Wenn das Sportgerät zur Waffe wird

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Speerwerfen hat seine Risiken: Kampfrichter-Obmann Horst Weis (links) und Herbert Höfner (TSV Bad Kissingen). Foto: Jürgen Schmitt
Speerwerfen hat seine Risiken: Kampfrichter-Obmann Horst Weis (links) und Herbert Höfner (TSV Bad Kissingen). Foto: Jürgen Schmitt

Ein tödlicher Unfall bei einem Speerwurf-Wettbewerb in Düsseldorf offenbart, dass Wurf-Disziplinen Sicherheit verlangen. Im Landkreis Bad Kissingen sieht man sich gewappnet.

Horst Weis macht es vor: Eine kurze Wurfbewegung nur, und der Speer steckt. Seitdem der Schwerpunkt verlagert wurde, wird zwar weniger weit, aber sicherer geworfen. Früher kam der Speer flacher auf, schlitterte quasi über den Rasen. Und war damit unberechenbar. Gefährlich. Wenn es um die Vorschriften geht, ist Horst Weis ein penibler Mensch. "Was wir tun, geschieht immer zum Wohl der Athleten." Der 70-Jährige ist Kampfrichter-Obmann im Bezirk Unterfranken und weiß um die Tücken des Wettkampfsports. "Einmal musste ich einen erfahrenen Athleten vor dem Wurf darauf aufmerksam machen, dass er den Speer falsch herum hält, mit der Spitze nach hinten." Leichtsinn, Gedankenverlorenheit und Unwissenheit. Horst Weis muss für die anderen mitdenken. Sportler und Zuschauer gleichermaßen. Der Rannunger nimmt das Sportgerät in die Hand, macht eine Ausholbewegung. Und weist damit auf den wichtigen Sicherheitsabstand hin. Bis zu 2,80 Meter lang kann ein Speer sein, der aus Metall oder Carbon ist und mehrere tausend Euro kosten kann.

Um die Sicherheit in einem Wettkampf zu gewährleisten, gibt es Auflagen. "Für eine Unterfränkische Meisterschaft beispielsweise benötigen wir etwa 40 Kampfrichter und Helfer", sagt Herbert Höfner, Trainer im TSV Bad Kissingen. "Wir können auf einen harten Kern zurückgreifen", freut sich der 76-Jährige über eine gut aufgestellte Mannschaft. Etwa ein Drittel besitzt sogar einen speziellen Kampfrichter-Ausweis. Nur erfahrene Personen, meist ehemalige Athleten, werden für diese verantwortungsvolle Tätigkeit eingeteilt. Jeder Wettkampf hat zudem eine amtliche Aufsicht, zum Beispiel durch Horst Weis oder ein anderes Mitglied der Bezirksvorstandschaft.
"Beim Speerwurf beginnt der Wettkampf für den Kampfrichter bereits mit dem Einwerfen", erzählt Horst Weis. Sobald jeder Sportler einmal geworfen hat, wird der Speer gemeinsam geholt. Im Wettkampf wird der Speer nach dem Wurf außerhalb des Sektors von einem Helfer zurückgetragen, und zwar mit der Spitze nach unten. Und anschließend in den Boden gerammt. Erst dann hat der Sportler wieder Zugriff auf sein Gerät. Vorbei die Zeiten, als der Speer von einem Helfer Richtung Abwurf zurückgeworfen wurde, weil es schneller geht.

Der Wurfbereich ist ein Kreissektor mit 29 Grad Öffnungswinkel. Er wird an der Abwurfstelle durch einen vier Meter langen bogenförmigen Abwurfbalken (oder Ähnliches) begrenzt, der vom Werfer nicht berührt oder überschritten werden darf. Der Anlauf darf für einen gültigen Wurf erst verlassen werden, wenn der Speer den Boden im Sektor berührt hat. "Man braucht einen guten Blick und das Wissen, welche Sportler zu welchen Weiten fähig sind. Entsprechend positioniert sich der Kampfrichter", sagt der 70-Jährige, selbst viele Jahre Übungsleiter beim TSV Rannungen. Zu den erfolgreichsten Speerwerfern im Kreis Rhön-Saale gehört die nach einer Wettkampfpause für den TSV Münnerstadt startende Tanja Köhler. Die 40-Jährige bestätigt die Wichtigkeit der Verhaltensregeln. "Schon in der Jugend wurde ich beim TSV Bad Kissingen von Herbert Höfner oder Dieter Müller auf Gefahren hingewiesen. Gerade für den Nachwuchs ist es wichtig, dass die Sinne geschärft werden. Mittlerweile ist das bei mir automatisiert."

Auch beim TSV Münnerstadt wird lieber einmal zu viel auf die Regeln hingewiesen. "Die Jugendlichen müssen möglichst früh zu Selbstständigkeit erzogen werden", weiß Tanja Köhler. Während bei Wettkämpfen Betreuer und Kampfrichter für Sicherheit sorgen, lauern nämlich auch im Training Gefahren. "Es ist schon passiert, dass sich ein Fußball zu uns verirrt hat. Dann müssen wir den hinterherlaufenden Jungs schon mal eine Warnung zurufen." Katja Hofmann, Abteilungsleiterin der Münnerstädter Leichtathleten, geht ebenfalls jedem Risiko aus dem Weg. "Wir sind insbesondere bei den Wurfdisziplinen vorsichtig. Seitdem Martina Greithanner für uns wirft, haben wir den Diskusring samt Netz aufgebaut. Ein unkontrollierter Diskus ist schließlich nicht zu unterschätzen." Schwerwiegende Sportunfälle in der Leichtathletik kennt der Landkreis Bad Kissingen nicht. Glück gehört immer dazu. Aber auch Personen, die sich der Verantwortung stellen. Und die Augen offen halten.


Hintergrund

Tragödie Keine zwei Wochen ist es her, als sich bei einem Leichtathletik-Wettkampf in Düsseldorf eine Tragödie abspielte. Ein erst 15 Jahre alter Speerwerfer hatte mit seinem Sportgerät einen 74-jährigen Kampfrichter in den Hals getroffen, der trotz Notoperation in der Uni-Klinik verstarb. Der erfahrene Kampfrichter hatte sich fataler Weise in den Zielsektor hinein bewegt, obwohl der Speer noch im Flug war. Die Veranstaltung wurde sofort abgebrochen.

Sportunfälle Auch bei internationalen Wettkämpfen ist es in der Vergangenheit zu blutigen Unfällen bei Wurfwettbewerben gekommen. Im Mai 2005 wurde in Halle beim Hammerwurf ein Kampfrichterhelfer vom vier Kilogramm schweren Hammer getroffen und schwer am Kiefer verletzt. 2007 wurde Salim Sdiri, ein französischer Weitspringer, in Rom von einem abgedrifteten Speer in den Rücken getroffen. Der Athlet kam mit einer Fleischwunde ebenso relativ glimpflich davon wie der Zehnkämpfer Roman Sebrle, der im Trainingslager vom Speer eines anderen Athleten in die Schulter getroffen wurde.