Die Zahl der antisemitischen Straftaten in Unterfranken steigt weiter. Unter anderem beschäftigte Polizei und Staatsanwaltschaft eine ganze Serie judenfeindlicher Schreiben einer obdachlosen Frau.
Im vergangenen Jahr hat die Polizei in Unterfranken 55 antisemitisch motivierte Straftaten registriert. Das ist ein leichter Anstieg gegenüber den 49 Taten im Vorjahr. Intensiv beschäftigte die Kriminalpolizei eine Frau, die mehrere hundert Schreiben mit beleidigenden, bedrohenden und antisemitischen Inhalten wahllos an Menschen und Institutionen in ganz Deutschland verschickt haben soll. Knapp die Hälfte der registrierten Taten müsse man dieser Frau zuordnen, so die Polizei.
Laut Erkenntnissen der Ermittler hat die "Vielschreiberin", die ohne festen Wohnsitz in Würzburg lebt, die Briefe handschriftlich verfasst und dann in den Briefkasten geworfen. Anhand des Schriftbildes und des Poststempels habe man ihr die Schreiben zuordnen können, sodass gegen sie Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet wurde.
Fast alle politisch rechts motiviert
Die Anklagebehörde aber hat ihre Ermittlungen gegen die Obdachlose nun eingestellt. Die Untersuchung durch einen Gutachter habe ergeben, dass die Frau schuldunfähig ist, erläutert die Staatsanwaltschaft Würzburg gegenüber der Zeitung.
Die 55 Straftaten, die in der Statistik erfasst sind, ordnet die Polizei - mit einer Ausnahme - dem politisch rechten Spektrum zu. Ermittelt werde in aller Regel wegen Volksverhetzung - aufgrund von Kommentaren und anderen Beiträgen in den sozialen Medien und Messenger-Diensten, heißt es auf Nachfrage. Hinzu komme ein Gewaltdelikt im Raum Gerolzhofen (Lkr. Schweinfurt). Dort habe im Rahmen eines Hilfseinsatzes ein "erheblich alkoholisierter Tatverdächtiger" Widerstand gegen die Helfer geleistet und diese dabei antisemitisch beleidigt.
Unterdessen dauern die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Demonstration gegen die Corona-Politik in Würzburg an. Circa zehn Personen trugen bei der Versammlung am 29. Oktober 2021 vor dem Hauptbahnhof auf ihren Jacken runde gelbe Aufkleber mit der Aufschrift "ungeimpft". Offensichtlich ist das eine Anspielung auf den gelben Stern, den sich Jüdinnen und Juden ab 1941 in Nazi-Deutschland anheften mussten. Die Demonstrantinnen und Demonstranten zogen also einen Vergleich zur Lage von Millionen Opfern, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet worden waren.
Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) Bayern hatte den Vorfall zunächst in den sozialen Medien öffentlich gemacht. Ob eine solche Instrumentalisierung von jüdischen NS-Opfern strafbar ist, weil so der Holocaust verharmlost wird, ist unter Juristen umstritten. Die Staatsanwaltschaft bejahte jedenfalls im Januar einen Anfangsverdacht der Volksverhetzung und startete Ermittlungen gegen unbekannt.
Ermittlungen wegen Volksverhetzung
Auch im Falle eines Mannes aus dem Landkreis Kitzingen, der in einem Facebook-Post die 2G-Zugangsregelung einer Diskothek mit dem "Prinzip des Judensterns" verglichen hatte, ermittelt die Staatsanwaltschaft weiter, heißt es auf Nachfrage. Der Vorwurf lautet auch hier: Volksverhetzung. Michael Czygan