Ungebremste Musizierlust

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Sie vereinten Expressivität mit dem Spaß am Musizieren (von links): Alban Gerhardt, Nils Mönkemeyer, Baiba Skride, Gergana Gergova und Brett Dean, der auch als Komponist zu erleben war. Foto: Ahnert
Sie vereinten Expressivität mit dem Spaß am Musizieren (von links): Alban Gerhardt, Nils Mönkemeyer, Baiba Skride, Gergana Gergova und Brett Dean, der auch als Komponist zu erleben war. Foto: Ahnert

Baiba Skride, Gergana Gergova, Nils Mönkemeyer, Brett Dean und Alban Gerhardt spielten Streichquintette.

Man durfte auf das Konzert im Rossini-Saal gespannt sein. "Streichquintette" war es nüchtern überschrieben, und das ist eine Gattung, die nicht allzu oft im kammermusikalischen Konzertbetrieb zu finden ist. Es gibt nicht allzuviel Literatur, und deshalb hat es sich auch nie gelohnt, feste Quintett-ensembles zu etablieren. Meistens spielten in solchen Fällen Streichquartette, denen eine Viola oder, seltener, ein zweites Violoncello begegeben wird.
Und deshalb war das Konzert im Rossini-Saal hochinteressant, weil es da anders war. Es musizierte kein eingespieltes Quartett mit Verstärkung, das seine eigene Routine entwickelt hat, sondern fünf Musiker, die alle freischaffend tätig sind: Baiba Skride und Gergana Gergova (Violine), Nils Mönkemeyer und Brett Dean (Viola) und Alban Gerhardt (Violoncello ) kennen sich natürlich alle seit vielen Jahren, aber sie haben noch nie zusammen als Quintett musiziert. Und das ist bei Musikern ihres Kalibers kein Nachteil, sondern ein großer Vorteil: Sie sind gezwungen, sehr genau aufeinander zu hören, spontan zu reagieren, schon ein bisschen vorauszuahnen, was die anderen machen, denn nicht alles ist, auch wenn man das glauben möchte, bis ins letzte Detail abgesprochen, sondern dem Augenblick überlassen.

Viel Freiraum für Spontanes

Das Schöne ist, dass sich die Musiker dabei auch selbst überraschen können, dass sie nie auf den anderen warten, sondern genussvoll provozieren und die Musik so auf ein Niveau treiben, wie es festgefügte Ensembles mit festgefügtem Spielverhalten wesentlich schwerer erreichen. Das Publikum ließ sich von dieser geradezu ungestümen Musizierlaune gerne anstecken.
Schon Wolfgang Amadeus Mozarts Streichquintett Es-dur KV 614 machte deutlich, dass der Abend nicht beschaulich, sondern spannend werden würde. Baiba Skride, die bei diesem Stück die 1. Violine spielt, machte von Anfang an Druck, den ihre Kollegen mit Gegendruck beantworteten. So entweickelte sich eine auseinandersetzung mit enormem Vortrieb, der nie seine virtuose Leichtigkeit verlor, aber ungemein komplex und mitreißend war und sich in der Coda gleichsam festfraß. Da wirkten die galanten Verbeugungen des zweiten Satzes, mit denen die fünf Streicher durchaus auch ein bisschen ironisch aufeinander zuspielten, in ihrer Durchsichtigkeit umso stärker. Überhaupt kam der Mozartsche Humor sehr gut zur Geltung, weil da nichts Verbissenes war, weil es den Streichern großes Vergnügen bereitete, im letzten Satz mit Höchstgeschwindigkeit einen Gaul durchs Dorf zu treiben und trotz geradezu orchestraler Wucht auch noch durchhörbar zu bleiben.

Erinnerung an gute Freunde

In eine ganz andere Gedankenwelt führten die fünf "Epitaphs", die Brett Dean fünf kurz hintereinander gestorbenen Freunden und Kollegen gewidmet hat. Man musste nicht unbedingt wissen, wer Dorothy Porter, Lyndal Holt, Jan Diesselhorst, Betty Freeman und Richard Hickox waren, um von dieser Musik beeindruckt und gefesselt zu werden. Denn die fünf Sätze sind in ihrer klanglichen und rhythmischen Gestaltung außerordentlich spannend und raffiniert gearbeitet mit Klangflächen, Mikroverschiebungen und streicherischen Details, ohne dass sie zum Selbstzweck wurden. Aber vor allem zeigte die Musik in durchaus liebevoller Zuwendung fünf ganz individuelle Charaktere mit ihren Eigenheiten, die starke Vorstellungen assoziierten. Die hochkonzentrierte und minutiös genaue Interpretation verriet, dass dieses Werk auch den fünf Musikern ein großes Anliegen war.
Und dann das G-dur-Streichquintett op. 111 von Johannes Brahms, entromantisiert, modern und mit solchem Zugriff gespielt, dass der Einstieg wie eine Bearbeitung der Ouvertüre zum "Fliegenden Holländer" klang. Da war sie wieder, die ungebremste Musizier- und Darstellungsfreude, das Vergnügen des Überraschens (auch des Publikums), der unpathetische Druck des Musikantischen, dass der letzte Satz konsequenterweise und plausibel wirklich nur in einem übermütigen Csárdás enden konnte.