"Sport nach 1" ist ein Jungbrunnen für den FC Bad Brückenau

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Bleiben für den Handball-Sport nachmittags gerne in der Schule: die von Klaus Sieß betreuten Dritt- und Viertklässler. Foto: Jürgen Schmitt
Bleiben für den Handball-Sport nachmittags gerne in der Schule: die von Klaus Sieß betreuten Dritt- und Viertklässler. Foto: Jürgen Schmitt
Ein Leben für den Handballsport: Klaus Sieß im Unterricht im Rahmen des Projektes "Sport nach 1". Foto: Jürgen Schmitt
Ein Leben für den Handballsport: Klaus Sieß im Unterricht im Rahmen des Projektes "Sport nach 1". Foto: Jürgen Schmitt
 

Der pensionierte Soldat Klaus Sieß ist das ideale Bindeglied zwischen Schule und Verein. Die Handball-Abteilung des FC Bad Brückenau profitiert enorm.

Schneewittchen macht auch mit. Ballett würde auf den ersten Blick eher passen zum zierlichen Mädchen mit den pechschwarzen Haaren. Oder Turnen. Handball nicht unbedingt. Aber Klaus Sieß ist überzeugend. Motiviert. Klare Kommandos gibt der 51-Jährige in der kleinen Turnhalle der Bad Brückenauer Grundschule. Der pensionierte Oberstabsfeldwebel ist Gehorsam gewohnt. Deswegen wird im Sport kein Kaugummi gekaut. Wird zugehört, wenn der Trainer etwas sagt. Von Zwang kann freilich nicht die Rede sein. Lustig geht's zu. Es wird gelacht und gescherzt. Und Klaus Sieß ist irgendwie auch der Held für die Dritt- und Viertklässler. Weil der gebürtige Flensburger eine kreative Übung nach der anderen aus dem Ärmel schüttelt. "Jede Einheit bereite ich thematisch vor, aber die Übungen dazu kommen spontan.
Da habe ich einen großen Fundus auf Lager", sagt Sieß.

Ein Glücksfall für den Handballsport

Der Mittelsinner ist ein Glücksfall für den Handballsport in Bad Brückenau. Klaus Sieß trainierte in der abgelaufenen Saison die Herren und Damen, betreut aber auch diverse Nachwuchs-Teams. Und ist seit Januar 2012 das Bindeglied zwischen Schule und Verein im Rahmen des Projektes "Sport nach 1". Eine Erfolgsgeschichte. Annähernd 40 Kinder haben in den vergangenen 15 Monaten über die Schule den Weg zum FC Bad Brückenau gefunden. "Beim ersten Mini-Training in der Schule waren 32 Kinder da. Und die meisten blieben." Über Flyer wurden die Eltern über die Möglichkeit der sportiven Nachmittags-Betreuung informiert. Der Zuspruch war überwältigend.

Mit dem Kinder-Segen war es dem Verein möglich, erstmals wieder eine weibliche D-Jugend aufzubauen. Überhaupt hat der Unterbau eine wesentlich breitere Basis bekommen. "So ein Projekt muss natürlich nachhaltig und über mehrere Jahre angelegt sein", findet Sieß. Und hat daher keine Probleme, unmittelbar nach der Stunde zwei weitere Gruppen zu betreuen - um abends im Verein noch Training abzuhalten. "Ich kann mir das zeitlich erlauben. Aber natürlich ist es schwer, am frühen Nachmittag geeignete Übungsleiter für dieses Projekt zu finden." Zumal der finanzielle Ausgleich eher symbolischer Natur ist. 140 Euro bekommt der FC Bad Brückenau pro Kalenderjahr von der Bayerischen Landesstelle für den Schulsport (laspo). Bezahlt wird Sieß über die Übungsleiter-Vergütung. Die Schule selbst hat mit finanziellen Transaktionen nichts zu tun, stellt dafür Halle und Gerätschaften zur Verfügung.

Koordination. Ballkontrolle. Wurfübungen. Und zum Abschluss ein Spiel. Leerlauf gibt es nicht. Klaus Sieß, der früher in Dänemark Handball spielte und auch seine Töchter für den Sport mit der kleinen Lederkugel begeistern konnte, genießt die Zeit mit dem Nachwuchs. Und hat immer einen Blick für das Talent des Einzelnen. Eine Vorzugsbehandlung für Mädchen gibt es nicht. Würde Schneewittchen gar nicht wollen.


Klaus Sieß im Interview

Der 51-jährige Klaus Sieß ist ehrenamtlich im Rahmen des Projekts "Sport nach 1" in Bad Brückenau aktiv. "Sport nach 1" ist ein gefördertes Kooperationsmodell zwischen Schule und Verein der Bayerischen Landesstelle für Schulsport (laspo).

Wo sind Sie aktiv und wie schaut Ihre Arbeit aus?
Klaus Sieß: Zum einen bin ich in der Bad Brückenauer Grundschule zweimal wöchentlich aktiv. Dort betreue ich zwischen 30 und 36 Jungen und Mädchen der dritten und vierten Klasse im Rahmen des Kooperationsmodells, weiterhin seit Oktober auch in der Ganztagsklasse, ebenfalls zwei Mal die Woche. Hier bin ich als Dozent für die 1. Klasse im Bereich Bewegungs- und Koordinationsschule mit und ohne Ball tätig. Hier erhalte ich hervorragende Unterstützung durch die Schulführung mit Barbara Buz und Andreas Kraus. Idee und Kontakt kamen aber durch die ehemalige Übungsleiterin Elvira Reinmann, tätig im Sekretariat der Grundschule, und Stefan Richter, Vorsitzender des 1. FC Bad Brückenau, zu Stande. Zusätzlich konnten wir seit Oktober über Birgit Herré, Direktorin der Mittelschule, das Projekt "Sport nach 1" ins Leben rufen. So beteiligen sich derzeitig 13 Kinder und Jugendliche der Mittelschule Römershag und der Realschule an dem Projekt Handball. Nachdem die Realschule auch in Sachen Handball aktiv ist, wäre es schön, wenn wir das Gymnasium auch noch dazu gewinnen könnten. Dann wären irgendwann auch einmal Schulturniere möglich.

Wo setzen Sie Ihre Schwerpunkte
Für mich ist es wichtig, dass neben der körperlichen Bewegung der Spaß am Sport da ist und dass sich nach und nach ein positives Ballgefühl entwickelt. Talentierte Schülerinnen und Schüler hat dieses Nachmittags-Angebot so motiviert, dass sie jetzt auch in der Handball-Abteilung des 1. FC Bad Brückenau aktiv spielen. Bei den Minis waren es ungefähr 30 Kinder. Elf Mädchen sind in der D-Jugend dabei und können in der nächsten Saison an Turnieren teilnehmen. Die männliche E-Jugend befindet sich gerade noch im Aufbau. So profitiert auch die Jugendarbeit des Vereins. Ohne die Aufbauarbeit der Jugend haben die Vereine keine Zukunft.

Was ist Ihre Motivation für diese Tätigkeit?
Ich bin ein Mensch, der seine Füße nicht still halten kann. Ich arbeite gerne, besonders in der Lehre mit Kindern. Außerdem liegt es mir, Neues zu vermitteln, war ich doch 30 Jahre als Ausbilder aktiv. Außerdem besitze ich den Trainerschein "Handball" und gebe gerne meine Erfahrungen als ehemaliger aktiver Handballer weiter. Außerdem möchte ich den 1. FC Bad Brückenau wieder dort hinführen, wo er einst war.

Welchen Zeitaufwand stellt dieses Projekt für Sie dar?
Nachdem ich auch noch als Trainer in Bad Brückenau aktiv bin, bin ich fast jeden Tag in Bad Brückenau. Mittlerweile ist dieses Projekt aufgrund der großen Nachfrage fast zum Fulltime-Job geraten. Aber ich mache dies sehr gerne, auch wenn manche behaupten, ich könnte mir in den Sporthallen von Bad Brückenau ein Wohnzimmer einrichten.
(Das Gespräch führte Doris Bauer)

Projekt Das Bayerische Kultusministerium und der Bayerische Landessportverband haben 1991 das Kooperationsmodell "Sport nach 1" in Schule und Verein gegründet. "Sport nach 1" ist Bindeglied zwischen dem schulischen Sportunterricht und dem Breiten- und Leistungssport im Verein.

Zahlen Im Schuljahr 2012/2013 gibt es in Bayern 3693 SAGs (Sportarbeitsgemeinschaften). 1260 Schulen (entspricht 31,42 Prozent) nehmen am Programm "Sport nach 1" teil sowie 1060 Vereine (8,97 Prozent).

Kommunikation Sehr häufig sucht der Verein den Weg zur Schule, um Nachwuchs für seine Sparten zu generieren. Jedoch werden teilweise auch die Schulen aktiv. Der Bayerische Landessportverband (BLSV) bewirbt das Projekt im Rahmen seiner crossmedialen Struktur sowie bei diversen Veranstaltungen, Informations- und Bildungsangeboten. Die Bayerische Landesstelle für den Schulsport (laspo) ist zuständig für Vertragsgestaltung, Zuschussbeantragung sowie Service und Beratung.

Finanzierung Die Finanzierung des Projektes trägt meistens überwiegend der Verein. Für den Übungsleiter erhält der Verein einen Zuschuss von 140 Euro pro Jahr (für eine Doppelstunde) sowie im Rahmen der Vereinspauschale eine entsprechende Vergütung. Die 140 Euro wurden vom Staatsministerium für Unterricht und Kultus festgelegt.