Sehende Finger: Zwei Sehbehinderte leiten Telefonzentrale

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Eine spezielle Computersoftware ermöglicht es Stefanie Bernhard, die Masken auf den Bildschirmen so zu vergrößern, dass sie die Eintragungen ohne Probleme lesen kann. Fotos: Thomas Ahnert
Eine spezielle Computersoftware ermöglicht es Stefanie Bernhard, die Masken auf den Bildschirmen so zu vergrößern, dass sie die Eintragungen ohne Probleme lesen kann. Fotos: Thomas Ahnert
Mit der Braille-Zeile kann Sieglinde Leitsch jede Information aus dem Computer ablesen; das Schreiben geht über die normale Tastatur.
Mit der Braille-Zeile kann Sieglinde Leitsch jede Information aus dem Computer ablesen; das Schreiben geht über die normale Tastatur.
 

Eine blinde und eine stark sehbehinderte Mitarbeiterin leiten die Telefonvermittlung im Landratsamt Bad Kissingen. Sie können quasi "mit den Fingern sehen". Bemerkt hat das noch kein Anrufer.

Wer im Landratsamt Bad Kissingen die Vermittlung anruft, merkt überhaupt nicht, dass die junge freundliche Dame, die ihn begrüßt, eigentlich eine Einschränkung hat: Stefanie Bernhard ist stark sehbehindert. Sie leidet an einer Optikusathropie, volkstümlich auch Tunnelblick genannt.

Sie sieht nur einen kleinen zentralen Ausschnitt ihrer Umgebung und auch den mit gewissen Schärfe- und Hell-Dunkel-Problemen. Das hat sie vor 14 Jahren nicht daran gehindert, ins Berufsleben einzusteigen. Im Landratsamt ließ sie sich zur Telefonistin ausbilden.

Was ihr dabei entgegen kam, waren nicht nur ihr Optimismus und verständnisvolle Kollegen, sondern auch der Computer mit angepasster Software. Über den Bildschirm läuft alles. Da kann sie sich alle Masken so vergrößern, dass sie sie gut erkennen kann, dass sie sogar mit der Maus arbeiten kann. Und außerdem werden alle Arbeitsgänge leise vorgelesen. Das Weiterverbinden geschieht dann über die Rechnertastatur. Stefanie Bernhard ist mittlerweile so fit, dass sie in flauen Zeiten auch andere Arbeiten übernimmt, etwa die Onlinebuchung für Dienstreisen der Landratsamtsmitarbeiter.

Bei ihrer Kollegin Sieglinde Leitsch, mit der sie sich wochenweise die Stelle teilt, waren die technischen Herausforderungen anderer Art, denn sie ist völlig blind. Sie verlor ihr Augenlicht, als sie 40 war. Nach einer Reha und einer Ausbildung zur IHK-Fachkraft für Textverarbeitung kam sie vor 14 Jahren über ein Praktikum zum Landratsamt.

Sieglinde Leitsch sieht mit den Fingern, denn das Zauberwort heißt "Braille-Zeile". Das sind 80 aneinander gereihte Felder mit jeweils acht beweglichen kleinen Stiften, die je nach Buchstabe oder Zahl ein Stück nach oben geschoben und damit ertastbar werden. Sieglinde Leitsch kann sie dann blitzschnell abtasten. Auch sie kann Nummern, die sie nicht weiß, über die LRA-Homepage - oder Google - mit ihrer normalen Tastatur suchen. Die Antwort gibt die Braille-Zeile.

Barrierefreie Homepage

"Dazu musste die Homepage allerdings erst barrierefrei gemacht werden", sagt sie. Das ist geschehen, und so kann sie sie sich so einstellen, dass die Schrift kontrastreich und klar ist, dass keine Hintergründe oder Bilder die Schrifterkennung des Computers stören. Bilder oder Logos kann sie so nicht erkennen. Bei beiden Arbeitsplätzen ist auch Sprachsteuerung eingebaut.

Natürlich können sich Stefanie Bernhard und Sieglinde Leitsch - aber da unterscheiden sie sich überhaupt nicht mehr von Nichtsehbehinderten - nicht alle Durchwahlnummern im Kopf haben. Allerdings merken das die Anrufer gar nicht, weil sie beide die Nummer blitzschnell auf der Homepage des Landratsamtes anklicken und dann auf ihre Weise lesen können. Was genauso wichtig ist, ist, dass die beiden wissen, wer überhaupt für die Anliegen der Anrufer zuständig ist. So sind sie im Laufe der Zeit zu den intimsten Kennerinnen der Strukturen im Landratsamt geworden.

Oft kommen allerdings auch Anrufe, für die das Landratsamt gar nicht zuständig ist, sondern die Stadt, die Staatsbad GmbH, das Amtsgericht oder andere. Dann möchte Stefanie Bernhard die Anrufer nicht mit dem blanken Hinweis abspeisen, sondern nennt ihnen die richtige Behörde und Telefonnummer.

Was tun mit Fledermäusen?

Manchmal ist aber auch sie schon an ihre Grenzen gestoßen. Als etwa vor vielen Jahren ein aufgeregter Anrufer mitteilte, dass er Fledermäuse unter dem Dach hat. Dem konnte sie damals nichts raten. Inzwischen kennt sie die Telefonnummer von Dieter Fünfstück.

Sieglinde Leitsch wird meistens von einem Kollegen zur Arbeit mitgenommen. Aber auch wenn sie mit dem Bus kommt, hat sie bisher immer ihren Arbeitsplatz punktgenau getroffen: "Probleme hatte ich nur, als vor dem Landratsamt die große Kanalbaustelle war."