Die Gruppe "Radio Europa" bot beim Kissinger Sommer ein vielseitiges Open-Air-Programm.
Bad Kissingen — "Wir brauchen Sie, aber das müssen wir vorher einmal kurz üben." Roland Duckarm, Schlagzeuger der Gruppe "Radio Europa" , hatte zwei Bildtafeln zum Hochhalten mitgebracht: eine für "Applaudieren" und eine für "Applaudieren und Jubeln". Das klappte auf Anhieb, aber er hat sie den ganzen Abend nicht mehr gebraucht.
Denn die Stimmung, die er und seine Kollegen Wolfgang Lell (Akkordeon), Joerg Widmoser (Violine), Alexander Bayer (Kontrabass) und
Andreas Wiersich (Gitarre) im Rathaushof verbreiteten, war selbsttragend. Es dauerte nicht lange, bis die Ersten im Publikum die einfacheren Rhythmen mitklopften oder -klatschten. Und Beifall für die Soli gab es von Anfang an.
"Europa von seiner schönsten Seite" hieß zeitlos das Programm der Gruppe. Das versprach Vielseitigkeit, erforderte aber auch keine Festlegung. Und das war gut so.
Denn die musikalische Reise quer durch den Kontinent führte nicht nur durch viele Länder zwischen Malta und Finnland, sondern auch durch viele Stile, oft pur, aber oft auch in Verschmelzungen: vom fetzigen bulgarischen Zigeunerjazz über finnischen melancholischen Tango, dänischen Reel, griechischen Sirtaki, schottiscvhen Folk ein bisschen Bireli Lagrene, Enrique Granados, Mozart und, über allen Wassern schwebend, Beethovens "Freude schöner
Götterfunken", allerdings in einer etwas speziellen Fassung.
Natürlich konnte sich das Publikum über den einen oder anderen Klamauk freuen; schließlich war ja nicht Ernst versprochen, sondern pfiffige Unterhaltung. Da nutzte Roland Duckarm zwei Blumentöpfe aus dem Baumarkt als Rhyhmusinstrumente, traktierte sie mit Besen und Händen - wie das auf Malta offenbar üblich ist.
Da lieferte er sich mit Alexander Bayer manch heftiges, geradezu handgreifliches rhythmisches Duell.
Aber insgesamt war es schon beeindruckend, mit welcher Ernsthaftigkeit und Seriosität die fünf Musiker ihr heiteres Geschäft betrieben, mit welchem virtuosen Zugriff alle die virtuosen und perkussiven Möglichkeiten ihrer Instrumente nutzten.
So war es auch schön, dass die Soundanlage nicht zu hoch gedreht war, auch wenn dadurch die Stimmung nicht ausuferte.
Das einzige, was an diesem Abend verzichtbar gewesen wäre, war der kalte Nordwind, der durch die Gittertore des Rathaushofes pfiff. Aber darauf hatte man sich ja einstellen können.