Am Wochenende ist die Bad Kissinger Postkutsche in die Saison gestartet. Ehrengast zur Eröffnung war Landtagspräsidentin Barbara Stamm.
"Ich werde auf Schiffen nie seekrank. Da werde ich auch jetzt keine Probleme bekommen", sagt Landtagspräsidentin Barbara Stamm, als sie vor dem Regentenbau die Postkutsche nach Bad Bocklet besteigt. Sie ist in diesem Jahr der Ehrengast der Saison-Eröffnungsfahrt des werbewirksamen Vierspänners. Für sie ist das keine Premiere, denn sie war 1998 schon einmal eingeladen. "Deshalb wusste ich auch, worauf ich mich freuen kann."
Kissinger Alleinstellungsmerkmal
Aber Barbara Stamm weiß natürlich von der Bedeutung dieser nostalgischen Einrichtung, betont, wie wichtig es ist, diese Tradition aufrecht zu erhalten: "Da haben die Menschen Gelegenheit, in aller Ruhe die Region kennen zu lernen, zu sehen, wofür sie lebt, und auch ein bisschen Gemeinschaft zu erleben."
Die Kissinger Postkutsche ist mittlerweile ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Natürlich gibt es in Deutschland noch eine ganze Reihe dieser gelb-schwarzen Gefährte, die auch eingesetzt werden, wenn die Thurn-und-Taxis-Nostalgie hochzuhalten ist. Aber in einem regulären Linienbetrieb mit festen Fahrzeiten und Strecken gibt es in ganz Deutschland nur noch eine einzige Postkutsche, nachdem vor zwei Jahren die letzte Konkurrentin in Garmisch-Partenkirchen eingestellt wurde.
Startschuss bei der Reichspost
Für einen charmanten Anachronismus hat die Bad Kissinger/Bad Bockleter Postkutsche eigentlich schon eine lange Geschichte. Im Frühjahr 1939 schickte die Deutsche Reichspost das erste vierspännige Gefährt auf die Strecke. Aber die Kutsche tanzte nur einen Sommer. Dann brach der Zweite Weltkrieg aus, und Nostalgie war nicht mehr gefragt. Weiter ging es erst wieder 1950 - eine Entscheidung, die durchaus einen praktischen Hintergrund hatte: Angesichts einer radikalen Benzinknappheit und von Holzvergaserfahrzeugen, die mehr standen als fuhren, hatte eine gras- und haferbetriebene Alternative großen Charme.
Privater Betreiber für Postkutsche
Ende der 70er Jahre wurde aus Kostengründen eine Einstellung der Linie in Betracht gezogen. Letztlich wurde der Betrieb auf private Füße gestellt, ohne die Beziehungen zur Post ganz zu kappen. 2005 wurde zur Absicherung des Betriebes der Verein der Freunde der Postkutsche gegründet, dessen Vorsitzender seitdem Postpräsident a. D. Werner Scheller ist.
In dem Verein haben sich die Sponsoren zusammengeschlossen: neben der Post die Stadt
Bad Kissingen und die Staatsbad GmbH, die Gemeinde und die Touristik GmbH Bad Bocklet, der Landkreis Bad Kissingen und der Bezirk Unterfranken. Sie sichern das Überleben. "Wenn nur einer von ihnen abspringt, ist Schluss", sagt Geschäftsführer Wolfgang Wimmel. Die Sponsoren zahlen etwa zwei Drittel der Betriebskosten, ein Drittel kommt aus dem Verkauf der Fahrkarten. Mit diesen Einnahmen lässt sich stabil rechnen, denn die Kutsche hat eine Auslastung von fast 100 Prozent. Im letzten Jahr waren es 730 Fahrgäste, die von Kutscherin Yvonne Körner und Postillionin Stephanie Seufert gefahren wurden. Werner Scheller geht davon aus, dass diese Auslastung auch 2018 bleiben wird, denn "dann werden wir die Fahrpreise nach 20 Jahren Preisstabilität geringfügig erhöhen."
Der Verein muss finanziell auf Kante nähen. Das zeigte sich besonders deutlich 2008, als er vor der Frage stand, ober er das 1967 in Bamberg gefertigte "Berliner Coupé" restaurieren oder durch ein neues Fahrzeug ersetzen sollte. Die Kosten wären nahezu identisch gewesen. Der Verein entschied sich für einen Neukauf - und damit falsch. Das von einer mittelfränkischen Firma gelieferte Gefährt war so stark mängelbehaftet, dass sie es nach einem Jahr wieder zurücknehmen musste. Das Berliner Coupé wurde jetzt hergerichtet und steht wieder sehr gut da. "Das fährt noch 20 Jahre", sagt Wolfgang Wimmel. "Mindestens."
Hatte vor dem Regentenbau die Bad Kissinger Postkapelle die Kutsche mit einem Standkonzert auf die Reise geschickt, war es am Ziel die Blaskapelle Bad Bocklet, die in Begleitung der "Historischen" die Reisenden am Ortsrand empfing und ins Zentrum hineinspielte. Für Bürgermeister Wolfgang Back war die Begrüßung der Gäste seine letzte Amtshandlung. Am nächsten Tag trat er in den Ruhestand.
Infos zur Postkutsche
Fahrzeiten Die Postkutsche fährt von Mai bis Oktober jeweils am Freitag und Sonntag nach Bad Bocklet, am Donnerstag und Samstag zum Schloss Aschach. Abfahrt ist jeweils in Bad Kissingen am Hotel Wyndham Garden in der Bismarckstraße um 14 Uhr, die Rückkehr ist gegen 17.30 Uhr.
Anmeldung In Bad Kissingen in der Tourist-Information im Arkadenbau. In Bad Bocklet in der Kur- und Tourist-Information. Sonderfahrten sind möglich am Dienstag und Mittwoch nach Vereinbarung unter Tel.: 0171 3336769 bei Postkutscher Hans Körner. Montags haben die Pferde frei.