Knochen und Kragenspiegel
Richard Sennecke (Stettin), Hugo Blankenburg (Witterda), Günter Ulrich (Berlin), Werner Zupp (Köslin) und ein Unbekannter wurden bei der deutsch-russischen Feierstunde beigesetzt. Einer von ihnen ist der 500 000. deutsche Gefallene, den der Volksbund in Russland, der Ukraine und Weißrussland auf einem Sammelfriedhof eingebettet hat. Weitere folgen.
An der Fernstraße Moskau-Velikie Luki nahe dem Dorf Jakuschina arbeitet unter Leitung von Uwe Lemke ein Trupp des Umbettungsdienstes. Die Russen suchen in nach den Gebeinen von 37 Toten, die hier 1943 beigesetzt wurden. Sie finden Knochen, ein Gebiss, Koppelschlösser, Kragenspiegel, Erkennungsmarken. Alles wandert in hellblaue Plastiksäcke, die "Umbettungshüllen". Sie liegen in Reih' und Glied. "Es könnte mehr sein", sagt Gruppenleiter Lemke.
Aber auch diese Gräber seien - "wie fast alle in Russland" - auf der Suche nach Verwertbarem geplündert worden. Das mache die Arbeit des Volksbunds oft unmöglich, bedauert Lemke: "Wir wollen bergen, umbetten und den Gefallenen einen Namen geben. Aber ohne eine Erkennungsmarke..."
Jewgenij Demidow bringt Uwe Lemke eine Grabflasche, "ein seltener Fund". Sie wurde neben den Gebeinen eines Mannes gefunden.
Aus dem Behälter fingert Demidow einen maschinengeschriebenen Zettel. Darauf steht, wer der Gefallene ist: Oberschirrmeister Heinz T. von der 10. Kompanie des Transportregiments 602 . Der 27-Jährige ist am 27. Januar 1942 nach einem Kopfschuss gestorben.
Ein Ort zum Trauern
Seine Gebeine kommen samt Umbettungshülle in einen kleinen Pappsarg und in ein Depot. Die Erkennungsmarke wird nach Deutschland geschickt.
Dort wird geklärt, wer der Tote ist und wann er gestorben ist. Dann wird er auf einem Sammelfriedhof beigesetzt, sein Name wird in eine Stele graviert. Die Angehörigen haben - endlich - einen Ort zum Trauern.
Ortswechsel: Galina Chmylkowa (81) kümmert sich um ein kleines Museum am Soldatenfriedhof Rshew 200 Kilometer westlich von Moskau. Dort, in der Gegend um Smolensk, tobten 1943 furchtbare Kämpfe.
26 000 Deutsche haben im "Park des Friedens" in Rshew ihre letzte Ruhestätte gefunden.
"Völker müssen sich verstehen"
Den Besuchern, vor allem Schulklassen, schildert die frühere Deutschlehrerin Galina Chmylkowa ihre Erfahrungen im Krieg - "das Schlimmste war der Hunger und die Bomben" - aber auch in Deutschland. Sie musste 1943 ihre Mutter begleiten, die bei Erfurt Zwangsarbeit leistete.
Dort hütete sie Puten - zusammen mit einem zwölfjährigen Deutschen ("sein Vater liegt auch bei uns" auf dem Friedhof). Nach ihrer Rückkehr in die Heimat wurde sie lange behandelt wie eine Aussätzige. Heute ist sie Vorstandsmitglied des örtlichen Veteranenvereins.
Sie hat viel für die deutsch-russische Versöhnung getan und dabei erkannt: "Die Völker müssen sich nicht lieben, aber sie müssen sich verstehen."
Wann Die flächendeckende Sammlung dauert vom 18. Oktober bis 3. November. Das OA-Bataillon engagiert sich bis einschließlich 28. November im Landkreis Bad Kissingen, in Karlstadt, Gemünden und im Großraum Aschaffenburg.
Wofür Der Volksbund Kriegsgräberfürsorge baut und betreut 832 deutsche Soldatenfriedhöfe mit 2,5 Millionen Toten in aller Welt. Mit zehn Euro kann ein Grab in Russland ein Jahr gepflegt werden. Infos unter www.volksbund.de. ed