Die Reibereien im Rhönklub ebben nicht ab

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Die Wimpel repräsentieren die Zweigvereine des Rhönklubs. Deren Mitglieder sind enttäuscht vom teilweise heftigen Verlauf der Hauptversammlung, wie eine Nachfrage ergab.
Die Wimpel repräsentieren die Zweigvereine des Rhönklubs. Deren Mitglieder sind enttäuscht vom teilweise heftigen Verlauf der Hauptversammlung, wie eine Nachfrage ergab.
Marion Eckert
Der kommissarische Vorsitzende der Region Saale-Sinn, Bernhard Walter, musste verbale Ohrfeigen vom Rhönklub-Präsidenten einstecken.
Der kommissarische Vorsitzende der Region Saale-Sinn, Bernhard Walter, musste verbale Ohrfeigen vom Rhönklub-Präsidenten einstecken.
Marion Eckert

Die Hauptversammlung des Gesamtrhönklubs hatte es in sich: Heftige Diskussionen, abgelehnte Anträge und die Wiederwahl des Präsidenten. Delegierte verlassen während der Versammlung den Saal.

Streitgespräche, persönliche Anfeindungen, Beharren auf Formalitäten und der Abbruch eines Vortrags - wie groß die Unzufriedenheit innerhalb des Rhönklubs ist, wurde bei der Delegiertenversammlung in Poppenhausen deutlich. Zwischen Teilen der Basis und dem Hauptvorstand, beziehungsweise Rhönklub-Präsident Jürgen Reinhardt, besteht offensichtlich eine große Diskrepanz. Ihm gelang es auch in Poppenhausen nicht, versöhnend und verbindend zu agieren. Im Gegenteil: Er ging seinerseits engagierte Mitglieder der Saale-Sinn Region verbal heftig an.

Posten bleiben unbesetzt

Dabei wurde Reinhardt bei dieser Versammlung als Präsident im Amt bestätigt, mit 117 Stimmen von 155 Delegierten. Doch bei der Besetzung der weiteren Positionen zeigte sich, wie schwach der Hauptvorstand ist. Offen bleiben müssen die Posten des Hauptwanderwartes und des Hauptnaturschutzwartes. Kandidaten für diese Kernfunktionen des Rhönklubs fanden sich nicht. Der Hauptwegewart wird nicht vom Rhönklub selbst gestellt, diese Aufgabe übernimmt Alvaro Sanchez, ein beim Naturpark und Biosphärenreservat bayerische Rhön angestellter Hauptwegekoordinator. Er darf für den Rhönklub mit beschränkter Arbeitszeit tätig sein.

Mit eigenem Personal bestückt der Rhönklub den Posten des Hauptkulturwartes, um den sich Matthias Flory (Hünfeld) bewarb sowie Hauptfamilienwartin Alexandra Klemm (Unterelsbach). Sie wurde ebenso im Amt bestätigt wie Edith Zink (Unterelsbach) als Schriftführerin. Die Kassengeschäfte werden auch nicht mehr von einem Mitglied, sondern von einem Steuerbüro geführt. Die Schriftleitung für die Vereinszeitschrift liegt weiterhin in den Händen von Bernd Müller-Strauß.

Über zehn Anträge lagen vor

Bevor die Wahl überhaupt stattfinden konnte, ja bevor sich die Delegierten auf die Tagesordnung einigen konnten, gab es schon Reibereien. Über zehn schriftliche Anträge lagen dem Hauptvorstand vor, sie standen auf der Tagesordnung als letzter Punkt. Die Vorsitzende des Rhönklub-Zweigvereins Gersfeld, Margit Trittin, hatte den Antrag gestellt, dies alles vor der Wahl zu behandeln. Das seien wichtige zukunftsweisende Themen. Unter anderem begründete sie ihren Antrag mit der Sorge, dass sich die Versammlung zu lange hinauszögern werde und keine Zeit und Geduld mehr vorhanden sei, die Zukunftsthemen des Rhönklubs zu behandeln. Mehrere Abstimmungen aufgrund von Unklarheiten unter den Delegierten waren notwendig, bis Trittins Antrag mit 85:72-Stimmen abgelehnt war.

Vortrag abgebrochen

Für weiteren Zündstoff sorgte der nachträglich eingeschobene Vortrag von Benjamin Günder (Eichenzell), dem Sohn des ebenfalls wieder gewählten Vize-Präsidenten Bernd Günder, zur Digitalisierung. Sein Referat zur Geschichte der Digitalisierung wurde als zu ausufernd und nicht ausreichend vorbereitet kritisiert - und nach über einer halben Stunde abgebrochen. Dabei stellten die Antragsteller klar, dass sie nicht gegen die Digitalisierung des Rhönklubs seien, sondern dieses wichtige Thema über einen Arbeitskreis aufbereitet sehen wollen. Zumal unklar erschien, welche Art der Interessenverquickung Günders möglicherweise gegeben sei.

Vor seiner Wiederwahl wurde der Rhönklub-Präsident von Georg Will (Mellrichstadt) aus der Region Saale-Sinn gefragt, welche Ziele er sich für die nächste Wahlperiode stelle und wie er zu den kürzlich von der Region vorgeschlagenen Zukunftszielen stehe. "Es geht um die Frage, ob sie mit ihrer Person den Rhönklub in die Zukunft führen können. Es hat sich in den vergangenen Jahren herausgestellt, dass Sie relativ wenig Ziele hatten. Wir sind mehr ein Altherren- und Altdamen-Verein geworden. Es hat sich nichts bewegt", so Will.

Persönliche Angriffe

Die Vorschläge aus der Saale-Sinn-Region beantwortete Reinhardt mit seinem schriftlich vorbereiteten Statement. 30 Zweigvereine zählt die Saale-Sinn-Region, 18 beteiligten sich am Zukunft-Workshop, sechs hatten sich entschuldigt. Der Rhönklub-Präsident sprach den Vertretern ab, für ihre Vereine zu sprechen, sondern zählte sie als Privatpersonen, und damit seien sie nur 0,15 Prozent der Gesamtmitglieder. Persönlich griff er den kommissarischen Vorsitzenden der Saale-Sinn-Region, Bernhard Walter (Oberweißenbrunn) an, unterstellte ihm die Vereine zu manipulieren, sprach von "Täuschungsmanövern" und vermutete, dass es Walter nur darum ginge ihn als Präsidenten loszuwerden. "Dafür ist ihm jedes Mittel recht. Er schreckt auch nicht vor Verleumdung und Lügen zurück." Proteste aus der Delegiertenversammlung würgte Reinhardt mit einem herrischen "Ruhe" ab.

"Vereinsterrorismus"

Als "perfides Pamphlet" bezeichnete Reinhardt ein Schreiben Walters, in dem er ihm nahe gelegt habe, sich von der Rhönklub-Arbeit zurückzuziehen. "Vereinsterrorismus", so Reinhardt. Walter kommentierte: "Ich stehe zu diesen Ohrfeigen. Wir wollen uns als Regionsvorstand mit dem Hauptvorstand zusammensetzen und haben keine Rückmeldung bekommen und warten jetzt auf die Einladung des Hauptvorstandes und sonst gar nichts. Es soll über Inhalte gesprochen werden, sachlich über die Zukunft des Rhönklubs."

Ein ganzes Bündel an Anträgen lag dem Hauptvorstand vor. So beantragte der Zweigverein Mellrichstadt eine Änderung der Geschäftsordnung. Neben Fragen der Ausstattung der Geschäftsstelle ging es um die Besetzung offener Stellen. Der Bewerberauswahl müsse der geschäftsführende Hauptvorstand zustimmen, um für die notwendige fachliche Eignung des Personals zu sorgen. Auf diese Weise sollte verhindert werden, dass ausschließlich der Präsident Posten besetzt, so der Inhalt des Antrags.

Beschlussfähigkeit gegeben?

Ein heftiger Wortwechsel entspann sich zum Thema Personal-Qualifikation und Vetternwirtschaft. Der Präsident wollte den Antrag wegen Nichtigkeit von der Tagesordnung nehmen, da sich der Hauptvorstand ohnehin auf Basis der Satzung die Geschäftsordnung selbst gibt. Letztlich wurde abgestimmt und der Antrag abgelehnt. Doch zu diesem Zeitpunkt hatten schon viele Delegierte den Saal verlassen. Ob überhaupt eine Beschlussfähigkeit gegeben war, wurde nicht überprüft.

Der Antrag aus Mellrichstadt sollte auch den Weg bereiten, um einen qualifizierten hauptamtlichen Geschäftsführer einzustellen. Dieser Antrag wurde von der Saale-Sinn-Region gestellt. Laut Reinhardt habe dies der Hauptvorstand schon beschlossen, doch aus Kostengründen und sozialer Verantwortung werde eine "Billiglösung" angestrebt. Eine der Damen der Geschäftsstelle solle diese Funktion übernehmen. "Der Hauptvorstand bestimmt die Modalitäten", sagte Reinhardt und entfachte damit erheblichen Diskussionsstoff.

Über mehrere Anträge von Zweigvereinen, unter anderem aus dem Zweigverein Gersfeld, namentlich aufgeführte Mitglieder als Beisitzer in den Hauptvorstand zu berufen, wurde nicht abgestimmt. Laut Reinhardt nehme ausschließlich der Hauptvorstand Berufungen vor, und zwar Manfred Jordan (Region Fulda), Klaus Neißer (Region Saale-Sinn), Lothar Schmitt (Region Ulster) und Dr. Silvio Hartmann (Region Werra). Über den Antrag von Margit Trittin eine Zukunftswerkstatt "Zukunft und Kommunikation" für den Gesamtrhönklub nach dem Vorbild der Saale-Sinn Region ins Leben zu rufen, wollte der Rhönklub-Präsident nicht abstimmen lassen. "Weil schon genug über Kommunikation gesprochen wurde." Die Delegierten bestanden auf Abstimmung und sprachen sich für eine Zukunftswerkstatt aus.

Nicht realisierbar sei der Antrag von Margit Trittin zu Informationen der Mitgliederentwicklung des Gesamt-Rhönklubs in den Jahren 2010 bis 2020 aufgeschlüsselt nach Altersstruktur und Geschlecht. Da keine Unterlagen geführt werden, seien Informationen nur über die Jahre 2020 und 2021 zu geben, so der Präsident. Der Antrag des Würzburger Zweigvereins, den Kalender-Versand über den Hauptvorstand zu organisieren, wurde abgelehnt. Dies würde den Hauptvorstand 30 000 Euro kosten. Eine Versendung mit der Vereinszeitschrift sei organisatorisch nicht möglich, erklärte Reinhardt.

Angenommen wurde der Antrag von Margit Trittin künftig wieder ganztägige Hauptversammlungen zu organisieren, um mehr Raum für Austausch und Impulsvorträge zu bieten. Angenommen wurde der Antrag des Präsidenten, den Zweigverein Elm aus dem Rhönklub auszuschließen, da seit 2015 keine Vereinstätigkeit mehr erfolge und unklar sei ob der Verein überhaupt noch existiere. Zugestimmt wurde der Fusion der Zweigvereine Reichenhausen und Kaltensundheim.

Die nächste Hauptversammlung des Rhönklubs wird am 10. Juli vom Rhönklub-Zweigverein Bischofsheim in Frankenheim (Rhönhalle) ausgerichtet.

Stimmen zur Hauptversammlung

Albrecht Back, Vorsitzender des Zweigvereins Salz, fragt sich nach den teils heftigen Debatten bei der Jahreshauptversammlung des Gesamt-Rhönklubs, wie der weitere Umgang mit dem Präsidenten Jürgen Reinhardt aussehen kann. "Er war es, der das Gift in die Debatte getragen hat." Schon vor zwei Jahren bei der Wanderjahr-Eröffnung auf dem Kreuzberg habe er von "subversiven Kräften" gesprochen. "So etwas geht nicht. Das ist undemokratisch. Er ist nicht offen für Vorschläge und verkehrt sie ins Negative", so Back. Respekt habe er für Bernhard Walter, den kommissarischen Vorsitzenden der Saale-Sinn Region. Der habe die persönlichen Angriffe des Präsidenten ruhig und souverän in Kauf genommen.

Profi gefordert

Einiges habe sich Back bei der Hauptversammlung nicht erschlossen. Das Thema Geschäftsführer beispielsweise. Der Hauptvorstand habe offenbar beschlossen einen Geschäftsführer einzustellen, doch nicht so, wie es der Antrag der Saale-Sinn Region wollte, dass eine Person von außen - hauptamtlich - den Rhönklub auf Vordermann bringe. Stattdessen soll nach Vorstellung des Präsidenten eine Mitarbeiterin der Geschäftsstelle diesen Posten übernehmen.

Dass der Saale-Sinn-Vorschlag unter dem Aspekt der Kosten und einer drohenden Beitragserhöhung von Seiten des Präsidenten verhindert werden soll, ist für Back kein Argument. "Der Rhönklub sitzt auf 300 000 Euro. Um in die Zukunft zu investieren, muss auch mal Geld in die Hand genommen werden. ... Ein Profi hat durchaus andere Möglichkeiten als die Damen der Geschäftsstelle, an Fördermittel heranzukommen."

Als "unsäglich" und "unmöglich eingefädelt" bezeichnete Back die Debatte um die Digitalisierung. Natürlich müsse sich der Rhönklub digital aufstellen und habe großen Nachholbedarf, doch so einiges blieb bei der Vorstellung durch den Vertreter des Rhönklubs Eichenzell im Dunkeln. Unklar, wer hier am Ende möglicherweise profitiere. Andererseits hätten sich aber auch Vertreter von Zweigvereinen in der Versammlung mit ihren Kommentaren nicht mit Ruhm bekleckert.

Hammelmann: Es war heftig

Dieser Ansicht ist auch Thomas Hammelmann (Stellvertretender Vorsitzender Rhönklub Bad Kissingen). "Es war schon heftig", sagt er. Sicher, der Präsident sei "aus der Rolle gefallen", doch auch Eingaben eines Vertreters der Saale-Sinn Region seien übers Ziel hinaus geschossen. Unfair fand Hammelmann die Buh-Rufe gegen den Präsidenten. "Das ist auch nicht akzeptabel. Warum haben diese Personen keinen Gegenkandidaten gestellt?" Hammelmann gibt sich die Antwort selbst: "Es hätte mich gewundert, wenn sich jemand gemeldet hätte. Da stellt sich keiner freiwillig hin."

Zum Thema Geschäftsführer sagt Hammelmann: "Der Präsident versuchte den Vorschlag unter dem Tisch zu halten. Mit dem Personal der Geschäftsstelle ist das aber nicht zu leisten, das macht keinen Sinn." Hammelmann weist aber darauf hin, dass Jürgen Reinhardt viel Zeit in den Rhönklub investiere, allerdings neue Ideen und neuen Schwung gebe es nicht. "Er macht seine Arbeit, lässt aber vieles auch dahinplätschern."

Spaltung schon im Gang

Die Saale-Sinn-Region des Rhönklubs kommt am 13. November in Oberbach zu ihrer Hauptversammlung zusammen. Ein Vertreter eines großen Zweigvereins wünscht sich eine "Trotzreaktion" der Region im Sinne von "jetzt erst recht", dass die Region ihrerseits ihre Vorstellungen umsetzt und vorangeht. Dies könnte zu einer weiteren Spaltung im Rhönklub beitragen. Man beobachte schon seit längerem eine Spaltung der Region Fulda gegen die Region Saale-Sinn.