Im 14. Jahrhundert gab es ein verheerendes Hochwasser. Es veränderte die Siedlungsform an der Saale und verschärfte Entwicklungen, die heute wieder aktuell sind.
Eigentlich wollte Wolfgang Sobtzick in seiner Geografie-Magisterarbeit das Hochwasserrisiko an der Saale erforschen. Er wollte wissen, wie die Überschwemmungen entstehen und wie die Bewohner in den Orten entlang des Flusses mit der Gefahr umgehen. Doch dann fing er an in der Geschichte zu graben und stieß auf eine Verbindung zu seiner Arbeit.
Im 8.
Jahrhundert entsteht das fränkische Herrschaftsgebiet, an der Saale werden Siedlungen angelegt, erklärt Roland Heinlein. "Damals bildeten sich die Strukturen heraus, die bis heute nachwirken", sagt der Kreisheimatpfleger. Doch es gibt einen Bruch. Sobtzick: "Im Spätmittelalter werden viele Siedlungen verlassen." Die verstreut liegenden Gehöfte ballen sich zu wenigen Ortschaften zusammen. "Es kommt zu einer Konzentration", beschreibt Heinlein.
So seien damals Orte wie Westheim, Langendorf oder Elfershausen entstanden.
Denn Grund dafür sieht Sobtzick in einer Naturkatastrophe: dem seines Datums wegen sogenannten Magdalenenhochwasser am 22. Juli 1342. Sobtzick geht davon aus, dass nicht nur Main, Weser oder Elbe, sondern auch die Saale betroffen war. Er schätzt den damals möglichen Pegel auf acht Meter. "Damit reichte das Wasser weit in den besiedelten Bereich hinein.
Die Ernte und die Lebensgrundlagen wurden vernichtet", erklärt der 35-Jährige.
Damals kamen aber noch andere Belastungen hinzu. "Es war eine schwierige Zeit. Die herrschaftlichen Verhältnisse waren unsicher. Es gab eventuell Seuchen", erklärt Heinlein. Sobtzick erkennt - abgesehen vom Hochwasser - daher eine spannende Parallele zur Gegenwart: Auch heute stehen Dörfer vor der Frage, wie es in Zukunft weitergehen soll.
Denn Leerstände und der demografische Wandel gefährden sie.
Funde unterstützen die These über die Folgen des Magdalenenhochwassers. So hat Sobtzick bei Elfershausen ein Bruchstück eines Kamms gefunden. Das Artefakt aus Horn wird auf das 10. Jahrhundert datiert und war ein purer Zufallsfund. Es belegt die Existenz von "Mettal", einer Siedlung, die laut Sobtzick ab 1353 als Wüstung überliefert ist.
Heinlein kennt bei Langendorf zwei, drei Stellen, die auf weitere Niederlassungen hinweisen. Der Heimatpfleger ist dabei auch "Ostheim" auf der Spur. Denn wenn es Westheim gibt, muss es der Logik nach auch ein Ostheim gegeben haben.
Sobtzicks Forschung ist also längst nicht abgeschlossen. Das Material reicht für die nächste wissenschaftliche Arbeit.
Auch Heinlein wird sich im Herbst an der Saale auf die Spuren alter Siedlungen machen - ohne Graben und ohne Sonden.
Heinlein schreitet nur die Felder ab, den Blick auf den Boden gesenkt. So findet er Scherben, die der Regen oder die Erosion freigelegt hat. Die Suche ist leichter als gesagt. Denn die Artefakte unterscheiden sich nach den vielen Jahrhunderten, die sie in ihren Fängen hatten, kaum von Steinen.
Funde meldet der Heimatpfleger dem Landesamt für Denkmalpflege, das das Projekt "Archäologie und Ehrenamt" betreut.
Heinlein wünscht sich als Ansprechpartner im Landkreis, dass es in jedem Ort Freiwillige gibt, die die Umgebung so wie er begehen und Fundstücke sowie Fundstellen dokumentieren. Dadurch könnte die Siedlungsgeschichte an der Saale vervollständigt werden - vor allem die des 8. Jahrhunderts, als die Landnahme begann und niemand an eine Flut dachte.