Die Klassische Philharmonie Bonn spielte im Regentenbau in Bad Kissingen.
Klassische Philharmonie Bonn? Das ist ein Orchester, das in Bad Kissingen bisher herzlich unbekannt war, obwohl es Konzertreihen quer durch die ganze Republik spielt. In den Regentenbau kam es eigentlich auch nur deshalb, weil es auf dem Weg von München nach Bonn noch einen Tag Luft für ein mehr oder weniger eingeschobenes Konzert hatte. Sein Debüt im Großen Saal war nicht nur deshalb eine Überraschung.
Heribert Beissel hat das Orchester 1959 - damals war er 26
Jahre alt - als Chur Cölnisches Orchester Bonn gegründet, um die Musik des Fürstenhofes zu pflegen. Er ist mittlerweile das einzige Gründungsmitglied. Beissel ist es gelungen, eine Truppe von jungen, motivierten, wirklich guten jungen Leuten um sich zu scharen, mit denen er intensiv zu arbeiten scheint.
Das wurde sofort spürbar bei Edward Elgars berühmter Streicherserenade, die allgemein gerne mit Weichspüler musiziert wird.
Die Bonner begannen schön zupackend, mit einem höchst lebendigen Klang, der nicht ausschließlich auf Perfektion, sondern auf Ausdruck zielte. Der Effekt war nicht nur, dass das Orchester sofort die Aufmerksamkeit des Publikums für sich hatte, sondern auch, dass der eigentlich sehr homogene Streicherklang wirkungsvolle, differenzierende Strukturen bekam.
Und es war schön zu sehen und zu hören, wie Beissel seine Leute immer wieder anfeuerte, in diesem Vortrieb nicht nachzulassen. So bekam vor allem der langsame Mittelsatz mit seinen breiten thematischen, sehr gut aufgefangenen Anläufen und einem stark poetischen Mittelteil ungewohnt große Spannung. Das Einzige, was man sich noch gewünscht hätte, wäre eine stärkere Wirksamkeit der Celli gewesen.
Denn dass die auch zupacken können, zeigten sie in dem konfrontativen Dialog mit den hohen Streichern im dritten Satz.
Stärkerer Partner gesucht Einen ganz plastischen Part mit vielen Impulsen und den mittlerweile hinzugekommenen sehr gut disponierten Bläsern lieferte das Orchester auch in dem e-moll-Violinkonzert von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Da hätte man ihm einen stärkeren Partner gewünscht.
Thomas Albertus Irnberger war es nicht. Er war mit einer staunenswerten Biographie angetreten und mit einer Liste an CD-Veröffentlichungen, die andere Musiker nicht einmal als gesamtes Lebenswerk schaffen. Aber die Erwartungen hielten nicht stand. Irnberger begann nervös, aber dieser Zustand blieb. Er war so sehr mit Technik beschäftigt, dass er absolut gestaltungsfrei spielen musste.
Und trotzdem gab es immer wieder unangenehme Ecken wie bei geringfügig zu tiefen Spitzentönen oder bei Lagenwechseln, die nicht punktgenau landeten oder gebrochen oder verzögert kamen. Man merkte, wie schwer die Mendelssohnsche Leichtigkeit zu musizieren ist. Beissel musste wie ein Luchs aufpassen, das Spiel gegen den Solisten im Tempo zu halten, aber er konnte sich auf sein Orchester verlassen.
Wie verwandelt Als
Zugabe spielte Thomas Albertus Irnberger die Sarabande aus Bachs 2. Partita für Violine solo. Und das war gut, denn die relativierte den Eindruck etwas. Denn hier, nur von einem Spot im abgedunkelten Saal beleuchtet, konnte er das bedrängende Orchester vergessen und war ganz bei sich. Da hatte Irnberger plötzliche einen substanziellen Ton und eine schlüssige Gestaltung. Vielleicht ist er eher ein Mann des Studios als der Konzertpodien.
Glenn Gould hat seine Karriere ja auch zu allererst im Aufnahmestudio gemacht.
Beethovens 8. Sinfonie war ein glänzender Abschluss. Da wurde wieder zupackend, höchst plastisch und pfiffig musiziert. Da konnte Beisel den unverkopften Beethovenschen Humor über die Rampe bringen, weil seine Musiker, befeuert von höchst vitalen Pauken, ganz offensichtlich auch ihren Spaß daran hatten. Da wurde mit starker Dynamik und Farbigkeit musiziert.
Oder anders gesagt: Das Zuhören war ein großes Vergnügen. Die Zugabe stammte wieder von Elgar: sein stimmungsvolles "Poème de la nuit".