Ganz im Zeichen der Euthanasieopfer stand in der Abtei des Klosters Maria Bildhausen der Sonntagsgottesdienst. Und es gab eindringliche und mahnende Worte.
Als ein exzellentes Mahnmal für 379 behinderte Menschen der St., Josefskongregation, die in der Zeit des Nationalsozialismus ermordet wurden, bezeichnete Rainer Waldvogel, Gesamtleiter der Behinderteneinrichtung Maria Bildhausen, Kerzen. Sie waren in der Form des Signets der Einrichtung, einem Lebensbaum, bei einer Gedenkfeier im Rahmen des sonntäglichen Gottesdienstes in der Abtei aufgestellt. "Die Kerzen zeigen auch, dass wir für unsere Menschen mit Behinderung brennen müssen."
Rainer Waldvogel sagte, dass in der NS-Zeit Menschen mit Behinderung systematisch und teils bestialisch ermordet wurden, und zwar noch, bevor es Konzentrationslager, unter anderem in Auschwitz, gab. Gerade in der heutigen Zeit gerate dies immer mehr in Vergessenheit, und deshalb gelte es zu mahnen.
Domkapitular Clemens Bieber überbrachte die Grüße von Diözesanbischof Franz Jung und dem emeritierten Bischof Friedhelm Hofmann sowie der ehemaligen Landtagspräsidentin Barbara Stamm. Alle drei seien der Einrichtung tief verbunden und Sympathisanten: "Sie sind heute in Gedanken hier bei euch." Sympathisanten seien Menschen, die mitfühlen und mitleiden. Leider hätten solche in der NS-Zeit gefehlt, die für die behinderten Menschen einstanden.
379 Menschen mit Behinderungen, die den Einrichtungen der St. Josefskongregation (heute Dominikus-Ringeisen-Werk) in Ursberg, Holzen und Bildhausen anvertraut waren, wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Zum Mahnmal in Maria Bildhausen sagte er, dass der graue Beton das Lebenshaus markiert, in das eine große Axt einschlägt und es zerstört. Der Künstler Willi Grimm bringe mit den farbigen Fenstern zum Ausdruck, dass die Toten bei Gott geborgen sind. "Wir wollen heute Gott bitten, dass Menschen wissen, was sie dürfen und was sie nicht dürfen, nämlich Leben zerstören."
Bis zum Tod traumatisiert
Pater Gottfried Scheer sagte den Gottesdienstbesuchern, dass jeder Mensch kostbar ist. Das sei auch in der heutigen Gesellschaft oft nicht mehr der Fall. In der Zeit des Nationalsozialismus kamen acht der 379 Ermordeten, die in der St. Josefs Kongregation betreut wurden, aus Maria Bildhausen. Den Heimbewohnern von Maria Bildhausen stellte der Pater die Frage, was wäre, wenn sie damals hier gelebt hätten. Das Schlimmste, was man sich vorstellen konnte, kam über diese Einrichtung. Die Schwestern hätten noch versucht, die von ihnen Betreuten in den Wäldern zu verstecken. Noch bis vor wenigen Jahren waren einige in Maria Bildhausen und bis zu ihrem Tod traumatisiert. 24 Behinderte aus Maria Bildhausen wurden verschleppt, acht ermordet. Die Szenen, die überliefert sind, seien unvorstellbar gewesen. "Die Menschen klammerten sich an die Schwestern und wurden einfach weggezerrt. Sie hatten unheimliche Angst, ahnten wohl, was auf sie zukommen würde. Ihnen wurde, wie sechs Millionen Juden und anderen grausam das Leben genommen.
"Viren" in Köpfen und Herzen
Diesen Gedanken schloss sich Domkapitular Clemens Bieber in seiner Predigt an, als er vor den "Viren", die sich in den Köpfen und Herzen von Menschen ausbreiten können und zwischen angeblich wertem und unwertem Leben unterscheiden, warnte. Er sprach vom Virus "Corona", das aktuell die Welt in Schrecken versetzt. Vor 90 Jahren sei es ein Virus gewesen, dem zunächst kaum jemand Beachtung schenkte, dem letztlich bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges an die 80 Millionen Menschen zum Opfer fielen.
Heute gebe es in Deutschland 200.000 kranke Menschen, darunter mehr als 70.000 Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen.