Mehr als 60 Jahre lang hatte der gelernte Hufschmied Horst Söder das Sagen, dann übergab er sein Lebenswerk an Tochter Vera. Die 43-jährige Bau-Ingenieurin steht als Chefin ihren Mann.
Vera Söder ist das, was man neudeutsch Powerfrau nennt. Gestandenes Weibsbild würde wohl ihr Vater eher dazu sagen: Die 43-jährige Diplom-Ingenieurin und dreifache Mutter ist Chefin der Oberthulbaer Firma "Metallbau Söder". "Langweilig ist mir nie", sagt sie über sich selbst - und hat trotzdem ein einnehmdes Lächeln auf den Lippen.
Und zu ihrer Rolle in einer Männerdomäne: "Ich find's immer wieder total spannend, mir selbst zu beweisen, dass ich's kann."
Der Familienbetrieb hat eine mehr als 100-jährige Tradition, mehr als die Hälfte dieser Zeit hat Senior-Chef Horst Söder die Firma geprägt. "Ich mach das seit dem 12. Lebensjahr", sagt der 76-Jährige mit den kräftigen Händen eines Schmiedes.
Weil sein Vater im Krieg gefallen war, musste er als ältester der drei Söhne ran: "Ich habe damals jeden Tag 60 bis 80 Pickel geschärft." Um 4 Uhr morgens fuhr er mit dem Kuhgespann zur Baustelle für die Wasserleitung nach Oehrberg und lieferte die Pickel aus. Nach der Schule holte er stumpfe Werkzeuge wieder ab und stellte sich an die Esse.
Übergabe dauerte fünf Monate "Mit 16 habe ich mein erstes
Pferd beschlagen", erzählt Horst Söder: Er lernte in der Euerdorfer Schmiede, danach suchte er mit seinen Brüdern immer neue Tätigkeitsfelder: Von Spenglerarbeiten über Landmaschinenhandel ging es in den 1970er Jahren zum Metallbau. Aluminiumfenster, Fassadenbau, Wintergärten, Licht- und Vordächer sowie Brandschutzelemente sind heute das Kerngeschäft.
Mehr als 40 Metallbauer hat Söder ausgebildet, immer wieder vergrößerte er den Betrieb. Weil viel Herzblut in seinem Lebenswerk steckt, hat sich der Oberthulbaer Zeit gelassen mit der Übergabe. Erst im Dezember 2012, also mit 74 kündigte er den Schritt an. "Mir waren zwar alle Abläufe bekannt, aber trotzdem hat das alles fünf Monate gedauert", berichtet Vera Söder über die Formalitäten.
Die Weichen für den
Generationswechsel wurden viel früher gestellt: Nach dem Abitur in Hammelburg studierte Vera Söder Bauingenieurwesen. "Ich habe im Studium schon gemerkt, dass mir das liegt, anscheinend kommen bei mir doch die Handwerkergene durch." 1994 stieg sie in den Familienbetrieb ein. "Damals waren Frauen auf dem Bau schon ziemliche Exoten", erinnert sie sich lachend. Die Arbeit im Handwerk begeistere sie bis heute: Ihre Betrieb nutze modernste Technik - von der Verwaltung bis zur Fertigung.
"Außerdem haben wir viel mit Menschen zu tun und produzieren ständig andere Dinge, nicht wie in der Industrie Serienfertigung", wirbt sie für das Handwerk.
"Mein Vater war der Boss, und ich habe halt meine Arbeit gemacht", blickt sie auf die 19 Jahre als Angestellte zurück. "Meine Eltern haben mir immer freigestellt, ob ich das irgendwann übernehme." Trotzdem hat sie natürlich viel Zeit investiert, das merken auch die Kinder im Alter von 8, 12 und 14
Jahren sowie der Lebensgefährte, mit dem sie seit 30 Jahren zusammen ist und der als Metallbaumeister mit dem Schwerpunkt Konstruktionstechnik eine wichtige Stütze ist.
Für Vera Söder ist der Generationswechsel zum einen Verpflichtung, zum anderen Aufbruch: "Unser größtes Kapital sind die Mitarbeiter", berichtet sie über ein familiäres Verhältnis zu den 20 Beschäftigten, die sie zum Teil seit Jahrzehnten kennt.
Auch deshalb investiert die neue Chefin kräftig: Für rund 750 000 Euro wird die Produktion zukunftssicher gemacht. "Wir verbessern die Arbeitsbedingungen und den Umweltschutz", sagt die 43-Jährige beim Gang durch die Baustelle: Mehr Tageslicht, farbiger Boden, kürzere Wege sind nur einige Aspekte.
Wichtiger Antrieb für Vera Söder ist ihre Heimatverbundenheit: Viele Jugendliche würden im Landkreis gut ausgebildet, gingen dann aber weg.
"Nur die wenigstens kommen zurück, um sich selbstständig zu machen und der Region etwas von dem zurück zu geben, was in sie investiert wurde. Das ist schade." Für Vera Söder war schon während des Studiums klar, dass sie zurück will: "Das und die Investition in die Region soll auch ein kleines Dankeschön an die Region sein."
Zahlen zum Generationenwechsel im Handwerk Laut
Handwerkskammer für Unterfranken (HWK) gab es im Landkreis Bad Kissingen 2013 rund 1530 Handwerksbetriebe mit rund 7650 Beschäftigten. Die HWK berät bei Übergaben in allen betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Fragen. Im gesamten unterfränkischen Handwerk stehen laut HWK in den kommenden zehn bis 15 Jahren rund 6000 Betriebe zur Übergabe an - und zwar sowohl innerhalb der Familie als auch an Externe.
Bei der Nachfolge sei unter anderem die vorweggenommene Erbfolge, Schenkung oder auch Verkauf möglich. Bei Übergabe an Externe werde neben dem Verkauf des Unternehmens auch die Verpachtung an den Nachfolger praktiziert.