung als Müllermeister abgelegt hat, erzählt Peter Kaidel.
"Früher wurden die Zunftstangen von Vertretern der Innungen getragen", so der Kirchenpfleger weiter, "später von Schülern." In den 1960er Jahren fand sich dann niemand mehr, der diesen Dienst übernehmen wollt.
Einige Zünfte waren inzwischen auch ausgestorben, wobei das nichts bedeuten muss. Wie Kreisheimatpfleger Werner Eberth betont, haben zahlreiche Schutzpatrone ihr "Aufgabengebiet" gewechselt beziehungsweise erweitert. So wäre laut Eberth der Beruf des Sattlers, für den unter anderem der Evangelist Johannes als Schutzpatron verantwortlich ist, problemlos mit dem heutigen Kraftfahrzeug-Handwerk zu verzahnen.
Patrone mit vielen
Aufgaben Bemerkenswert ist, dass vielen Zünften etliche Heilige zugeordnet sind. Aber es gibt auch Heilige, unter deren Schutz sich mehrere Handwerksberufe begeben haben. So ist zum Beispiel der Heilige Josef nicht nur für die Zimmerleute, sondern auch für Kaminkehrer, Maurer, Hafner, Sattler, Tischler, Schreiner und Bäcker zuständig. Andererseits fühlen sich die Zimmerer auch bei St.
Michael, bei Noah und beim Heiligen Wolfgang gut aufgehoben.
Wie die Zunftstangen in der Jakobuskirche belegen, hatte sogar die "Kriegerzunft" ihren Heiligen, nämlich St. Georg. Alleine zwei solche Stangen stehen auf der Empore. Laut Werner Eberth legte wohl die eine oder andere Zunft Wert darauf, bei der Fronleichnamsprozession das Allerheiligste auf beiden Seiten zu begleiten.
Wie Eberth weiter ausführt, hat der langjährige Rektor der Jakobuskirche, der
inzwischen gestorbene Pater Hermann Illig, die Zunftstangen auf eigene Kosten restaurieren lassen, bevor sie wieder ihren Platz in der Kirche einnehmen durften. Erst an den Wänden im Erdgeschoss , später auf der Empore. Dort stehen sie gut gesichert, wie Peter Kaidel betont. Und warten darauf, vielleicht doch einmal wieder bei der Fronleichnamsprozession mitmarschieren zu dürfen.