Sänger der Bolschoi-Akademie zeigten beim Kissinger Sommer stimmgewaltig ihr Können.
Nicht nur aus den renommierten russischen Talentschmieden für Geiger und Pianisten strömen die Virtuosen in die Konzertsäle Westeuropas; auch die russischen Sänger, allen voran natürlich Anna Netrebko oder auch beim Kissinger Sommer Dmitry Korchak oder Andrej Zhilikhovski, haben ihr Publikum hier erobert. So ließ die Ankündigung von vier Sängern der "Bolschoi-Akademie" auf ein Konzert hoffen, in dem man Entdeckungen würde machen, junge Stimmen auf
dem Weg zu Starruhm würde hören können. Begleitet von Semion Skigin, Professor für Liedbegleitung an der Musikhochschule "Hanns Eisler" in Berlin und im Kissinger Sommer erprobte pianistische Allzweckwaffe eher in Sachen Durchsetzungskraft als Delikatesse, sangen eine Sopranistin, zwei Tenöre und ein Bariton aus der Moskauer Akademie im Rossini-Saal.
Erstaunliche Stimmen haben alle vier, die sie im ersten Teil in Einzelarien aus dem Opernrepertoire, im zweiten aus
Verdi-Opern mit enormer Lautstärke erstrahlen ließen. Bariton Igor Golovatenkos mächtige Stimme hat ein sehr farbenreiches Timbre, er sang sehr sauber und zeigte etwa in Verdis berühmter Germont-Arie, wie flexibel er die Vorzüge seiner in Höhen und Tiefen sicheren und klangschönen Stimme führen kann. In "Nemico della patria" aus Giordanos "Andrea Chenier" ließ er jedoch den Übergang in einen lockereren und leiseren Erzählton
vermissen, wie er auch in der Valentin-Arie aus Gounods "Faust" nicht wirklich in den lyrischen Ton fand, wie es ihm in der Arie des Yeletsky aus Tschaikowskys "Pique Dame" in seiner Muttersprache sehr schön gelang. Eindrucksvoll, obwohl mehr an einen unerbittlichen schon stimmlich gewalttätigen Despoten erinnernd, dann auch seine Version der Arie des Rodrigo aus Verdis "Don Carlo".
Zwei Arten von Tenor Die beiden
Tenöre zeigten sich sehr unterschiedlich. Pavel Kolgatin sang seinen Einstiegshit "Una furtiva lagrima" wie auch die Arie des Almaviva aus Rossinis "Barbiere" sehr vorsichtig und langsam, konnte damit an seinem sehr stabilen Tenor die gute Tiefe und sein Geschick bei den Koloraturen zeigen, aber nicht viel innere Bewegung oder schlüssige Textinterpretation oder ein Einschwingen in einen etwas drängenderen Rhythmus.
Bestätigung für Verdi Pavel Valuzhin neigt im Gegensatz zu ihm zu einer recht kompromisslosen Forcierung seiner Stimme in den Höhen, was Abstriche bei der Intonation und eine manchmal knödelnde Mittellage zur Folge hatte. Wie seine drei Kollegen auch wurde er im zweiten Teil freier, doch da zeigte sich natürlich auch, wie gut Verdi in die Singstimme komponiert hat.
Gerade in den Duetten mit der Sopranistin Kristina Mkhitaryan bewies Valuzhin, wie viel leichter es ihm fällt, ineiner Spielszene wie dem dem Duett Gilda-Herzog aus Verdis "Rigoletto" auch die exponierten Höhen sehr tonschön zu singen.
Kristina Mkhitaryan hat einen kräftigen, runden und klaren Sopran, und auch sie war im ersten Teil der Matinee mehr mit der technischen Perfektion ihrer Höhen, ihrer Koloraturen als mit einer wirklichen Interpretation der Arien
beschäftigt. Locker, frei und trotzdem sehr intonationssicher zeigte sie sich in ihrem ersten Duett mit Valuzhin am Ende des ersten Teils aus Tschaikowskys "Romeo und Julia", das die beiden in ihren perfekt harmonierenden Stimmen nach einer eindrucksvollen Aufgipfelung sehr delikat verklingen ließen. Im zweiten Teil zeigte sie in der Violetta-Arie aus "La Traviata", wie schön sie gestalten kann; hier sang sie mit innerer Bewegung, fand auch leise Töne und überzeugte
wie überhaupt im gesamten zweiten Teil.
Das Publikum goutierte hörbar die Moskauer Opernschule mit ihrem Schwerpunkt auf Lautstärke und Stimmgewalt und spendete den schon an einigen Opernhäusern singenden Sängern auf dem Sprung zur großen Karriere begeisterten Applaus.