Zeugnisse, die einen erschüttern

3 Min
Harald Schneider mit Gegenständen, die sein Großonkel Michael Zagel aus dem 1. Weltkrieg aufbewahrt hat. Fotos: Björn Hein
Harald Schneider mit Gegenständen, die sein Großonkel Michael Zagel aus dem 1. Weltkrieg aufbewahrt hat. Fotos: Björn Hein
Michael Zagel mit 20 Jahren im ersten Kriegsjahr.
Michael Zagel mit 20 Jahren im ersten Kriegsjahr.
 
Links ein Stahlhelm M 18, rechts ein Kinderhelm M 18 zum Spielen.
Links ein Stahlhelm M 18, rechts ein Kinderhelm M 18 zum Spielen.
 

Harald Schneider aus Zahlbach sammelt alles, was mit den beiden Weltkriegen des vergangenen Jahrhunderts zu tun hat.

Der Erste Weltkrieg war ein einschneidendes Erlebnis in der Europäischen Geschichte. Doch nicht nur im allgemeinen kollektiven Gedächtnis hat er seine Spuren hinterlassen - er prägte auch eine ganze Generation, die die Schrecken des Krieges nie mehr loswurden.
Vieles ist in Vergessenheit geraten, zum Glück gibt es einige Interessierte, die auch gerade die örtliche Geschichte immer wieder ins Gedächtnis rufen. Ein solcher ist Harald Schneider aus Zahlbach.
Seit 1999 befasst er sich intensiv mit dem 1. und dem 2. Weltkrieg und hat als Sammler einiges zusammengetragen, das an diese schreckliche Zeit erinnert und aufzeigt, wie das Leben damals war.

Das Ausmaß der Zerstörung

"Ich habe dabei auch einiges über meinen Großonkel gesammelt, das zeigt, wie das Leben eines einfachen Soldaten im 1. Weltkrieg aussah", so Schneider. Hierbei handelt es sich um seinen Großonkel Michael Zagel, der 1894 in Nürnberg geboren wurde. Sowohl sein Einberufungsschein als auch den Wehrpass und die Soldbücher hat dieser der Nachwelt hinterlassen. So kann man sehr gut nachvollziehen, an welchen Stellen er gekämpft hat.
"Leider hat mein Großonkel kein Tagebuch geführt, sicherlich wäre es interessant gewesen, nachzulesen, wie er sich fühlte", so Schneider. Auch das Eiserne Kreuz II. Klasse und das Militärdienstkreuz 3, das Zagel verliehen bekam, befindet sich jetzt im Besitz von Schneider.
Besonders interessant für den Laien aber sind die Fotos, die Zagel während der Kriegszeit selbst angefertigt hat. Auf rund 150 Fotos sind die Zerstörungen zu sehen, die bei den Kämpfen angerichtet wurden. Zerbombte Städte und Landschaften prägen dabei das Bild, die Wucht der Fotos zieht den Betrachter in den Bann. Vor allem deshalb, weil der Krieg meist als etwas von uns weit Entferntes erscheint, das lange vergessen ist.
Durch die Konzentration auf ein Schicksal sieht man, was ein Soldat alles auszuhalten hatte, und wie schlimm doch ein Krieg ist. Abschreckend sind auch die Bilder der Gefallenen, die Zagel aufgenommen hat. "Nichts wurde hier zensiert, es wird der Blick des Soldaten auf das Geschehen gezeigt", so Schneider.
Michael Zagel hat zudem minutiös vermerkt, an welchen Schlachten er teilgenommen hatte, und so kann man nachvollziehen, zu welcher Zeit er wo war.

Granatsplitter aufbewahrt

Beeindruckend ist auch der Granatsplitter, der bei Richebourg St. Vaast in die Beifahrerseite von Zagels Wagen einschlug und ihm fast das Leben gekostet hätte. Im April 1918 war das gewesen. Auch diesen hat Zagel bis zu seinem Tod bewahrt. "Der Nachlass meines Onkels hat mich emotional tief bewegt. Man fragt sich unmittelbar, wenn man den Nachlass betrachtet: Wie hätte man sich in einer solchen Situation gefühlt", meint Schneider nachdenklich.
In der Sammlung Schneiders befinden sich aber auch noch andere Gegenstände, die von der Militarisierung der Gesellschaft zeugen und zeigen, welche Entwicklungen es im 1. Weltkrieg gab. "Bis 1916 kämpften die Soldaten teilweise mit einer so genannten Lederglocke als Helm. Später fand man dann heraus, dass dieser nicht effektiv vor Verletzung schützt. Und so wurde in der Folge der Helm Modell M 16 hergestellt, der als erster Stahlhelm gilt", meint Schneider fachkundig.

Jugend auf Krieg vorbereitet

Einen ähnlichen Helm, das Modell M 18, befindet sich in der Sammlung des Zahlbachers. Dieser wird auch als "Hörnerhelm" bezeichnet, da an den beiden Lüftungsnieten Stahlplatten eingehängt werden konnten, die den Träger vor Kopfschüssen bewahren sollten.
Und auch eine Miniatur-Version dieses Helms hat Schneider in seiner Sammlung. Es handelt sich hier um einen Kinderhelm aus Aluminium. "Natürlich war dieser nicht für den Kampfeinsatz gedacht. Man wollte vielmehr die Jugend schon im Spiel auf den Krieg vorbereiten", sagt Schneider. Und dass mit diesem Helm tatsächlich "Krieg gespielt" wurde, zeigen die Dellen an der Oberseite. "Man sieht hier, wie perfide das System vorgegangen ist. Bereits im Jugendalter propagierte man den Krieg", so Schneider.
Dies ist nur ein kleiner Teil der Sammlung Harald Schneiders, der einiges zusammengetragen hat - neben Orden auch andere Objekte. "Natürlich ist es auch die Sammelleidenschaft, die hier zuschlägt. Aber man wird beim Betrachten der Objekte auch immer wieder daran erinnert, wie es früher war", meint Schneider.

Zum Nachdenken

Wer die Vergangenheit begreift, sieht auch vieles, das heute passiert, anders. "Beim Ukraine-Konflikt kann man sehen, wie schnell man wieder dabei ist, zu den Waffen zu greifen. Das kann sehr gefährlich sein", so Schneider. Ist nämlich erst einmal ein Krieg ausgebrochen, so ist er nur schwer zu beenden. "Diplomatie sollte daher das Mittel der Wahl sein", gibt er zu bedenken.
Daran erinnert ihn nicht nur das Schicksal seines Großonkels, der den 1. Weltkrieg glücklicherweise überlebt hat, sondern besonders die erschreckend große Zahl der Gefallenen, die die Kriege forderten.