Wie die Gräuel des Krieges die Menschen und die Musik verändert haben

1 Min
Anna Prohaska Fotos Ahnert
Anna Prohaska Fotos Ahnert
Eric Schneider
Eric Schneider
 

Anna Prohaska und Eric Schneider boten einen spannenden Liederabend.

Bad Kissingen — Es war ein Liederabend, auf den man sich wegen der Besetzung freuen konnte und den man mit Spannung erwartete, weil das Programm ungewöhnlich war. Denn die Sopranistin Anna Prohaska und der Pianist Eric Schneider hatten nicht einfach in die Repertoirekiste mit Schumann, Schubert und Strauss gegriffen, sondern hatten ein durchgängiges Thema: "Hinter den Linien" aus Anlass des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren.
Es war eine außergewöhnlich intensive Auseinandersetzung von enormer Tiefe. Zum einen, weil Anna Prohaska eine absolut bewusste, pointierte Stimmungsgestalterin ist, die die Texte auslotet und wirkungsmächtig in Musik umsetzt. Weil sie weiß, wovon sie singt und dabei in allen Sprachen hervorragend artikuliert, mit ihrer Stimme spielt. Und weil bei ihr das Verhältnis zwischen Emotion und Distanz überzeugt.
Zum anderen, weil sich Eric Schneider nicht als Diener der Stimme sieht, sondern ihr eigene Entwürfe gegenüberstellt und anbietet und damit auch Stimmungen vorausnimmt, reflektiert oder kontrastiert, weil er eigene klangliche Welten zum Gesamten beiträgt. Was die beiden boten, war absolut gleiche Wellenlänge.

Fordernde Thematik

Natürlich war auch das Thema eine Herausforderung für Künstler und Publikum gleichermaßen. 25 Lieder über den Krieg von Johannes Werlin, der den 30-jährigen Krieg in voller Länge erlebt hat, bis Wolfgang Rihm, der sieben Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurde, sind eine schwere Bewältigungsausgabe, zumal Prohaska und Schneider dem Zuhörer durch die Intensität der Darstellung den Fluchtweg in die Distanz und das Weghören versperrten.
Aber es waren auch interessante, zum Teil überraschende Erfahrungen, die man als Zuhörer machen konnte: dass die Texte starke persönliche Betroffenheiten - schon bei Werlin - spiegelten, dass sich aber die Musik veränderte. Je näher der Krieg an den Einzelnen heranrückte, desto brutaler, direkter, realistischer wurde sie als Ausdruck der Angst, der Klage, des Protests, der Zerstörung. Für Ästhetisierung war plötzlich kein Platz mehr. Oder für Naivität, wenn man Klärchens Lied "Die Trommel gerühret!" von Beethoven mit Hanns Eislers "Kriegslied eines Kindes" vergleicht oder Hugo Wolfs "Der Tambour" mit Rachmaninoffs "Polyubila ya na pechal'svoyu", der bewegenden Klage einer Kriegerwitwe.
Glänzend changierend zwischen Märchenwelt und Realität gestalteten Prohaska und Schneider Franz Schuberts große Ballade "Ellens Gesang I", "Raste Krieger, Krieg ist aus" oder Franz Liszts enorm psychologisierende Vertonung von Alexandre Dumas' "Jeanne d'Arc au bucher". Und sie ließen es offen, ob Robert Schumann bei "Die beiden Grenadiere" so pathetisch wurde, weil er Heinrich Heines Ironie nicht verstand.
Es gab unglaublich viel zu entdecken an diesem Abend. Man müsste ihn eigentlich mehrere Male hören.