Man wächst ja in ein Amt hinein. Aus heutiger Sicht gesehen, welche Eigenschaften muss ein Landrat haben?
Jeder hat andere Schwerpunkte. Meiner Ansicht nach braucht man Einsatzbereitschaft, Beharrlichkeit, Belastbarkeit, eine klare strategische Ausrichtung und man muss klare Vorstellungen davon haben, was für den Landkreis gut ist. Erforderlich ist auch ein hohes Maß an Empathie, denn man hat mit ganz unterschiedlichen Menschen zu tun, die erwarten, dass man Anteil nimmt und sie gegebenenfalls unterstützt.
Wie glauben Sie, dass die Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Sie sehen?
Ich denke, die Bürger haben einen sehr guten Blick dafür, wie man als Landrat die Dinge formuliert und was man an Maßnahmen auf den Weg bringt. Negative Rückmeldungen sind selten. Und wenn eine kommt, ist sie oft, aufgrund eigener Betroffenheit, subjektiv geprägt.
Haben Sie ein Beispiel?
In Bezug auf die Schließung des Hammelburger Bürgerspitals gab es immer wieder Stimmen die sagten, ich hätte doch bloß unterschreiben müssen, dann wäre das Bürgerspital weitergelaufen. Das geht aber so nicht. Denn von Amts wegen werden solche Dinge nach Recht und Gesetz entschieden. Das Landratsamt ist eine Eingriffsverwaltung, genehmigt zum Beispiel bestimmte Vorhaben, gibt Bescheide heraus. Da gibt es schon mal Resultate, die nicht jedem gefallen, und dann wird man auch als Landrat kritisch angegangen.
Wir können nur ein paar Projekte der vergangenen 20 Jahre streifen. Deswegen frage ich Sie zunächst nach politischen Erfolgserlebnissen.
Dass wir im Landkreis jetzt ein Zentrum für Telemedizin haben, ist ein sehr großer Erfolg. Das ZTM nimmt inzwischen auch bayernweit eine Vorreiterrolle ein. Inzwischen arbeiten dort 40 Mitarbeiter. Die Einrichtung leistet einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der ländlichen Region. Denn durch die Telemedizin ermöglicht man zum Beispiel älteren Menschen, gesundheitlich gut versorgt bis ins hohe Alter in den eigenen vier Wänden wohnen zu bleiben.
Ein anderes Beispiel ist die Musikakademie in Hammelburg, die aus schwierigsten Anfängen heraus mit der Generalsanierung des Klosters bundesweit Maßstäbe gesetzt hat. Wegen der Corona-Pandemie hatten wir leider bisher noch kein durchgängig belegtes Jahr. Unser Ziel sind bis zu 30.000 Belegungstage. Aber die Akademie hat jetzt schon eine große Strahlkraft über die Region hinaus.
Wie wichtig ist die in Maria Bildhausen geplante "Bayerische Akademie für Pflege, Sozialberufe und Ehrenamt"?
Das ist ein sehr spannendes Projekt. Die Trägergesellschaft ist gegründet, dort bin ich Vorsitzender. Die erste Pilotphase soll Ende 2022 beginnen. Vom Freistaat hatten wir die Zusage über 1,6 Million Euro an Fördermitteln. Gesundheitsminister Klaus Holetschek gab bei seinem Besuch in Maria Bildhausen dann bekannt, dass die bis dahin im Finanzierungskonzept fehlenden 700.000 Euro ebenfalls von seinem Ministerium übernommen werden.
Wichtig ist mir bei solch einem Projekt nicht, dass da ein altes Gebäude wieder hergerichtet wird, sondern dass wir etwas für die Menschen tun, denn gerade wer im sozialen Bereich arbeitet, ist extrem belastet. Den Pflegenotstand haben wir ja schon. Es ist sehr wichtig, diese Menschen dann in ihrer Selbstachtung zu stützen, damit sie nicht ausbrennen.
Auch die kreiseigenen Schulen standen immer wieder auf der Tagesordnung des Kreistags. Welche Bedeutung hatte zum Beispiel der Neubau des Berufsbildungszentrums (BBZ)?
Dort bekommt man eine gute Ausbildung in sozialen Berufsfeldern, die jetzt gerade sehr wichtig sind und künftig vielleicht noch wichtiger werden könnten. Während der Planungen zum neuen BBZ haben wir, in Zusammenarbeit mit dem Caritas-Träger, auch umstrukturiert. Denn früher gab es drei staatliche und zwei kommunale, also beim Landkreis angesiedelte Schulen. 2013 haben wir diese zwei Einrichtungen an die Caritas übertragen. Gleichzeitig kam die neue Schule für Heilerziehungspflege hinzu, so dass es dort jetzt sechs Schulen gibt. Das hat alles sehr gut geklappt.
In Sachen Mülldeponie hat sich seit Ihrem Amtsantritt ebenfalls viel getan.
2002 war die Situation noch extrem schwierig. Denn ab 2005 durfte kein unbehandelter Hausmüll mehr in die Deponie eingelagert werden. Also gingen wir auf die Suche nach neuen Möglichkeiten der Verwertung und machten schließlich Verträge mit den Verbrennungsanlagen in Schweinfurt und Würzburg. Es gäbe noch sehr viel mehr aufzuzählen, was in meiner Amtszeit positiv über die Bühne ging, wie beispielsweise der Verkauf des defizitären Krankenhauses Hammelburg. Dadurch und durch die vorherige Privatisierung in Bad Brückenau haben wir es geschafft, die wohnortnahe Versorgung zu erhalten. Der Bund gibt die Rahmenbedingungen der Krankenhausfinanzierung vor. Eine Spezialisierung ist daher nicht nur von Vorteil, sondern überlebenswichtig. In Hammelburg und Bad Brückenau hat man sich auf Geriatrie spezialisiert.
Und doch gibt es immer wieder Menschen, die sich beschweren, dass die Notfallversorgung in diesen Kliniken nicht mehr gewährleistet sei.
Diese Sorge ist nachvollziehbar, und darauf muss man reagieren. Tatsächlich werden schon länger schwere Notfälle anders versorgt. Nehmen wir mal das Beispiel Schlaganfall. Wenn man da nicht schnell in eine Spezialklinik kommt, die für Schlaganfälle bestens gerüstet ist, wie zum Beispiel die Stroke Unit im Rhön-Campus Bad Neustadt, könnten bei dem Betreffenden bleibende Schäden zurückbleiben.
Sicher gab es in den 20 Jahren ihrer Amtszeit auch einiges, das nicht so kam, wie Sie es sich gewünscht hätten?
Dazu fällt mir wenig ein. Aber dass die P 43, also die Fulda-Main-Stromleitung von Dipperz nach Grafenrheinfeld, zusätzlich zum SuedLink, jetzt auf jeden Fall kommt, gehört zu den Dingen, die mir nicht gefallen. Verhindern wollten wir diese Trasse nicht, aber sie hätte woanders verlaufen können. Denn der Strom, der vom Norden in den Süden hier durchfließt, wird vorrangig im Rhein-Main-Gebiet gebraucht. Und dass jetzt plötzlich noch eine komplett neue Variante ins Spiel kommt, die Burkardroth, Bad Bocklet, Burghausen, Nüdlingen und Oerlenbach tangiert, ärgert mich. Es kann aber bei der anstehenden Untersuchung dieser letztgenannten Trasse nichts anderes herauskommen, als dass sie nicht zum Tragen kommt.
Im Kreistag wirken Sie meist gelassen. Aber es gibt auch immer mal Dinge, die Sie auf die Palme bringen können. Welche sind das?
Wenn zum Beispiel jemand Thesen vertritt, die nicht stimmen. Oder wenn so etwas passiert wie neulich, als sich kurz vor der Fertigstellung des sanierten Telekomgebäudes herausstellte, dass alle Rundstützen am Fuß des Gebäudes schadhaft sind und ausgetauscht werden müssen. Und das deshalb, weil im Vorfeld statische Voruntersuchungen mangelhaft durchgeführt wurden.
Was gilt es in Ihren Augen künftig im Kreistag ganz vorn auf die Agenda zu stellen?
Den Klimaschutz und alles, was damit verbunden ist. Das heißt, auch die Idee der regionalen Energieerzeugung in Kooperation mit den Kommunen müssen wir bald voranbringen. Und natürlich auch den Bau des neuen Schulzentrums in Hammelburg - übrigens drei Gebäude, die auch klimagerecht erstellt werden.
Haben Sie nicht Sorge, dass die Kosten für den ersten Bauabschnitt des Schulzentrums, das heißt für Gymnasium und Zweifachturnhalle sowie Mensa, die man aktuell mit rund 62 Millionen Euro ansetzt, explodieren könnten?
Sicher muss man damit rechnen. Aber vielleicht flaut der Bauboom auch ab und das Ganze geht in die gegenläufige Richtung.
Sie können 2026 noch einmal kandidieren. Macht Ihnen Ihr Amt so viel Spaß, dass Sie grundsätzlich Lust dazu hätten?
Mein Amt macht mir nach wie vor Spaß und ich habe noch sehr viele Ideen, die ich gern umsetzen würde. Auf der anderen Seite fühle ich mich sehr wohl im Kreis meiner Familie, zu der mittlerweile auch zwei Enkel gehören. Noch habe ich ja etwas Zeit für die Entscheidung. Die werde ich sicherlich auch nutzen, um mich mit meiner Familie und engen Freunden zu beraten. Und natürlich muss ich vor allem auch gesund bleiben, ich bin da sehr demütig.
Das Gespräch führte Isolde Krapf.