Die politischen, interkulturellen und gesellschaftlichen Themen erhalten hier seit zehn Jahren ein Forum.
Mit einigen Monaten Verspätung wurde jetzt das zehnjährigen Bestehens der "Akademie Mitteleuropa" mit einem Festakt in der Bildungsstätte "Heiligenhof" gedacht. Gegründet wurde die Akademie bereits im August 2002, offiziell eingetragen im Februar 2003. Die Verspätung sei entschuldbar, meinte Studienleiter Gustav Binder über die weitere Entwicklung, den Lehrbetrieb habe sie erst 2004 aufgenommen.
60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges war die
"Erlebnisgeneration und das traditionelle Publikum" der von der von der Stiftung Sudetendeutsches Sozial- und Bildungswerk getragenen "Bildungsstätte Heiligenhof" geschwunden. Deshalb hätten es die Gründungsväter der Akademie damals für notwendig gehalten, die "gemeinsame Kultur und Geschichte der Deutschen" mit ihren östlichen Nachbarn "weiter nach professionellen Standards zu erforschen und bekannt zu machen". Seitdem bietet die Akademie Mitteleuropa
mehrtägige Fachseminare und interkulturelle Dialoge für die nachwachsende Generation aus Deutschland, den Staaten Mitteleuropas und anderen EU-Mitgliedsstaaten.
Doch auch nach zehnjährigem Bestehen der Akademie scheint der Begriff "Mitteleuropa" ungeklärt. Dies wurde in den Grußworten, aber auch in der abschließenden Podiumsdiskussion deutlich.
Binder, seit 2005 als Studienleiter für alle Tagungen verantwortlich, nannte Mitteleuropa jene Region, "wo die deutsche Sprache gesprochen wird oder wurde". Einig waren sich die Teilnehmer der Diskussion darin, dass Mitteleuropa nicht in geografischen, sondern in kulturellen Grenzen gesehen werden müsse.
Unverzichtbarer Teil der EU Der Kuratoriumsvorsitzende Gert Maichel betonte, die mitteleuropäischen Länder
seien "unverzichtbarer Teil einer Europäischen Union". Erst durch Reisefreiheit und persönlichen Augenschein hätten "verkrustete Feindbilder" aufgelöst werden können. Diese Länder seien aufgrund ihrer gemeinsamen Kultur weniger eine politische als eher eine Wertegemeinschaft. Der Akademie Mitteleuropa komme dabei als Begegnungsstätte vor allem für junge Menschen aus Ost und West eine hohe Bedeutung zu.
Auch Streitthemen habe sie bei ihren Tagungen nicht ausgelassen. Denn "der Mut zur Wahrheit" sei wichtig: "Es gibt noch viel aufzuarbeiten".
Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Daniel Hofmann, lobte die Akademie, die sich als "zuverlässige Größe in unserem Förderprogramm entwickelt" habe. "Hier kann man geistig durchatmen." Oberbürgermeister Kay Blankenburg gab zu bedenken, man könne sehr wohl Europäer sein, ohne die
eigene Identität zu verlieren: "Ich will Europäer werden, aber Franke bleiben." Als Geburtstagsgeschenk brachte er nach holpriger Anfahrt über die Zufahrt zum Heiligenhof das Versprechen: "Den Weg zum vereinten Europa kann ich nicht ebnen, aber die Straße zum Heiligenhof ausbessern."
Höhepunkt der Jubiläumsveranstaltung war die Lesung des Büchnerpreisträgers Reinhard Jirgl (60) aus seinem Roman "Die Unvollendeten". Sichtlich gebannt verfolgten
die Festgäste die über drei Generationen reichende Geschichte sudetendeutscher Frauen, die im Sommer 1945 vertrieben wurden und in der ostdeutschen Altmark zunächst als Landarbeiterinnen ein fast sklavenhaftes Dasein fristen mussten. Nach mehreren Jahrzehnten bleibt den Vertriebenen nur die Erinnerung: "Die Heimat ist ferner als der Tod.
Sehr geehrte Frau Roos, natürlich haben Sie Recht: Es leben auch 70 Jahre nach Kriegsende noch Angehörige jener Generation, die Flucht und Vertreibung als Kinder selbst miterlebt haben. Die von Ihnen in meinem Artikel beanstandete Formulierung war allerdings die Aussage eines Festredners zum Jubiläum der "Akademie Mitteleuropa". Sie bezog sich auf die früher typischen Tagungsteilnehmer(!) aus den Reihen der Erlebnisgeneration und auf "das traditionelle Publikum" der Bildungsstätte Heiligenhof: Deren Zahl war tatsächlich "geschwunden". Deshalb habe sich die Bildungsstätte nach zeitgemäßeren Aufgaben umsehen müssen und die Akademie Mitteleuropa gegründet. Der Ausdruck "geschwunden" bedeutet zudem nur, dass die Anzahl kleiner geworden ist, und darf nicht mit dem Ausdruck "verschwunden" gleichgesetzt werden. Mit freundlichem Gruß - Sigismund von Dobschütz
Sehr geehrter Herr von Dobschütz, Gottseidank ist es noch nicht so, daß die sog.Erlebnisgeneration der Sudetendeutschen nicht nicht so ganz verschwunden.
Es mag sein, daß es in Deutschland diese Wahrnehmung gibt, weil sich viele nicht mehr zu Wort melden, aber Leute, die z.B. 1930 geboren wurden oder auch erst 1937/38 können sich noch sehr gut an ihre Heimat erinnern und mußten auch die ganze Vertreibungstragödie miterleben.
Vielleicht wäre es in diesem Zusammenhang recht interessant einmal die Schicksale der Sudetendeutschen, die in die sowjetische Zone ausgewiesen wurden, näher zu betrachten.
Mit freundlichen Grüßen Christine Roos