Auffallend viele Vereine müssen Feldspieler zwischen die Pfosten stellen. Für Stützpunkt-Trainer Thomas Hammer ist dies auch ein hausgemachtes Problem.
Deutschland Torhüterland. Immer noch. Manuel Neuer gilt als weltbester Ballfänger. Ist damit auf dem besten Wege ebenso Helden-Status zu erlangen wie ein Oliver Kahn, Sepp Maier oder Toni Turek. Perfekte Vorbilder, die natürlich auch im Fußballkreis Rhön verehrt werden. Dennoch herrscht auf der Position zwischen den Pfosten aktuell eine beängstigende Mangelwirtschaft. Wer Talent hat, gerät schnell in den Fokus der höherklassigen Teams. Wie ein Sven Eyrich, der den Sprung vom A-Klassisten TSV Stangenroth zum Landesligisten FC Fuchsstadt auf Anhieb geschafft hat. Auch bei den Bezirksliga-Vereinen stimmt im Normallfall das Verhältnis von Qualität und Quantität.
Aber auch der SV Riedenberg hatte in dieser Saison mit Stefan Wich seinen Torjäger als Torhüter aufbieten müssen.
Ein überschaubarer Markt
Jahrelang hatte Kreisligist FC Bad Brückenau auf gelernte Torhüter zurückgreifen können. Ein Bastian Reusch, Dominik Hüfner oder Daniel Schüßler standen für Kontinuität. Seit etwa zwei Jahren genießt Alex Gartung das Vertrauen - als Feldspieler. "Wir beschäftigen uns in jeder Wechselperiode mit potenziellen Torhütern. Der Markt ist allerdings überschaubar und die Chemie muss ja auch stimmen", weiß Philipp Jakobsche. Groß lamentieren möchte der FC-Spielertrainer dennoch nicht.
"Alex ist schließlich ein guter Torwart, der diese Position schon in der Jugend gespielt hat."
Rücktritt vom Rücktritt
Auch Tobias Windberg hat aus seiner Juniorenzeit Praxis-Erfahrung mit den Latex-beschichteten Handschuhen mit Klettverschluss. Und das freut seinen Trainer Frank Halbig ungemein. Schon fast chronisch ist mittlerweile das "Krankheitsbild" des TSV Reiterswiesen auf dieser Position. Christopher Vogel ist nach diversen Operationen noch länger außer Gefecht, Neuzugang Ben Stacey weilt voraussichtlich noch einige Wochen im Krankenstand. "Vielleicht klappt es mit ihm kurz vor der Winterpause", sagt Frank Halbig, der ansonsten noch Tobias Geipel in der Hinterhand weiß, der sein Karriere-Ende zum Wohl der Mannschaft quasi unterbrochen hat.
"In einem Testspiel hatten wir auch Daniel Kleinhenz mal im Tor stehen", zählt Halbig eine weitere Alternative für den Kreisklassisten auf - und betreibt Ursachenforschung. "Ich glaube, das Torhüterproblem wird sich in den nächsten Jahren noch einmal verschlimmern. Viele Vereine haben sich notgedrungen zu Juniorenfördergemeinschaften zusammengeschlossen. Da gibt es oftmals nur einen Torwart, und wenn die Spieler später zu ihren Stammvereinen zurückkehren, gibt es eben eine Vakanz. Wir werden auch in Zukunft noch über 40-Jährige im Tor stehen sehen."
Mit dem Status Quo alles andere als zufrieden ist auch Thorsten Ziegler. Eigentlich hat der Trainer des TSV Wollbach für zwei Mannschaften drei Torhüter. Aber das Luxusproblem hat sich längst erledigt. Sascha Grom fällt mit Bandscheibenvorfall länger aus, Sebastian Tröster muss aus beruflichen Gründen passen.
Übrig geblieben ist Florian Erb als Schlussmann für die Kreisklassen-Elf. Und so stand bei der A-Klassen-Reserve mit Sebastian Endres am Wochenende halt ebenfalls ein Feldspieler im TSV-Tor. "Sebastian hat schon öfter ausgeholfen und macht seine Sache sehr vernünftig", sagt Ziegler. Und weiß. "Das Spielermaterial ist wirklich dünn. Wir suchen auf dieser Position jedenfalls händeringend nach Verstärkung. Der Rückgang der Spielerzahlen machen sich hier offensichtlich ganz besonders negativ bemerkbar."
Die Kommentare nerven
Mit 49 Jahren muss mal Schluss sein. Findet Hergen Vollert, der "nur bei einem absoluten Notfall" den Rücktritt vom Rücktritt erklären würde. Und dieser Notfall war am Wochenende noch nicht eingetreten, obwohl mit Christian Heydenbluth der Stammkeeper erneut ausgefallen war und mit Daniel Sauter ein Stürmer auf die Torlinie beordert wurde.
"Daniel war früher mal im Tor und ist bei uns auch der offizielle Ersatzkeeper", sagt Vollert. Und versteht nur eines nicht, "nämlich die nervigen Kommentare von den sogenannten Fachleuten am Spielfeldrand."
Ossi Wiener ist der wohl bekannteste Torhüter in der Geschichte des FC Reichenbach. Große Fußstapfen hinterließ der Zerberus, die viel zu groß sind für die aktuellen Keeper. "Seitdem Mario Mölter uns verlassen hatte, haben wir nur Feldspieler im Tor stehen", weiß FC-Vorsitzender Klaus Katzenberger. Die aktuelle Nummer eins ist Dominik Reiter, und der fällt nach einer schweren Verletzung aus der vergangenen Saison bis ins Frühjahr aus. Und weil am Wochenende dessen Vertreter Markus Buhlheller im Urlaub weilte, musste beim Spiel in Rottershausen Julian Hergenröther ran, der in der C-Jugend mal im Tor gestanden hatte.
Nicht zuletzt ein hausgemachtes Problem. Findet Thomas Hammer.
"Zu einem Sichtungstermin kamen früher zehn bis zwölf junge Torhüter, heute ist es vielleicht einer", sagt der Trainer am DFB-Stützpunkt in Münnerstadt. Und sieht im demografischen Wandel nicht die alleinige Schuld. "Viele Vereine bieten kein spezielles Tormann-Training an. Eine mangelhafte technische Ausbildung ist die Folge. Schön wäre es, wenn sich ehemalige Torhüter für den Nachwuchs engagieren und ihr Wissen weitergeben", sagt Hammer, der am DFB-Stützpunkt bereits Top-Torhüter wie Marcel Wehr, Andre Koob und Julian Schneider ausbilden durfte. Oder Lukas Wenzel (TSV Steinach) und Lucas Zahaczewski (TSV Oberthulba), die mittlerweile Bälle halten an den Nachwuchsleistungszentren des 1. FC Nürnberg und der SpVgg Greuther Fürth. Feine Beispiele, dass es Talente in der Region gibt. Werden diese nicht vernünftig gefördert, werden auch in Zukunft Feldspieler Handschuhe überstreifen oder über 40-Jährige den Rücktritt vom Rücktritt erklären müssen.