Wie geht eine Krankenkasse mit Härtefällen um? AOK-Direktor Frank Dünisch erklärt im Interview, warum ihr manchmal in verzweifelten Lagen die Hände gebunden sind.
Seit einiger Zeit begleitet die Redaktion den Rechtsstreit zwischen dem Steinacher Krebspatienten Richard Freibott und der AOK Bayern. Im Kern geht es darum, dass Freibott sich Behandlungen unterzieht, die (noch) nicht Teil des gesetzlichen Leistungskatalogs sind. Die Kasse wiederum weigert sich, die Kosten zu übernehmen.
Eine Kasse ist grundsätzlich in Ausnahmefällen verpflichtet, Therapien außerhalb des Leistungskatalogs zu zahlen. Bislang haben die Sozialgerichte der AOK in allen Verhandlungen Recht gegeben. Frank Dünisch, Direktor der AOK Schweinfurt, äußert sich aufgrund des laufenden Gerichtsverfahrens und aus Datenschutzgründen nicht zum Fall. Im Interview mit dieser Redaktion erklärt er aber, welchen Kontrollen und Vorgaben eine Krankenkasse unterliegt und warum sie sich manchmal hart verhalten muss, auch wenn es Versicherten schwer fällt, das nachzuvollziehen.
Herr Dünisch, immer wieder kochen in den Medien Fälle hoch, in denen es darum geht, dass gesetzliche Krankenkassen bestimmte Leistungen nicht zahlen. Manchmal müssen sie, manchmal nicht. Wo ist da der Unterschied?
Frank Dünisch: Der Unterschied ist, ob eine Leistung grundsätzlich Teil des gesetzlich geregelten Leistungskataloges der GKV (gesetzliche Krankenversicherung) ist, oder nicht. Manchmal liest man zum Beispiel, dass ein Streitfall entstanden ist, ob ein elektrischer Rollstuhl anstelle eines herkömmlichen genehmigt werden kann. Dieser Rollstuhl ist aber Teil der Leistungen der GKV. Es müssen bestimmte medizinische Voraussetzungen gegeben sein und es ist dann zu beurteilen, ob die geforderte Leistung zum Beispiel zum Gesundheitszustand, zum Grad der Erkrankung und zum erwarteten Krankheitsverlauf passt und angemessen ist. Da hat die Kasse rechtliche Spielräume zum Handeln.
Und wenn ein Patient eine Therapie benötigt, die nicht zur gesetzlichen Krankenversicherung gehört?
Vornweg: Die Hilfe, die zur Verfügung steht, wird vom Gesetzgeber festgelegt. Und solange so eine Hilfe zur Verfügung steht, muss diese genutzt und ausgereizt werden. Das dient dem Schutz der Versicherten. Gerade in verzweifelten Lagen setzen die Menschen die Hoffnung auf alles, was vermeintlich hilft - auch auf "Wundermittel" die nicht wirken, aber viel Geld kosten und auf Medikamente, die vielleicht starke Nebenwirkungen haben. Wenn jemand eine Leistung möchte, die nicht Teil der GKV ist, haben wir erst einmal keine Möglichkeit, das zu erstatten. Es gibt allerdings Ausnahmen für schwere Fälle. Dafür muss zunächst alles, was der Leistungskatalog für diese Erkrankung abdeckt, ausgeschöpft sein. Erst dann besteht die Möglichkeit, etwas anderes auszuprobieren. Da allerdings müssen noch weitere Parameter erfüllt werden.
Diese hat das Bundesverfassungsgericht festgelegt. Die Erkrankung muss lebensbedrohend sein und die alternative Behandlung hinreichende Erfolgsaussicht haben. Wer entscheidet, wann das bei einem Patienten der Fall ist?
Wir bei der Krankenkasse können das natürlich nicht medizinisch beurteilen. Die Ausbildung eines Sozialversicherungsfachangestellten ist keine medizinische Ausbildung. Wir wissen daher aus medizinischer Sicht nicht, ob alle verfügbaren Leistungen ausgeschöpft wurden und welche Behandlungsoptionen ein Patient noch hat. Diese Beurteilung trifft der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK).
Versicherte mit einer lebensbedrohenden Krankheit werden kaum Verständnis dafür haben, wenn ihnen erklärt wird, dass es zwar eine Therapie gibt, sie die aber aus bestimmten Gründen nicht erstattet bekommen.
Wir haben im Gesundheitssystem keine Vollkasko-Versicherung. Bestimmte Fälle lassen sich nicht versichern. Wir als Kasse haben die Verpflichtung mit den Geldern der Versicherten so umzugehen, wie es gesetzlich geregelt ist. Wir unterliegen einer Aufsicht. Wenn wir das nicht so machen, hafte ich persönlich.
Wer hat diese Aufsicht?