Wenn der Bad Kissinger Kreistag und Bürgermeister einmal im Jahr unterwegs sind. dann ist das mehr als nur ein "Betriebsausflug". Sie wollen auch Erfahrungen sammeln. Viele waren jetzt das letzte Mal dabei.
Für viele Kommunalpolitiker war die Kreistagsfahrt in diesem Jahr an den Bodensee wohl ihre letzte. Denn von 24 Bürgermeistern, die im März 2014 zur Wahl stehen, wird etwa die Hälfte nicht mehr kandidieren. Und auch viele Kreisräte werden vermutlich nicht mehr antreten. Dennoch stand nicht der Spaß im Vordergrund, sondern die Information.
Der Kreistag war mit einem Gezerre um die stellvertretenden Landräte in die neue Amtsperiode gestartet. Danach war die Stimmung schlecht. Dass sich das Klima wieder normalisiert hat, ist auch und gerade den Ausflügen zu verdanken. Die Kosten tragen zum weit überwiegenden Teil die Nutznießer.
Ideen gesammelt Wolfgang Back (CSU, Bad Bocklet) nannte sie eine "Sache, wo man mal abschalten kann". Die Partei spiele keine Rolle, "da sind alle gleich". Es habe auch diesmal Freude gemacht, mit den Kollegen zusammen zu sein. Auch habe er Kataloge und Informationen gesammelt, "man muss nicht alles neu erfinden".
Für Robert Römmelt (SPD, Riedenberg) waren die Touren "immer angenehm",. Sie seien "eine schöne Tradition" mit einem sehr guten Klima. "Politische Geschichten" gebe es hier fast nicht. Ob er Bürgermeister bleiben will, sei noch offen. Robert Römmelt will aber auch dem neuen Kreistag angehören.
Otto Funck (FW, Bad Kissingen) wird sich nach fast vier Jahrzehnten aus der Kommunalpolitik verabschieden. Er fuhr immer mit, wegen der Geselligkeit und wegen des Austauschs von Fakten und Daten. Im Kreistag sei der Zusammenhalt ein anderer als im Stadtrat. Hier gebe es weniger Rivalitäten. Auch kann man auf dem kleinen Dienstweg eine Menge regeln.
Über Parteigrenzen hinweg Richard Fix (Grüne, Bad Kissingen) nannte das gegenseitige Kennenlernen wichtig. Das helfe bei den Diskussionen. Denn dort gehe man sachlicher miteinander um. Er lobte die parteiübergreifenden Kontakte. Man habe auch Zeit, ausführlich über ein Thema zu sprechen.
Fast immer dabei waren die Bürgermeister-Veteranen Siegfried Erhard (CSU, Oerlenbach) und Franz Büttner (FW, Ramsthal). Sie werden nach jeweils 24 Jahren nicht länger Ortsoberhaupt sein. Franz Büttner gab Siegfried Erhard einen guten Rat: "Such' dir was, es gibt immer was zu tun. Und wenn du nichts findest, geh' zum Sportverein und streich die Tore an."
Vor der "Kür" - Stadtführungen, Weinprobe, Abendessen und etliche Gesangseinlagen von Wolfgang Back - die Pflicht: Man wolle "erfahren, wie die anderen es machen", sagte Landrat Thomas Bold(CSU).
Diesmal ging es in den Bodenseekreis in Baden Württemberg. Er und Bad Kissingen haben auf den ersten Blick gewisse Parallelen. So spielt im Drei-Länder-Eck der Tourismus durchaus eine Rolle, aber keine große. Gut drei Millionen Übernachtungen entsprechen fünf Prozent der Wirtschaftskraft. Kein Wunder bei Konzernen wie ZF, EADS oder MTU vor Ort. Hier wie da ist das Gesundheitswesen stark ausgeprägt. Landrat Lothar Wölfle (CDU) sprach von einer Wachstumsregion. Facharbeiter sind sehr gefragt, es gibt kaum Hartz IV-Empfänger und so gut wie keine jungen Arbeitslosen.
Auch dort "Kirchturmdenken" Während Bad Kissingen unter der demografischen Entwicklung leiden wird, freut man sich am Bodensee um 2000 bis 3000 Einwohner mehr pro Jahr. Viele zahlungskräftige Senioren verbringen hier den Lebensabend.
Es gibt auch Gemeinsamkeiten. So beklagte Lothar Wölfle "das typische Kirchturmdenken im Tourismus". Beide Landkreise haben ihre Schulden abbauen können. Der Bodenseekreis stand 2006 noch mit 60 Millionen Euro in der Kreide, jetzt sind es 39 Millionen Euro. Da punktet mit 25,4 Millionen Euro Bad Kissingen. Allerdings ist hier die Kreisumlage mit 49,9 Punkten viel höher als dort (31).
Kein Platz für die Windkraft Auch viele andere kommunalpolitischen Probleme gleichen sich. So steht im Bodenseekreis aus Landschaftsschutzgründen kein Windrad. Statt dessen setzt man auf Laufwasserkraftwerke. 37 Standorte seien denkbar.
Energie aus Biomasse ist kein Thema, weil es dafür keine Biomasse gibt. Landrat Lothar Wölfl: "Wir haben eine Landwirtschaft, die richtig Geld verdient" mit Sonderkulturen. Produziert wird Obst, Beeren, Hopfen, Biogemüse und Wein.
Daten Der Bodenseekreis mit der Großen Kreisstadt Friedrichshafen im Regierungsbezirk Tübingen erstreckt sich am Nordufer des Sees. Er ist 665 Quadratkilometer groß. Hier leben 210 000 Menschen in fünf Städten und 18 Gemeinden. Kreisstadt ist Friedrichshafen (59 200 Bewohner). Es gibt 33 Natur- und 16 Landschaftsschutzgebiete mit zusammen knapp 11 100 Hektar Fläche.
Vergleich Der Landkreis Bad Kissingen ist 1137 Quadratkilometer groß. In 26 Städten, Märkten und Gemeinden leben rund 109.000 Einwohner. Er ist damit der viertgrößte Kreis im Bezirk Unterfranken.
Industrie Friedrichshafen ist die Heimat der Zeppeline. Seit 1993 werden wieder Luftschiffe der neuen Technologie gebaut. Erstflug war 1997. Sie sind 75 Meter lang mit einem Durchmesser von 14,16 Metern. Die Kabine nimmt zwei Piloten und für Rundflüge ein Dutzend Passagiere auf. Dank des nicht brennbaren Heliums sind die Luftschiff leichter als Luft. Sie können bis zu 2600 Meter hoch fliegen und erreichen eine Reisegeschwindigkeit von 115 Stundenkilometern. Drei schwenkbare Motoren sorgen für Auf- und Vortrieb. Bislang wurden vier gebaut, drei sind bestellt. Aktueller Stückpreis: 16,5 Millionen Euro.