Gegen zwei ehemalige Mitarbeiter des Diakonievereins Bad Brückenau fiel am Donnerstag das Urteil. Ein Großteil der Betrugsvorwürfe wurde eingestellt.
Der zweite Verhandlungstag stand ganz im Zeichen der Zeugenbefragung. Zwei frühere Mitarbeiter des Diakonievereins Bad Brückenau und Eckarts sagten aus. Angeklagt sind die ehemalige Pflegedienstleiterin und der damalige kaufmännische Angestellte. Die Staatsanwaltschaft Schweinfurt wirft ihnen gemeinschaftlich begangenen und gewerbsmäßigen Betrug in 319 Fällen vor. Sie sollen in den Jahren 2011 und 2012 Leistungen abgerechnet haben, die jedoch nicht erbracht worden seien.
Das Gericht bewegt sich in einem Spannungsfeld: Fünf bis sechs Jahre später nachzuvollziehen, wie der Pflegealltag aussah und welche Leistungen tatsächlich erbracht worden sind - und das mit den vorliegenden Leistungsnachweisen abzugleichen - gestaltet sich als reine Sisyphusarbeit. Der Richter fragt die Zeugen im Detail zu einzelnen Klienten, die damals betreut worden sind. Sind Kompressionsstrümpfe angezogen worden, und wenn ja wie oft? Waren Fahrten zum Friedhof geplant oder wurden sie spontan auf Wunsch der Betreuten organisiert? Wie wurde abgerechnet? Das Gericht muss am Ende über die Deutung entschieden: Haben die beiden Angeklagten aus purer Überforderung einfach großzügig Leistungen abgerechnet oder steckte System dahinter? Immerhin, als Schadenssumme stehen rund 115.580 Euro im Raum.
Langwierige Befragung
Die erste Zeugin arbeitet bis heute bei dem Pflegedienst, bei dem die Angeklagten ebenfalls aktuell beschäftigt sind. Die Zeugin kann sich nur bruchstückhaft erinnern. Manche Patienten betreut sie auch bei ihrem neuen Arbeitgeber, das macht es schwierig, sich an den Pflegebedarf in den Jahren 2011 und 2012 genau zu erinnern. Zweimal ist sie von der Polizei vernommen worden - im Frühling 2013 und ein Jahr später erneut. Die Befragung habe sie in schlechter Erinnerung behalten, sagt die Zeugin. Die Beamten hätten sie angeschrien und ihr immer wieder dieselben Fragen gestellt. "Haben Sie sich unter Druck gesetzt gefühlt", fragt einer der beiden Verteidiger. "Ja", antwortet sie schlicht.
Auch die zweite Zeugin tut sich schwer. Beide Frauen haben handschriftlich Notizbücher geführt, in denen sie Klienten und Arbeitszeiten festhielten. Die Bücher seien zu Ermittlungszwecken eingesammelt worden, sie liegen dem Gericht aber nicht vor. Das kritisiert die Verteidigung mehrfach. Es sei gängige Praxis gewesen, schildert die zweite Zeugin, dass vergessene Unterschriften auf den Leistungsnachweisen nachgetragen worden seien. Sie habe sich dann in ihrem Buch vergewissert, ob sie tatsächlich bei den Patienten war, und dann ihr Kürzel gesetzt. Dass auch die Pflegedienstleiterin oder der Verwalter Leistungen abzeichneten, wie beide am Prozessauftakt bereits zugaben, bestätigte sich. "Die Handzeichen [Kürzel; Anm. d. Red.] sind teilweise nicht von mir", stellt die zweite Zeugin fest, als der Richter ihr stichprobenartig Dokumente vorlegt.
Beweisführung nicht machbar
Im weiteren Verlauf der Verhandlung wird klar, dass es schier unmöglich ist, jeden einzelnen Fall aufzuklären. "Die Nachweiserbringung ist schlichtweg schwierig", gesteht der Staatsanwalt ein. Der Vorsitzende Richter bemerkt, dass die Berechnung der Schadenshöhe, von der in der Anklage die Rede ist, Unregelmäßigkeiten aufweise, so dass er insgesamt von einer deutlich geringeren Summe ausgeht. Die Verteidigung spricht sich für eine Verkürzung des Verfahrens aus. Ein Großteil der Anklage wird also fallengelassen. Von 319 Fällen mutmaßlichen Betrugs bleiben 35 übrig. Die Schadenssumme reduziert sich dadurch von 115.850 Euro auf mindestens 7300 Euro. Der Staatsanwalt hält nicht mehr am ursprünglichen Vorwurf des gewerbsmäßigen Betrugs fest, da die Angeklagten offensichtlich nicht in die eigene Tasche gewirtschaftet hatten. Er fordert Geldstrafen - 150 Tagessätze á 20 Euro für den ehemaligen kaufmännischen Angestellten und 120 Tagessätze á 50 Euro für die Pflegedienstleiterin.
Der Verteidiger des Angeklagten schließt sich im Wesentlichen der Staatsanwaltschaft an. Sein Kollege jedoch, der die Angeklagte vertritt, hält maximal 90 Tagessätze für angemessen. Er argumentiert damit, dass seine Mandantin nicht Mittäterin sondern lediglich Gehilfin gewesen sei und spricht von einem "unglücklichen Zusammentreffen" der Ereignisse. Nach der bereits juristisch geklärten Veruntreuung von 73.000 Euro durch den langjährigen Vorsitzenden des Diakonievereins Bad Brückenau und Eckarts habe dessen Nachfolger "hyperempfindlich" auf weitere Unregelmäßigkeiten in der Buchführung reagiert.
Versäumnisse beim Verein
Nach kurzer Beratung entscheidet das Gericht wie folgt: Der Angeklagte muss 140 Tagessätze á 20 Euro zahlen, auf die Angeklagte kommen 90 Tagessätze á 50 Euro zu. Beide tragen die Kosten des Verfahrens - mit Ausnahme der Fälle, die das Gericht nicht mehr berücksichtigt hat. "Es ist kein Fall, den man in die Kategorie Pflegemafia stecken kann", sagt der Vorsitzende Richter abschließend. Zu Gunsten der Angeklagten führt er an, dass die Software Verfehlungen Vorschub geleistet habe, indem Leistungen von vornherein belegt worden seien. Mit Blick auf den Verein stellt er fest, dass die "Kontrolldichte" durch den Vorstand "nicht so hoch" gewesen sei. Das Urteil ist noch nichts rechtskräftig. Die Verteidiger wollen aber auf weitere Rechtsmittel verzichten.