Im Regentenbau gab eine junge Tanzformation die Uraufführung eines modernen Tanz-Spektakels. Das "Team-Recycled" tanzte, spielte und zeigte die Aufarbeitung des Todes von Jonny K. (20), der im Oktober 2012 in Berlin Opfer einer gewalttätigen Auseinandersetzung wurde. Team-Recycled kannte Jonny.
Ungewöhnliche Klänge, ungewöhnliche Rhythmen. Die gab es am Freitagabend in dem sonst als Hochburg klassischer Musik geltenden Regentenbau: Die Berliner Hip-Hop-Gruppe "Team Recycled", zweifacher deutscher Meister und eine der besten Gruppen der Welt, stand auf der Bühne.
Im Rahmen des Heiligenfeld-Kongresses "Burnout und Resilienz" zeigte das Team vor 600 Zuschauern erstmals sein neues Tanz-Musical "I am Jonny". Szenenapplaus, begeisterte Bravo-Rufe nach einzelnen
Darbietungen und stehende Ovationen nach Abschluss der einstündigen Tanzshow waren der Lohn für die 22 Tänzer zwischen 16 und 30 Jahren.
Tänzerin aus Maßbach
Mit ihren 23 Jahren gehört Sarah Pietzko ins Mittelfeld. Während ihrer Kindheit in Maßbach war sie Ballettschülerin, ab zwölf begann sie sich für Hip-Hop zu begeistern.
Gleich nach dem Realschulabschluss verließ sie ihr Elternhaus, um sich in Nürnberg zur Tanzpädagogin ausbilden zu lassen. Danach zog es die junge Tänzerin in die Hauptstadt, wo sie sich 2010 der ein Jahr zuvor gegründeten Hip-Hop-Gruppe anschloss. Zum ersten Mal tanzte sie nun auf der großen Bühne des Regentenbaus und präsentierte mit ihren Partnern die Show "I am Jonny", einen Zusammenschnitt aus Video-Dokumentation, Tanz und Gesang, aus Hip-Hop und
Breakdance, Ausdruckstanz und klassischem Tanz, aus aggressiven, an anderer Stelle aber auch romantischen Szenen.
Thema: Der Tod von Jonny K.
Mit ihrem Musical erinnerte die Tanzgruppe, deren Mitglieder ihre Wurzeln in West- und Osteuropa, in Asien, Afrika und dem Nahen Osten haben, an den gewaltsamen Tod des 20-jährigen Fachoberschülers Jonny K., Sohn einer thailändischen Mutter und eines deutschen Vaters, im
Oktober 2012 am Berliner Alexanderplatz. Damals war es vor einem Lokal zu einer Prügelei mit anderen, ihnen völlig unbekannten Jugendlichen gekommen, in deren Folge Jonny K. den Tod fand. "Es hätte uns alle treffen können", mahnte deshalb Jeff Jimenez (29) als Leiter der Truppe in seiner Einführung. "Wir alle waren damals sehr betroffen." Hintergrund: Nahe dem Tatort ist der Probenraum der Multi-Kulti-Truppe.
Ausreichend
Stoff
Jonny sei ein eher schüchterner junger Mann gewesen, beschrieb ihn seine ältere Schwester Tina in einem der eingeblendeten Video-Ausschnitte. Frisch verliebt sei er gewesen, habe für Musik und Tanz geschwärmt, vor allem für den Breakdance. Ausreichend Stoff für die Hip-Hopper, um aus dem sinnlosen Tod des Jugendlichen ein emotional anrührendes Tanz-Musical zu machen.
Romantische Ballettszenen zeigten den Verliebten mit seiner
Freundin, Breakdance-Darbietungen den jungen Tänzer im Kreis seiner ausgelassenen Freunde; aggressive Massenszenen standen für die Wut der Freunde nach Jonnys Tod, gefühlvoller Gesang für die Trauer der Hinterbliebenen.
Ältere Zuschauer mag die einstündige Show an die "West Side Story" erinnert haben. Auch Leonard Bernsteins Musical von 1957 handelte von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen mit Migrationshintergrund, von romantischer
Liebe und sinnlosem Mord, war spannungsgeladen zwischen gefühlvollem Gesang und ausdrucksstarkem Tanz. Die Berliner Tänzer und Sänger von "Team Recycled" präsentierten mit ihrer Erstaufführung von "I am Jonny" die jugendlich frische Neufassung eines alten Themas.
Sehr kultursensibel, wie sich das für linke Journalisten gehört. Alle Hinweise auf Herkunft der Täter so gut wie möglich versteckt. Das gibt ein Fleisssternchen