Der 31. Theaterring der Stadt Bad Kissingen bietet wieder ein breites Spektrum an Schauspiel, Oper und Ballett. Der Vorverkauf läuft bis 28. August.
Bunt und vielschichtig wie das wirkliche Leben ist der 31. Theaterring der Stadt Bad Kissingen im Kurtheater von Mozarts frecher Anti-Fürstenoper "Figaro" bis zu Max Frischs Parabel "Andorra" auf die Wirkung von Vorurteilen. Der Vorverkauf und das Abholen der Abos laufen bis 28. August im Alten Rathaus. Abonnenten mit Dauerauftrag müssen in diesem Jahr dem neuen Bankverfahren Rechnung tragen; ihnen wurden die Formulare zum Eintrag der IBAN-Nummern schon zugeschickt.
Bei der Programmgestaltung wurden eine Oper (die einzige, die es heutzutage noch im Kurtheater gibt), ein Ballettabend und acht Sprechtheaterstücke ausgewählt. Beim Ballettabend kommt in diesem Jahr das renommierte Dänische Nationalballett aus Kopenhagen mit einem Programm zu "Love Songs" unserer Tage. Die Oper ist dieses Mal aus dem klassischen deutschen Repertoire mit Mozarts "Figaro". Eine der beim Theaterring beliebtesten Truppen kommt wieder aus Berlin. Die Shakespeare Company spielt Shakespeares spätes Werk "Ein Wintermärchen", eine Auseinandersetzung mit den verheerenden Wirkungen der Eifersucht. Zwei moderne Klassiker bilden diesmal das Ende der Reihe, Carl Zuckmayers Nachkriegserfolg über Helden und Mitläufer, "Des Teufels General" und Max Frischs Erfolgsstück "Andorra". In die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts führt die Riesenproduktion aus München, "Der große Gatsby" nach dem wichtigsten amerikanischen Roman aus dieser Zeit von F. Scott Fitzgerald, auch dies ein Klassiker der Moderne. Auch die Produktion des Berliner Schlossparktheaters von Eric-Emmanuelle Schmitt "Einsteins Verrat" handelt von einer Hypothek des 20. Jahrhunderts, dem Bau der Atombombe und deren Bedrohungspotenzial für die Menschheit. Mathias Freihof und Volker Brandt werden in diesem Stück schon seit drei Jahren in Berlin gefeiert.
Auch das Berliner Renaissancetheater kommt wieder mit einem Gastspiel und wie im letzten Jahr mit einem der berühmten deutschen Gegenwarts-Schauspieler: Dominique Horwitz spielt die Rolle des Malers Mark Rothko, dessen Werke heutzutage für Riesensummen versteigert werden, der aber seit seiner Geburt in Lettland, aus dem seine Eltern aus Furcht vor den Judenpogromen im Zarenreich nach Amerika auswanderten, sehr lange kämpfen musste um Anerkennung und Ruhm.
Der österreichische Autor Felix Mitterer steuert in diesem Jahr eine sehr schlitzohrige Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben bei: "Krach im Hause Gott" zeigt die Heilige Familie zwischen Amtsmüdigkeit und feministischem Aufbegehren, wobei sich die Fernsehstars Bernhard Bettermann und Angela Roy in treffsicheren Dialogen des Tatort-Autors Mitterer so richtig zoffen können.
Der französische Beitrag zum Programm der Spielzeit 2015/2016, "Der Vorname" von Matthieu Delaporte & Alexandre de la Patellière, weist auch alle Merkmale der gut gemachten Zeitkomödie auf. Hier wirkt die Ankündigung eines jungen Vaters, seinen Sohn "Adolphe" nach dem Helden eines klassischen französischen Romans nennen zu wollen wie ein Urknall in einer Partygesellschaft, wobei der Streit über die politische Korrektheit einer solchen Namensgebung dazu führt, dass keiner der Partygäste wirklich ungeschoren davonkommt. Eine in Paris äußerst erfolgreiche Produktion über Heuchelei und die kleinen Lebenslügen unserer Tage.
Die durchwegs zum Denken anregenden, aber mit Vergnügen anzuschauenden Stücke sollen das Publikum wie gewohnt durch das ganze trübe Winterhalbjahr bis zum 4. Mai 2016 begleiten und spannende, bunte, mitreißende, zu Herzen gehende Geschichten, Stoff für Gespräche mit den Freunden bei einem gemütlichen Schoppen hinterher und Einblicke in fremde, vergangene und gegenwärtige Welten, Lebensentwürfe und Biografien bieten.
Das Programm Mittwoch, 30.9.2015: Wolfgang Amadeus Mozart, DIE HOCHZEIT DES FIGARO
Oper Theater Hof & Hofer Symphoniker
Es ist wieder einmal gelungen, eine Oper aus dem Theater Hof nach Bad Kissingen einzuladen, was seit Jahren Terminprobleme verhindert haben, da die Hofer ihre Opernpremieren erst im Sommer haben. Jetzt kommen sie mit ihrer Produktion vom Sommer 2014. So war es auch möglich, die Videomitschnitte der Proben zum "Figaro" im Vorfeld anzusehen. Sie zeigen, dass diese Inszenierung von Mozarts frechem Meisterstück unter der Regie von François de Carpentries und der musikalischen Leitung des Hofer Musikdirektors Arn Goerke zu einem höchst vergnüglichen Mozartabend ohne Firlefanz, aber mit ansprechenden Kostümen und mit viel Spiellust auftretenden Sängern geworden ist. Schon Mozarts Librettist Da Ponte hat sich ja eines in Adelskreisen verpönten, weil aufmüpfigen Stoffes von Pierre Augustin Caron de Beaumarchais bedient und lässt den Grafen Almaviva alt aussehen. In seiner ersten Arie fordert er den Grafen auf, "den Tanz mit ihm" zu "wagen", und setzt alles daran, den Landesherren davon abzubringen, bei seiner Verlobten Susanna das Jus primae noctis durchzusetzen, ein altes Vorrecht der Herrschenden, mit einer zu Vermählenden zu schlafen, bevor der Ehemann drankam. Aber nicht allein darum geht es, vielmehr, ist diese Mozartoper gleichermaßen klar strukturiert wie vielschichtig: Denn es geht auch um eine Hochzeit, die Figaro von einer ältlichen Verehrerin aufgezwungen werden soll, ein Elternpaar, das gefunden wird, eine Gräfin, der unter der Vernachlässigung ihres Mannes leidet, einen pubertären Jugendlichen, der sich in eine ältere Frau verliebt hat und zur Strafe zum Militär geschickt wird. Und all dies war für Mozart Stoff für großartige Arien wie das "Voi, che sapete" des jungen Liebenden oder das Spottlied des Grafen auf den so unkriegerischen Jüngling, den er ins Feld schickt. Und am Ende arbeiten Gräfin und die beiden bürgerlichen Liebenden einen raffinierten Plan aus, wie man den liebestollen Grafen so richtig hereinlegen kann. Und um dem Ganzen noch etwas draufzusetzen, macht auch Susanna ihren Figaro noch einmal richtig eifersüchtig, so dass am Ende sowohl er als auch der von dem Komplott gedemütigte Graf glücklich beziehungsweise reumütig die jeweilige Partnerin in die Arme schließen. Es ist viel los in dieser Oper, sie ist bis in die Kompositionen hinein witzig, voller Action und mit Ohrwurmarien gespickt. Ein mozartisch beschwingter fröhlicher Auftakt für den neuen Theaterring.
Donnerstag, 15.10.2015: William Shakespeare, EIN WINTERMÄRCHEN
Shakespeare Company Berlin
Lange Jahre gehörten die jungen Mimen aus Berlin als fester Bestandteil zu den Programmen des Theaterrings. In der letzten Spielzeit zogen sie in ihr neues festes Domizil um und hatten kein Stück, das wir nicht schon nach Bad Kissingen geholt hatten, sei es im Theaterring, sei es im Theaterfestival "Sommerlust" in der Unteren Saline. Jetzt kommen die phantasievollen Schauspieler, Musiker, Sänger mit einer Neuinszenierung von William Shakespeares spätem Stück "Ein Wintermärchen", das alle Elemente eines Märchens, einer Komödie, einer tragischen Liebesgeschichte vereint. Sie nennen es denn auch "Komödiantische Romanze mit Musik".
Leontes, König von Sizilien, verdächtigt seine schwangere Frau Hermione der Untreue mit seinem Freund Polixenes. Er lässt sie ins Gefängnis werfen und erteilt den Auftrag, den vermeintlichen Ehebrecher zu töten. Doch der beauftragte Mörder weiht sein Opfer ein und flieht mit ihm. Im Gefängnis bringt die Königin unterdessen eine Tochter zur Welt, die Leontes jedoch nicht als sein Kind anerkennt. Auf seinen Befehl wird das Mädchen in der Wildnis ausgesetzt. Hermione stellt er vor Gericht und verurteilt sie zum Tode. Hermione bricht zusammen und wird für tot erklärt. Hermiones Tochter, von Schäfern vor dem sicheren Tod gerettet und großgezogen, wächst weit weg von Sizilien heran als Perdita, Tochter des Schäfers. Sie verliebt sich in Polixenes' Sohn, der diese nicht standesgemäße Liebe vor dem Vater geheim hält und, aus Angst vor Entdeckung, mit Perdita nach Sizilien flieht, wo sich der Kreis schließt und alles aufklärt. In seinem versöhnlichen und gehaltvollen Spätwerk variiert Shakespeare auf beeindruckende Weise gleich mehrere seiner großen Themen, Rivalität und Eifersucht, Tatkraft und Intrige, junge Liebe und späte Erkenntnis zu einer bewegenden Familiengeschichte über Verblendung, Verirrung und Versöhnung.
Die märchenhaften Elemente setzt die Inszenierung mit lebensnahen Puppen um, die von den Schauspielern gespielt und gesprochen werden, während die dramatischen Szenen uns als höchst emotionales Kammerspiel vor Augen führen, dass Eifersucht und Machtmissbrauch zeitlose Phänomene sind. Das wandelbare, raffiniert eingesetzte Bühnenbild lädt das Publikum zur Fantasiereise und zum Eintauchen in verschiedene Welten ein, die Shakespeare auch hier wieder kunstvoll miteinander verwoben hat: Die Königreiche Sizilien und Böhmen, die sich trotz jahrelanger Freundschaft ihrer Potentaten plötzlich zerstreiten, kann man unschwer als Symbole sehen für die gefährliche Lage in unserer unmittelbaren Gegenwart, den Unfrieden, der entstehen kann, wenn zwei Machthaber sich entzweien und ihre Untergebenen zwingen wollen, ihren Hass zu teilen.
Mit vier Schauspielern, Puppenspiel und Live-Musik wird das WINTERMÄRCHEN zu einer feinen, psychologisch genauen und dennoch in den theatralischen Mitteln spektakulären Inszenierung.
Der Künstlerische Leiter der Berliner, Christian Leonard, hat das Stück wieder übersetzt und für die vier Mitspieler und ihre Puppen eingerichtet. Katharina Kwaschik (Hermione, Perdita, Archidamus), Johanna-Julia Spitzer (Paulina, Camillo, Hansdampf), Nico Selbach (Leontes, Schäfer, Autolycus) und Thilo Herrmann (Polixenes, Florisel, Antigonus) wechseln zum Vergnügen des Publikums blitzschnell ihre Rollen, spielen ihre Musikinstrumente und singen. Man kann sich wieder auf eine der ästhetisch dichten und intellektuell ansprechenden Aufführungen freuen, wie sie seit Jahren Markenzeichen der Berliner sind.
Donnerstag, 12.11.2015: BALLETT: LOVE SONGS
Dänisches Nationalballett Kopenhagen
Natürlich geht es im Ballett wie in den meisten Werken der Literatur und Dramatik fast immer und zuvörderst um die Liebe. Besonders zu deren sinnlicher Darstellung ist natürlich der Tanz geeignet, mit seinen Ausdrucksformen ganz unmittelbarer körperlicher Nähe, mit seiner Nutzbarmachung des gesamten Körpers zur Gestaltung aller Facetten der Gefühle. Tanz erlaubt immer auch einen gewissen Voyeurismus - wer's nicht glaubt, schaue sich die schon seit ehedem doch recht dürftige Bekleidung der Tänzer an. Woher sonst die vielen Pas-de-deux, auf die schon die Besucher des klassischen Balletts des 19. Jahrhunderts inmitten all der Tutu-Seligkeit hinfieberten und die auch im 21. noch immer die Höhepunkte eines Ballettabends bilden. "Love Songs" heißt ein ganzer Tanzabend, mit dem das berühmte Ensemble des Danish Dance Theatre Copenhagen beim Theaterring zu Gast sein wird. Der britische Tänzer und Choreograph Tim Rushton hat diesen Abend zusammengestellt, der ein "intimes Portrait der Liebe in einem jazzigen Universum" zum Thema hat und seit seiner Premiere im Königlichen Theater Kopenhagen "weltweit Publikum und Kritiker begeistert". Der 1963 in Birmingham geborene Rushton wurde an der Royal Ballet School am Londoner Covent Garden ausgebildet und hat im Sadlers Wells Royal Ballet getanzt, bevor er ein Engagement an der Deutschen Oper am Rhein antrat. Seit seinem Engagement 1986 ans Königliche Ballett im Theater Malmö arbeitet er in Dänemark und gilt heute als der wichtigste Choreograph in seiner Wahlheimat. 2011 wurde er in seinem Heimatland Großbritannien mit dem königlichen Orden "Member of the Order of the British Empire" für seine Verdienste um den Tanz geehrt. Seine Kompanie ist die größte Formation für modernen Tanz in Dänemark. Beim Love-Song-Abend tanzt die Compagnie zu klassischem Jazz von Ella Fitzgerald, Louis Armstrong, Billie Holiday und Sarah Lois Vaughan, für die Aufführung neu interpretiert von Caroline Henderson und ihrer Jazz-Band.
Donnerstag, 3.12.2015: Felix Mitterer, KRACH IM HAUSE GOTT
Theatergastspiele Kempf, Grünwald
Eigentlich erinnert dieses Stück an das Skandaldrama des einzigen Kissinger Autors mit mehr als regionalem Bekanntheitsgrad. Denn in Oskar Panizzas "Liebeskonzil" aus dem Jahr 1894, das seinem Autor ein Jahr Haft wegen Blasphemie eintrug, geht es auch um einen Blick ins "Haus Gott". Wie auch in Goethes "Faust", auf den sich Panizza ja explizit bezog. Felix Mitterer muss wegen seiner "himmlischen Komödie" wohl nicht einsitzen. Der 1948 in Tirol geborene Felix Mitterer wollte zunächst Lehrer werden und wurde dann Zollbeamter, doch schon 1970 setzte sich der Schriftsteller und Dramatiker in ihm durch. In Deutschland bekannt wurde er 1991 mit "Die Piefke-Saga, Komödie einer vergeblichen Zuneigung - Realsatire", mit der er das schwierige Verhältnis zwischen Österreichern und Deutschen aufs Korn nahm. Er ist ein Stückeschreiber, der die Welt, die Dinge, die Geschehnisse, das Wissen und den Glauben seiner Mitmenschen abklopft auf dramatische Konflikte, spannende Geschichten und die Komik, die für den Sehenden in den Handlungen von Personen steckt. Nicht von ungefähr ist er einer der wichtigsten Dramatiker Österreichs und Verfasser der österreichischen Tatort-Krimis.
Fünf himmlische Personen, Gott, Satan, Muttergottes, Sohn und Geist sprechen, werden von Gott Vater, einem ausgebrannten, genervten Konzernchef, zu seinem Plan gehört, seine Schöpfung zu vernichten, weil er ihrer überdrüssig geworden ist. Satan und der Sohn reden auf ihn ein, dass der Mensch als Ebenbild Gottes wohl kaum für sein Wesen verantwortlich gemacht werden kann. Mit der Ankunft der Muttergottes ändert sich alles in diesem festgefahrenen Streit. Regisseur Nikolaus Büchel, der dieses "komödiantische Mysterium" für die Münchner Theatergastspiele Kempf inszeniert hat, meint zu Mitterers Drama: "Was ist das nur für ein Stück? Fünf Personen - und alles drinnen. Gott und die Welt, sozusagen. Mann und Frau sowieso...Es gibt ausreichend zu lachen. Und wie es sich für das Theater gehört, bleibt einem das Lachen manchmal im Halse stecken. Lachen im Theater ist ja ein Erkenntnismoment: Man erkennt etwas wieder. Eine Situation. Ein Verhalten. Einen Typus Mensch. Im besten Fall erkennt man etwas über sich selbst.... Religionskritik? Wohl kaum. ... Da ist Felix Mitterer aus einem anderen Holz geschnitzt. Er will den Dingen auf den Grund gehen. Eine neue Lesart der Bibel? Vielleicht eher die alte. ..." Man darf gespannt sein, wie Mitterer sich mit komödiantischen Mitteln dem Stoff von Goethe und Panizza nähert. Vergnüglich wird es wohl allemal bei diesem ausgefuchsten Autor. Wie im "Faust" hat die dankbarste Rolle auch hier der Satan, den Bernhard Bettermann, ausgewiesener Bühnenschauspieler und TV-Star, spielt. Auch Angela Roy, die die Muttergottes spielt, ist aus unzähligen namhaften TV-Serien, Fernseh- und Kinofilmen bekannt. Jörg Reimers spielt hier Gott und ist ebenfalls ein namhafter Bühnen- und TV-Schauspieler und Regisseur. Man darf gespannt sein auf einen der wenigen österreichischen Beiträge, die wir bisher beim Theaterring hatten.
Dienstag, 15.12.2015: Gerold Theobald nach dem Roman von F. Scott Fitzgerald,
DER GROSSE GATSBY
Theatergastspiele Kempf, Grünwald
Immer wieder wählen sich die Regisseure des beginnenden 21. Jahrhunderts Sujets aus den großen Romanen des frühen 20. Jahrhunderts. Einer der berühmtesten aus dem angelsächsischen Bereich über die Zeit zwischen dem 1. und dem 2. Weltkrieg, als Menschen unendlich reich werden konnten und die Gesellschaft sich eine unglaubliche Dekadenz leistete angesichts der Armut der Masse der Bevölkerung schrieb der 1896 in Minnesota geborene F. Scott Fitzgerald, dessen Romane "Tender is the Night" und vor allem "The Great Gatsby" ihn in der Einschätzung der heutigen Literaturgeschichte zu den wesentlichen US-amerikanischen Autoren des 20. Jahrhunderts zählen lassen. 1925 schrieb Fitzgerald dieses Meisterwerk der "Roaring Twenties" über das "Scheitern des amerikanischen Traums von Glück und Erfolg an Materialismus und Verantwortungslosigkeit" (Kindler). Wie Gatsby wurden auch Fitzgerald und seine Frau Zelda schlagartig berühmt; sie wurden als typische Vertreter ihrer Generation wahrgenommen, führten das exzessive Leben, das Fitzgerald in seinem Roman beschreibt, gerieten durch Alkoholexzesse und die psychische Krankheit von Zelda aber schon in den 30er Jahren in Vergessenheit. Es kommt sicher nicht von ungefähr, dass sich gerade unsere Zeit wieder sehr interessiert für das Leben dieser Superreichen der 20er, wie auch die aufwendige Verfilmung von 2013 mit Leonardo DiCaprio als Gatsby zeigt. Gerold Theobald hat eine Schauspielfassung erstellt, deren Inszenierung für die Tournee die Münchner Theatergastspiele Kempf ihrer mit vielen Theaterpreisen ausgezeichneten Starregisseurin Silvia Armbruster anvertraut hat. Frau Armbruster versucht mit ihrer Ausstatterin Claudia Weinhart die Zeit der so genannten "Goldenen Zwanziger" auf die Bühne zu bringen, die mondäne Gesellschaft auf Long Island, blasiert, genusssüchtig, vergnügungsgeil. Zu diesem Zweck schlüpfen die sieben Akteure auch immer wieder in Rollen der Entertainer, die diese Zeit ja auch in Deutschland zu einem wilden Bühnentaumel vor dem Abgrund werden ließen: Slapstick und Jazztrio aus der damaligen Zeit und ganz heutige Arbeit mit Videohintergründen liefern ein vielschichtiges Ambiente für die Geschichte des unvorstellbar reichen Gatsby, der sich einst als mittelloser James Gatz aus dem Mittleren Westen aufmachte, ein reicher Mann zu werden. Das gelingt ihm, doch verliert er während seines Militärdienstes seine geliebte Daisy an den recht hohlköpfigen Sportlerstar Tom Buchanan. Er baut neben den Buchanans ein imposantes Haus, feiert Riesenpartys und trifft Daisy mithilfe ihres Cousins Nick Carraway wieder. Wie in der Tragödie bringen die verschiedenen Liebes- und Eifersuchtsbeziehungen das tragische Ende sehr schnell über die Freunde, da Daisy die Geliebte ihres Mannes aus Versehen tötet und dieser eifersüchtige Rache an ihrem Geliebten Gatsby nimmt. Das Ensemble ist hochkarätig mit bekannten Schauspielern besetzt: Thorsten Nindel, Ursula Buschhorn, Nicole Lohfink, Hans Piesbergen, Hendrik Winkler, Stephanie Marin und Andreas spielen die sieben Hauptpersonen und schlüpfen auch immer wieder in kleinere Rollen.
Sonntag, 17.1.2016: John Logan, ROT
Renaissance-Theater Berlin, EURO-Studio Landgraf Titisee
Den 1961 in Kalifornien geborenen Dramatiker und Drehbuchautor erkennt man erst auf den zweiten Blick als Berühmten in seiner Branche. Er schrieb die Drehbücher zu "Gladiator" und "Aviator", die beide für den Oscar nominiert waren, zu "Hugo Cabret" und den 23. James-Bond-Film "Skyfall". Ähnlich ist es vielleicht mit dem Helden seines Dramas über den amerikanischen Maler John Rothko. Doch selbst Zeitgenossen, die sich für die Kunst des 20. Jahrhunderts wenig bis gar nicht interessieren, wurden in den letzten Jahren auf Rothko aufmerksam, denn seine Gemälde erringen bei Auktionen die höchsten Preise, die Sammler für Gegenwartskunst zu zahlen bereit sind. Seine Gemälde sind in jeder Galerie auf den ersten Blick erkennbar, meist zeigen sie drei Querbalken von Farben, die trotz ihrer Einfachheit eine große Sogkraft ausüben, die stimmig und perfekt sind und deshalb die Frage hervorrufen, was denn das Geniale an ihnen ist. John Logan nannte seinen mit vielen Preisen bedachten spektakulären Theater-Erfolg einfach "ROT". Die Theatre Review New York bedachte die Broadway-Premiere 2010 mit höchstem Lob: "ROT ist ein äußerst intelligentes Stück mit den anregendsten 90 Minuten, die man am Broadway seit Jahren erlebt hat. ROT besitzt eine Zeitlosigkeit, die jeder, der gutes Theater liebt, zu schätzen weiß." Sechs Tony Awards räumte ROT ab; und auch die Erstaufführungsinszenierung des Berliner Renaissancetheaters 2011 wurde als "gelungene Stückentdeckung und Inszenierung" und "sensationeller Theaterabend" gelobt. Nach "Der letzte Vorhang", das die Besucher des Theaterrings in der letzten Spielzeit begeisterte, kommt nun eine weitere Produktion des Renaissancetheaters Berlin ins Kurtheater. Auch "ROT" ist ein Zwei-Personenstück und wird vom "Kulturradio" als "gut gebaut, ebenso witzig wie hintergründig, unterhaltsam und zugleich intellektuell anspruchsvoll" beschrieben, als ein "Stück, das Regisseure, Schauspieler und Publikum gleichermaßen lieben." Zum Riesenerfolg in Berlin und auf Tournee trägt natürlich auch die denkbar prominenteste Besetzung der Rolle des ebenso exzentrisch genialen wie selbstherrlichen wie herrischen wie sensiblen Mark Rothko mit Dominique Horwitz bei, der all diese Eigenschaften bravourös verkörpern kann.
Montag, 1.2.2016: Matthieu Delaporte & Alexandre de la Patellière, DER VORNAME
EURO-Studio Landgraf, Titisee
Frankreich ist in den letzten Jahren immer wieder für einen Theaterhit gut; auch dieses Stück gehört in diese Kategorie. Das einstmals fast rein angelsächsische Terrain der intelligenten Salon-Komödie über Probleme und Problemchen im gegenwärtigen menschlichen Zusammenleben ist französisch geworden. Die beiden 1971 geborenen Autoren hatten beide schon eine beachtliche Solokarriere hinter sich, bevor sie als Drehbuchautoren ein zugkräftiges Film- und TV-Team wurden. Mit ihrem Debütstück "Der Vorname" haben sie den größten Presse- und Publikumserfolg der Pariser Spielzeit 2010/2011 gelandet. Ausgangspunkt der Bühnenexplosion ist ein gemütlicher Abend bei Literaturprofessor Pierre und seiner Frau Elisabeth, zum dem sie ihren besten Freund Claude und Elisabeths Bruder Vincent mit seiner schwangeren Partnerin Anna eingeladen haben. Vincent erzählt, dass der Name des erwarteten Kindes schon feststeht, es soll nach dem Titelhelden des berühmten klassischen Romans aus dem 18. Jahrhundert "Adolphe" heißen. Dass der - eigentlich unverfänglich - von seinem Autor Benjamin Constant schon 1816 veröffentlicht wurde und mit dem nachmaligen berüchtigten "Adolf" also nichts zu tun haben kann, tut für die Tischrunde nichts zur Sache. Sie reagieren schockiert, empört, stellen immer wieder die Frage, ob man sein Kind so nennen darf. Das "in der Tradition der französischen Gesellschaftskomödie geschriebene Desaster-Dinner" versucht auszuloten, wie leicht das in einer Menschengruppe schlummernde Konfliktpotenzial dazu führen kann, dass die gesamte Situation eskaliert. Es spielen Anne Weinknecht, Christian Kaiser, Benjamin Kernen, Martin Lindow und Julia Hansen.
Freitag, 26.2.2016: Carl Zuckmayer, DES TEUFELS GENERAL
EURO-Studio Landgraf, Titisee
Mit einer fast unvorstellbaren Wucht traf das von Carl Zuckmayer im amerikanischen Exil geschriebene Stück bei seiner Uraufführung 1946, 60 Jahre vor diesem Gastspiel beim Theaterring, in Zürich auf das europäische Publikum. Nach der Aufführung am Hamburger Schauspielhaus 1947 avancierte das Drama zum erfolgreichsten Stück der direkten Nachkriegszeit. Den direkten Anlass zum Schreiben gab die in Amerika erhaltene Nachricht vom Tod des Fliegers seines Freundes Ernst Udet, des Generalluftzeugmeisters der deutschen Luftwaffe. Da er von dessen kritischer Haltung gegenüber Nazi-Deutschland wusste und Udet es gewesen war, der Zuckmayer dringend geraten hatte, Deutschland so schnell wie möglich zu verlassen, wollte er dem Freund in der Gestalt seines General Harras ein Denkmal setzen. Zuckmayer behandelte die gerade vergangene Zeit, die Handlung beginnt 1941 und führt in die Führungsebene der Wehrmacht. Die deutschen Nachkriegszuschauer bejubelten bei der Uraufführung den Mitläufer, der zur Einsicht und dadurch Läuterung gelangt, spätere Betrachter warfen Zuckmayer Verharmlosung vor. Harras nimmt sich viel heraus bei seiner Kritik der Machthaber; sein Mittun rechtfertigt er mit seiner Sucht nach dem Fliegen. Als er die Sabotageakte, denen schon einige Flieger zum Opfer fielen, aufzuklären versucht, muss er plötzlich Farbe bekennen, da der Saboteur sich als sein bester Freund herausstellt. Er löst sein persönliches Dilemma mit dem Freitod, nachdem er vorher die Schuld auf sich genommen und den Freund gerettet hat. Autor Zuckmayer warf man vor, dass er die Nazizeit nur als Staffage benutzte, um eine Heldengeschichte zu erzählen. Er selbst fürchtete, das Stück könne zur "Entschuldigung eines gewissen Mitmachertypus" benutzt werden und fertigte 1966 unter dem Eindruck des Auswitz-Prozesses eine neue Fassung an. Zwei Generationen nach dem 2. Weltkrieg ist es sicherlich interessant, diesen Einblick aus größerer historischer Nähe als jetzt noch möglich ist, noch einmal zu tun. Für das EURO-Studio Landgraf hatte Regisseur Klaus Kusenberg 14 zum Teil sehr namhafte Schauspieler für seine Inszenierung zur Verfügung; ein überaus eindrucksvolles Bühnenbild schuf der "Bühnenbildner des Jahres 2014", Günter Helweg.
Mittwoch, 27.4.2016: Eric-Emmanuelle Schmitt, EINSTEINS VERRAT
Schlossparktheater Berlin
"Ich habe einen schweren Fehler in meinem Leben gemacht - als ich den Brief an Präsident Roosevelt mit der Empfehlung zum Bau von Atombomben unterzeichnete; aber es gab eine gewisse Rechtfertigung dafür - die Gefahr, dass die Deutschen welche bauen würden." So lautet das Zitat Albert Einsteins zu seinem Beitrag zum Bau der ersten Atombombe. Und es zeigt das Dilemma einer ganzen Reihe von Physikern, die im 20. Jahrhundert glaubten, mit der Atombombe die Weltprobleme lösen zu können. Die bleiben ungelöst, dennoch hatten die Atombomben der beiden Supermächte den Effekt, dass zumindest Mitteleuropa zurzeit immer noch die längste Friedensphase seit langer Zeit durchlebt. Und zwar aufgrund dessen, was für Einstein der Effekt der amerikanischen Atombombe sein sollte: Abschreckung. Der 1960 geborene elsässisch-französisch-belgische Autor Éric-Emmanuel Schmitt, promovierter Philosoph und zum Christentum konvertierter Atheist, schrieb seit 1991 für das Theater. Schon für sein zweites Stück "Le Visiteur" über Sigmund Freud erhielt er 1993 den Prix Molière. (Es war beim Theaterring zu Gast und auch hier sehr erfolgreich.) Immer wieder beschäftigt sich Schmitt mit großen Denkern und ihren Konflikten mit dem realen Leben, mit den Weltreligionen wie etwa in "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran", 1999, das auch schon im Kurtheater zu sehen war. Schmitt schafft es immer wieder, große, dem Alltag entrückt scheinende Menschen in raffiniert gebauten Situationen agieren, diskutieren zu lassen und so seinem Publikum einen Einblick in deren Denken zu verschaffen, ihm aber diese auch als Menschen näherzubringen. Wieder bringt Schmitt drei Männer am See in Princeton/ New Jersey, wo Einstein wohnte, zusammen und entwickelt aus dieser ungewöhnlichen Konstellation sein Stück: ein Vagabund, der seinen Sohn im Krieg verloren hat und deswegen die Deutschen hasst; Einstein, der weltberühmte Wissenschaftler, ein Deutscher, der vor den Nazis in die USA geflohen ist; und Simpson, ein Agent des FBI, der in diesem Deutschen roten Verrat wittert, sein Judentum für eine Tarnung des Bolschewismus hält und den Vagabunden erpresst, Einstein zu bespitzeln. Die Uraufführungsinszenierung von "Einsteins Verrat" war ein großer Publikumserfolg im Berliner Schlossparktheate. Paul Becker führte Regie und konnte für die Rolle des Einstein mit Matthias Freihof arbeiten, dem Allrounder, der sowohl an Deutschlands großen Sprechtheatern als auch im Revuesektor am Berliner Friedrichstadtpalast als auch im Fernsehen von SOKO bis Tatort zu sehen war. Den Vagabunden, durch den die Handlung ins Rollen kommt, da er Einstein am Beispiel seines im 1. Weltkrieg gefallenen Sohnes ins Gespräch zieht, spielt der beim Theaterring seit Jahrzehnten bestens bekannte Volker Brandt.
Mittwoch, 4.5.2016: Max Frisch, ANDORRA
Fränkisches Theater Schloss Maßbach
Wie fühlt es sich an, wenn man in so einer ganz normal erscheinenden Gemeinde aufwächst, unter braven Bürgersleuten, die in die Kirche und zur Prozession gehen, und man ist anders als sie? Oder glaubt anders zu sein, weil sie einem das eingeredet haben? Max Frisch unternahm es 15 Jahre nach dem Ende der Nazi-Herrschaft in Deutschland auf dem kleinen Raum einer Bühne eine Gemeinde zu zeigen, in der ablief, was hätte passieren können, wenn die schweizer Grenzen nicht gehalten hätten. Als großartiger Sprach- und Theaterkünstler hat er die Geschichte des angeblichen Juden Andri in knapper, eindringlicher Form gefasst, hat ein Geflecht von Feigheit, Lüge und Verrat geschaffen, das sich auch lange nach Ende des Nazi-Regimes immer noch als Parabel auf geltende Umstände lesen lässt. Andri ist der uneheliche Sohn des respektablen Lehrers von Andorra. Da der nicht zur Wahrheit stehen will, gibt er ihn als ein Judenkind aus, das er im Krieg mit Andorras Feinden gerettet hat. Dadurch wird er zum Helden und Andri zum Außenseiter, der sich so sehr mit seiner Rolle identifiziert, dass er jüdische Charaktereigenschaften an sich zu entdecken vermeint. Sandra Lava, langjähriges Mitglied des Ensembles des Fränkischen Theaters Schloss Maßbach und ausgewiesene Spezialistin für den sensiblen, aber hellsichtigen Umgang mit heiklen zwischenmenschlichen Problemen, führt Regie bei dieser Aufführung, die den 31. Theaterring beschließt.