Was halten die örtlichen Schulleiter von der Rückkehr zum G 9? Mit Kommentar
Übernächstes Schuljahr geht's los. Mit den fünften und sechsten Klassen soll die G-9-Reform im Schuljahr 2018/2019 starten. Alle Viertklässler, die heuer nach den großen Ferien im Sommer aufs Gymnasium wechseln, sind die Ersten, die nach dem alten neuen System bis zum Abitur büffeln. Die CSU-Landtagsfraktion hat beschlossen, dass bayerische Gymnasiasten ab dem Schuljahr 2018/2019 wieder ein Jahr mehr Zeit bekommen. Die Reform kommt als Teil eines Bildungspakets für alle Schularten zusammen mit 1800 zusätzlichen Lehrerstellen. Mit der Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium ist das Hin und Her vorbei. Protest gegen die Verkürzung der Schulzeit gab es seit der Hauruck-Einführung im Jahr 2004. Wie reagieren die Schulleiter der Gymnasien im Landkreis?
Für die Schüler in der Unter- und Mittelstufe soll wieder weniger Unterricht am Nachmittag auf dem Stundenplan stehen. Nach der achten Klasse sollen Jugendliche auf die Überholspur wechseln können: Sie sollen während der neunten und zehnten Klasse am Nachmittag büffeln, damit sie die elfte Stufe überspringen oder für ein Auslandsjahr nutzen können. Zurück zum alten G 9: Holen die Schulen jetzt die alten Bücher wieder aus dem Keller?
Frank Kubitza, Schulleiter des Jack-Steinberger-Gymnasiums (JSG) in
Bad Kissingen, meint, es tue den Schülern gut, mehr Zeit zur Verfügung zu haben. Aber: "Kurvendiskussion bleibt Kurvendiskussion", sagt der Direktor. "Die Anforderungen sind dieselben. Arbeiten mussten die Schüler in G 8, und das müssen sie in G 9." Dass Schüler eine Klasse überspringen können, sei nichts Neues. Und die Option, ein Schuljahr im Ausland zu verbringen, wie es der Plan des Kultusministeriums vorsieht, werde am JSG längst gefördert. Frank Kubitza sieht es positiv, dass der Nachmittagsunterricht eingedampft wird: Das mache es für Schüler wie Lehrer entspannter. Kinder haben mehr Freizeit, und Lehrer können wieder einfacher Hausaufgaben aufgeben und Stoff vertiefen. Alte Schulbücher schlage dagegen kein Schüler auf: "Die Lehrpläne haben sich grundsätzlich geändert."
Ende der Diskussion
Oberstudiendirektor
Joachim Schwigon vom Münnerstädter Johann-Philipp-von-Schönborn-Gymnasium ist froh, dass nun endlich eine Entscheidung gefallen ist. Er findet gut, dass es eine einheitliche, flächendeckende Lösung gibt. Er hofft, dass nun wieder Ruhe einkehrt. Joachim Schwigon gehört zu den Lehrern, die das achtjährige Gymnasium gut finden. Aber, so seine Auskunft, auch das neunjährige sei prima, zumal es ab dem Schuljahr 2018/19 überall einheitlich eingeführt wird. Diese Entscheidung sei wichtig für die Eltern, findet Joachim Schwigon. Probleme bei der Umstellung vom acht- auf das neunjährige Gymnasium sieht der Münnerstädter Schulleiter nicht. Man habe jetzt die Zeit, sich darauf einzustellen. Auch der Ganztageszweig, der in Münnerstadt für das achtjährige Gymnasium eingeführt wurde, werde im neunjährigen Gymnasium attraktiv bleiben - davon ist der Münnerstädter Schulleiter überzeugt. Er geht davon aus, dass dann durch das Ganztagesmodell sogar noch mehr Zeit für die individuelle Förderung der Schüler bleibt.
Ab ins Ausland
Dass es künftig für Schüler die Möglichkeit geben soll, die elfte Klasse zu überspringen, ist für Joachim Schwigon nicht ganz neu. In den 1970er Jahren gab es am Münnerstädter Gymnasium sogar sogenannte Springerklassen. Einzelne Schüler werden das Angebot sicher künftig wahrnehmen, meint Schwigon. Die verlängerte Schulzeit bietet seiner Meinung nach vielleicht bessere Möglichkeiten, ein schulisches Auslandsjahr in der elften Klasse einzuschieben.
Das Hammelburger Frobenius-Gymnasium ist eines von 47 Pilot-Gymnasien in Bayern, das das Modell der "Mittelstufe plus" erproben darf. Der Elternbeirat hat sich dafür starkgemacht, dass das Modell bis zur Wiedereinführung von G 9 fortgesetzt werden kann. Das ist nun offenbar der Fall. "Das ist wichtig, weil auf diese Weise keine Lücke entsteht", erklärt Schulleiter
Helmut Schreiner. Die jetzigen Fünft-, Sechst- und Siebtklässler können laut Schreiner das Modell noch nutzen. In diesem Jahr können sich die Siebtklässler für "Mittelstufe plus" entscheiden. Nach Ostern beginnt die Anmeldephase.
Das Modell der "Mittelstufe plus" sieht zwischen den Jahrgangsstufen 9 und 10 die neue Jahrgangsstufe 9 plus vor. Zum ersten Mal gibt es im kommenden Schuljahr eine solche Klasse am Frobenius-Gymnasium.
Eltern stimmen für G 9
Die Zustimmung für die "Mittelstufe plus" am Frobenius-Gymnasium hat deutlich gezeigt, dass Eltern und Schüler sich eine längere Gymnasialzeit wünschen. "Nach Beginn der Pilotphase wurde offensichtlich, dass der Elternwille Richtung G 9 geht", meint Schreiner. Es sei aber klar gewesen, dass die "Mittelstufe plus" keine Dauerlösung sein könne. Der Pilotversuch sei aber wichtig gewesen.
Der jetzige Beschluss für G 9 sei "genau die Entscheidung, die wir uns gewünscht haben". Im Raumkonzept für die anstehende Sanierung des Frobenius-Gymnasiums ist das G 9 laut Schreiner eingeplant.
Am Nachmittag ausleben
Stefan Bub, Schulleiter des Franz-Miltenberger-Gymnasiums, begrüßt die Rückkehr zu G 9 ausdrücklich. "Das Wichtigste am Ergebnis ist, dass eine einheitliche Regelung getroffen wurde. Das kommt uns als kleiner Schule entgegen", kommentiert Bub. Modellversuche wie etwa am Frobenius-Gymnasium Hammelburg, parallel G 8 und G 9 anzubieten, sei bei einer Schülerzahl von etwa 350 Kindern und Jugendlichen in allen Jahrgangsstufen nur schwer möglich. Dass nun mehr Zeit eingeplant wird, um den umfangreichen Stoff zu vermitteln, freut Bub. "Wir erhoffen uns für die Schüler eine Entlastung."
Schüler individuell fördern
Gleichzeitig warnt Bub aber davor, den Kontrast zwischen G 8 und G 9 allzu stark zu betonen. Die verkürzte Gymnasialzeit habe auch positive Entwicklungen gebracht wie beispielsweise die Chance, Schüler individuell fördern zu können. Dennoch bleibe die Rückkehr zu G 9 ein Gewinn für ihn, auch pädagogisch. "Es bleibt mehr Zeit, Unterrichtsinhalte zu vertiefen und den Schulalltag zu entschleunigen", sagt Bub. Der verkürzte Nachmittagsunterricht komme zudem der Freizeitgestaltung der Schüler zugute. Auch das Franz-Miltenberger-Gymnasium profitiert davon, denn bisher waren die Zeitfenster, nachmittags Wahlangebote wahrnehmen zu können, für die Schüler recht begrenzt.
Ein Kommentar von
Carmen Schmitt
Keine Angst vor weißen Flecken
Liebe Eltern, schreibt den Wochenplan neu! Nur keine Angst vor weißen Flecken auf dem Stundenplan des Nachwuchses. Nach dem Motto: "Mut zur Lücke". Das soll so. Anordnung von ganz oben. Ab dem übernächsten Schuljahr haben bayerische Gymnasiasten wieder ein Schuljahr mehr Zeit für den Stoff. Der Unterricht am Nachmittag soll für die Unter- und Mittelstufe eingedampft und der verdichtete Lehrplan wieder entzerrt werden. Die Leistungskurse in der Oberstufe und die alten Schulbücher gibt´s nicht zurück, dafür mehr Lehrer.
Der Streit um die richtige Zeit zum Lernen dauerte so lange wie die Schulzeit eines Abiturienten im alten neuen G 9. Ruckzuck war das Abi in acht Jahren vor 13 Jahren in Bayern einführt worden. Stoiber sei Dank. Ruckzuck war der Aufreger perfekt. Der Plan der Politik: schneller zum Abschluss, schneller ins Büro, schneller Steuerzahler. Die Wirklichkeit: verunsicherte Eltern, Minderjährige mit Manager-Tagesplänen, vollgestopfte Hörsäle, planlose Studienabbrecher, verwirrte Sinnsuchende. Schluss, aus, vorbei: weg vom Turbo-Abi. Endlich mehr Zeit! Zeit fürs Lernen, Zeit fürs Leben, Zeit für Freizeit. Nicht mehr länger entweder oder. Mathe oder Trompete üben? Physikformeln pauken oder mit den Fußball-Kollegen bolzen? Bio-Nachhilfe oder auf der Bühne proben? Freilich, Überflieger haben alles hingekriegt. Trotz des verdichteten Lehrplans und mithilfe der Fangesänge von Mama und Papa. Vielen anderen blieb die Wahl.
Entschleunigung. Ein Wort, das Wunder wirkt, bei dem, der es wahr macht. Eine traurige Empfehlung. Besonders, wenn die nicht in einen Aktenkoffer, sondern in einen Schulranzen gestopft wird. Weniger Druck gleich mehr Luft gleich mehr Leichtigkeit. Oder: Lücken machen das Leben leichter. So klappt's auch gleich besser mit den Vokabeln. Liebe Eltern, vergesst die weißen Flecken auf dem Wochenplan nicht.