Publikum gab Takt vor

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Elisabeth Magnor verführte mit großen Gesten beim Neujahrskonzert der Berliner Symphoniker unter Dirigent Lior Shambadal. Foto: Werner Vogel
Elisabeth Magnor verführte mit großen Gesten beim Neujahrskonzert der Berliner Symphoniker unter Dirigent Lior Shambadal. Foto: Werner Vogel
Elisabeth Magnor und Lior Shambadal als kongeniales Duett. Foto: Werner Vogel
Elisabeth Magnor und Lior Shambadal als kongeniales Duett. Foto: Werner Vogel
 
Elisabeth Magnor"s musikalische Neujahrsgrüße . Foto: Werner Vogel
Elisabeth Magnor"s musikalische Neujahrsgrüße . Foto: Werner Vogel
 
Russische Offiziersmützen für den Kapellmeister und den 2. Geiger zur Musik aus Georgien. Foto: Werner Vogel
Russische Offiziersmützen für den Kapellmeister und den 2. Geiger zur Musik aus Georgien. Foto: Werner Vogel
 

Die Berliner Symphoniker mit ihrem Dirigenten Lior Shambadal und Sopranistin Elizabeth Magnor verführten ihr Publikum zu Beifallsstürmen.

Was beim legendären Neujahrskonzert in Wien undenkbar ist, wagten die Berliner Symphoniker mit ihrem Schelm am Pult. Eine Zugabe nach dem Radetzky Marsch? Geht eigentlich gar nicht, es sei denn Lior Shambadal dirigiert, reißt das Publikum mit und kündigt nach drei Zugaben inklusive des Johann Strauß'schen Ohrwurms noch einen Tabubruch an: Angefeuert von einem restlos begeisterten Publikum spielten sie nach dem Radetzky Marsch als Zugabe zu den Zugaben nochmals
"Bahnfrei" von Eduard Strauß und die vorher schon geübte Dampflokfahrt trieb als Mitklatschorgie die Zuschauer endgültig von den Stühlen. Danach aber bittet der Maestro um Gnade: Silvester zwei Konzerte in Berlin und Neujahr in Bad Kissingen seien auch für den Pfundskerl und seine Musiker genug.
Das Neujahrskonzert im Kissinger Winterzauber mit den Berliner Symphonikern unter Lior Shambadal ist auch deshalb ein Garant für ein ausverkauftes Haus, weil klassische Musik an Neujahr auch heiter sein darf, wenn auf hohem Niveau musiziert wird. Und bei aller Lockerheit, mit der Shambadal seine Musikauswahl moderiert, Abstriche bei musikalischer Qualität lässt er nicht zu.

Neue Musik überzeugt

Seine Berliner Symphoniker, die er seit 1997 führt, sind ein Klangkörper, der sich auf internationaler Bühne einen beachtlichen Ruf erspielt hat. Dass Shambadal dabei nicht nur die Juwelen klassischer Musik ausgesucht hat, sondern mit Bernstein, Chatschaturjan, Charpentier und Elgar zeitgenössische Komponisten anbietet, unterstreicht den Anspruch des israelischen Dirigenten.
Man darf den Berlinern durchaus bescheinigen, dass gerade in der neuen Musik ihre Stärke liegt. So vermeinte man bei Elgars "Salut d'amour" ein Liebesgedicht zu hören. Schmeichelnd schwingt die Themamelodie von der Klarinette zur Oboe und klingt im Duett wunderbar weich aus. Bernsteins "Candide" Ouvertüre hingegen fordert vor allem die Schlagwerker heraus, denn da soll alles was tönen kann, virtuos zusammenklingen. Die charakteristischen Bernstein'schen Rhythmen zu befeuern, gelang den Musikern ausgezeichnet.
Der Walzer aus der Suite "Maskerade", erster Teil einer Bühnenmusik des 1978 verstorbenen georgischen Komponisten Aram Chatschaturjan, klang noch nach Ballgeflüster am Zarenhof, aber schon die von Hörnern getragene "Nocturne", führte in die Weiten Russlands und die "Mazurka" ließ das kommende Unheil des Bühnenstücks erahnen. Nur wenig abgemildert in der "Romanze" endete die Suite in einem furiosen "Galopp", rassig, mit wuchtigen Klangbildern, denen präzise gespielte, schrille sechzehntel Dissonanzen als Echo folgten, die unter die Haut gingen.
Das wäre, in einem Guss gespielt, eine nachhaltige Werbung für zeitgenössische Musik gewesen, wenn der Dirigent nicht jede der kurzen Sequenzen durch Ansage als kleines Häppchen serviert hätte. Den Spannungsbogen der sich steigernden Dramatik der "Maskerade" hätte man gerne im Ganzen ausgekostet. Das war aber auch der einzige Wermutstropfen. Tschaikowskis wuchtiges "Schwanensee" Thema, die quirlige Ballszene aus Berlioz" Sinfonie "Roméo et Juliette" und "Juliette Walzer" aus der Oper von Charles Gounod, gerieten schwungvoll und charakteristisch.

Verführung in Person

"Die Verführung" hatte Lior Shambadal das Konzert überschrieben und dazu braucht es neben der passend ausgewählten Musik auch Eine, die verführt. In Elizabeth Magnor hatte er eine bezaubernd kapriziöse Sängerin mitgebracht. Die junge Sopranistin aus New York sang zum Einstieg die Koloraturarie "Depuis le jour" aus der Oper "Louise" wie eine abgeklärte Diva völlig sicher, um bei Donizettis "Prendi" aus dem Liebestrank, ihre erwachte Liebe mit weichem Timbre ganz eindringlich zu schildern.
Sie konnte aber auch anders. In Bernsteins "I feel pretty" ließ sie die Zuhörer teilhaben an ihrem Glück. Stimmgewaltig, überzeugend und auch in der Höhe völlig sicher riss die Neu-Berlinerin zum Abschluss mit Lehar's "Meine Lippen, die küssen so heiß" die Zuhörer zu Beifallsstürmen und rhythmischem Klatschen hin.
Ein mitreißendes Konzert, festlich und mit einem immer heiteren Grundton, den die launige Moderation des Lior Shambadal zu einem Erlebnis werden ließ, ganz so, wie man es vom Neujahrskonzert mit den Berliner Symphonikern gewohnt ist.