Regina Bolgen ist Fahrerin für Essen auf Rädern beim Roten Kreuz in Bad Kissingen. Sie bringt Menschen eine warme Mahlzeit, die nicht mehr selbst kochen, weil sie zu alt, zu gebrechlich und oft auch zu alleine sind.
Regina Bolgen spendet einen Augenblick Freude. Sie nimmt die schwarze Warmhaltebox aus Styropor von der Rücksitzbank ihres Dienstwagens, verriegelt das Fahrzeug und eilt zur Haustüre. "Heute gibt es Fisch", sagt die 69-Jährige, während sie auf die Klingel drückt. "Frau Morbach hat Kabeljau, Buttergemüse und Kartoffeln bestellt." Regina Bolgens Kunden wollen freitags in der Regel Fisch.
Aus Gewohnheit.
Regina Bolgen arbeitet für das Bayerische Rote Kreuz Bad Kissingen und fährt drei Mal in der Woche Essen auf Rädern aus. Dreieinhalb Stunden ist sie um die Mittagszeit in Bad Kissingen und auf den Stadtteilen unterwegs und bringt 20 bis 25 Kunden eine warme Mahlzeit. "Es ist eine interessante Aufgabe, weil man den Leuten für vier bis fünf Minuten Freude bringen kann", sagt sie.
Carmen Goll arbeitet im Hintergrund.
Sie ist die Sachbearbeiterin beim BRK für Essen auf Rädern, nimmt die Bestellungen der Kunden entgegen, ordert die gewünschten Tiefkühlmenüs beim Zulieferer und teilt die vier Fahrer ein. "Warmes Essen gibt es sieben Tage die Woche", sagt sie. Zusätzlich fährt das Rote Kreuz einmal in der Woche landkreisweit Lebensmittel aus, für Leute, die sich ihre Mahlzeit selbst zubereiten, aber nicht mehr einkaufen können.
Jeden morgen geht Carmen Goll in die Kühlzelle des BRK-Hauses am Steingraben und sucht die für den jeweiligen Tag abgepackten Menüs heraus. "Der Kunde stellt sich seinen Speiseplan aus mehr als 200 Menüs zusammen", erklärt sie. Die Kunden sind in der Regel Senioren, die sich mit dem Kochen nicht mehr belasten können oder wollen, etwa weil sie zu gebrechlich sind oder alleine leben und sich nicht für eine Person an den Herd stellen wollen.
Die Leute
essen aber weiterhin das, was sie gewohnt sind: Suppen und Eintöpfe sind gefragt, Süßspeisen wie auch saisonale Angebote wie Spargel werden gern genommen. "Braten geht eigentlich immer. Am Sonntag kommt zu 95 Prozent ein Braten", berichtet Carmen Goll. "Und freitags gibt es Fisch." Nachtisch wird dagegen kaum gegessen.
Nah an den Menschen dran Wieder unten vor der Haustüre.
"Hallo Frau Morbach", sagt Regina Bolgen in die Gegensprechanlage. Dann drückt sie die Haustüre auf und geht zum Fahrstuhl. Die Fahrerin ist nah dran an den Menschen, denen sie das Essen bringt. Sie kennt ihre Macken und Vorlieben. Sie kennt die schwierigen Fälle, mit denen ein Gespräch schwer möglich ist. Sie weiß, bei wem sie einfach über den Garten auf die Terrasse gehen und an die Fensterscheibe klopfen kann.
Bei manchen beschränkt Regina Bolgen sich darauf, das Essen mit einem freundlichen Lächeln an der Türe zu übergeben, bei anderen geht sie mit in die Wohnung. "Manche sind sehr offensiv und versuchen einen dazuhalten", sagt sie.
Als Fahrerin hat sie einen engen Zeitplan, schließlich soll jeder sein Essen bekommen, solange es warm ist. Sieben Minuten rechnet Regina Bolgen vom Aussteigen bis sie wieder am Auto ist. Trotzdem versucht sie, sich Zeit zu nehmen.
Sie schwört auf Zuverlässigkeit und Freundlichkeit: "Es ist wichtig, wie man vor die Leute tritt. Ich will Freude verbreiten." Ein warmes Essen, nette Worte und ein offenes Ohr sind für die Menschen eine gute Kombination, findet sie.
An der Wohnungstüre im fünften Stock wartet Helga Morbach (88) gestützt auf ihren Rollator. "Das Essen ist gut und abwechslungsreich. Ich bin froh, dass ich mich angemeldet habe. Dann esse ich wenigstens", erzählt sie.
Es gibt viele ältere Menschen, die Vorbehalte gegen Essen auf Rädern haben, auch weil sie sich nicht eingestehen wollen, dass sie Hilfe brauchen.
Die 69-Jährige mag ihren Job bei Essen auf Rädern. "Ich kann viel aus der Arbeit für mich mitnehmen. Ich habe viel über das Alter gelernt." Sie sagt, dass sie jetzt nicht mehr das Bestreben hat, steinalt zu werden. "Wenn die Stunde schlägt, nimmt man sie an", meint Regina Bolgen.