Schon 30 Hilfswerker aktiv

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Philipp Weingärtner kennt sich mit Computern aus. Dieses Wissen gibt er als "Hilfswerker" an Edelgard Crämer weiter. Im Hintergrund schaut Projektleiterin Magdalena Döblinger über die Schulter. Foto: Ralf Ruppert
Philipp Weingärtner kennt sich mit Computern aus. Dieses Wissen gibt er als "Hilfswerker" an Edelgard Crämer weiter. Im Hintergrund schaut Projektleiterin Magdalena Döblinger über die Schulter. Foto: Ralf Ruppert

Der Verein Generationen-Netz hat eine neue Form der Nachbarschaftshilfe aufgebaut. Das Projekt kommt langsam in Schwung und soll auf alle Kommunen erweitert werden.

Bad Kissingen — Lange hat Edelgard Crämer jemanden gesucht, der ihr ihren neuen Tablet-Computer erklärt. "Im Laden hat man mir nur gesagt, dass er genauso funktioniert, wie ein normaler Computer", berichtet die Seniorin aus Bad Kissingen. Das half ihr schon alleine deshalb nichts, weil sie bisher nie einen Computer besaß. Nun trifft sie sich regelmäßig mit dem 25-jährigen Philipp Weingärtner, der ihr die Benutzung Schritt für Schritt beibringt.
Der Autodidakt am Computer sitzt im Rollstuhl. Behinderten-Beauftragter Bernhard Schlereth hat den jungen Mann auf die Arbeit des Mehrgenerationenhauses (MGH) und die Nachbarschaftshilfe aufmerksam gemacht. Allerdings war das MGH für den Rolli-Fahrer damals noch unerreichbar, obwohl er direkt nebenan wohnte: Kein Aufzug.

Nachfrage nach Computerkursen

"Hier sind wir jetzt endlich barrierefrei, das war auch ein wichtiger Grund für den Umzug", sagt MGH-Geschäftsführerin Iris Hönig. Noch am Tag der Eröffnung, dem 5. Mai, stellte sich Philipp Weingärtner vor. "Wir haben immer häufiger Nachfragen nach Computerkursen", berichtet Hönig. "Es gibt zum Beispiel Senioren, die mit ihren Enkeln in Amerika skypen möchten." Auch Edelgard Crämer besuchte schon einen Kurs. Der war zwar für Senioren konzipiert, aber Philipp Weingärtner erklärt es eben im "Einzelunterricht" viel besser.
Die Idee, Nachbarschaftshilfe und kleinere Dienstleistungen ehrenamtlich zu organisieren, findet Edelgard Crämer sinnvoll. Noch ist sie Nutznießerin, aber sie würde auch selbst helfen: "Ich könnte zum Beispiel Näharbeiten erledigen, außerdem kann ich noch die Sütterlin-Schrift lesen." Philipp Weingärtner will vorerst eher Arbeiten anbieten, geplant sei möglicherweise eine feste Computer- und Handy-Sprechstunde im MGH. Aber auch er findet die Idee der gegenseitigen Unterstützung gut: "Noch schaffe ich alles alleine, aber die Zeiten werden kommen, in denen ich auch Hilfe brauche."
Wenn sich die gegenseitigen Hilfeleistungen nicht zufällig ausgleichen, kommt Geld ins Spiel: "Acht Euro zahlen die, die eine Leistung in Anspruch nehmen, sechs Euro werden weitergereicht, vom Rest finanziert sich der Verein", erläutert Magdalena Döblinger. Sie betreut das Projekt seit Ende 2013. Jetzt stellte sie bei der ersten Dienstbesprechung der Landkreis-Bürgermeister das Projekt vor: "Es gibt schon 30 Hilfswerker", berichtete sie. In der Statistik stehen bislang rund 35 Einsätze und 70 geleistete Stunden. Die Nachfragen reichen von der Fahrt zum Arzt bis zum Beziehen des Bettes, von Rasenmähen bis Behördengängen, von der Grabpflege bis Handy-Erklären.
"Reich wird man von der Entschädigung nicht, aber man wird reich beschenkt an Erfahrungen", sagt Döblinger. Die Bürgermeister bat sie um Unterstützung beim Aufbau der Nachbarschaftshilfe. "Senioren werden bombardiert mit mehr oder weniger seriösen Angeboten", sagte sie. Die öffentlich geförderten Hilfswerker dagegen seien versichert, tauschen regelmäßig Informationen aus und werden wissenschaftlich begleitet.
"Diese Projekte funktionieren nur, wenn sie vor Ort getragen werden", warb auch Landrat Thomas Bold um Unterstützung der Bürgermeister. Wichtig sei, dass es nicht um eine Konkurrenz zu professionellen Angeboten oder bereits vorhandenem bürgerschaftlichen Engagement gehe.
Stattdessen sieht Bold das Projekt als Beitrag zu einer höheren Lebensqualität in den Dörfern: "Wir müssen schauen, dass die Menschen möglichst lang in ihrem persönlichen Umfeld bleiben können."