Ein herber Verlust für die Lebensqualität wird die Schließung des Kaufhauses Renninger zum 31. Januar vor allem für die älteren Einwohner von Reiterswiesen. Doch nach dem plötzlichen Tod von Armin Renninger sieht die Familie keine Zukunft mehr für das Geschäft.
Im weißen Kittel, mit dem gelb-roten Rewe Karo an den Taschen bedienen sie freundlich wie immer ihre Kunden, Helga und Richard Renninger, ihre Tochter Silvia und Conny, die Schwiegertochter. Aber an der Kasse, wo sonst immer kleine Dorfnachrichten ausgetauscht wurden, oder man zumindest ein paar persönliche Worte wechselte, wird nicht mehr gelacht. Das Leben bei Renningers hat seit dem 13. Juni eine dramatische Wendung genommen.
An diesem Tag starb Armin, Connys Ehemann, der Sohn von Helga und Richard. Urplötzlich hatte sein Herz aufgehört zu schlagen, der Juniorchef wurde nur 50 Jahre alt. Dieser Schicksalsschlag war nicht nur für die Ehefrau und die beiden Kinder eine Katastrophe, sie bedeutet auch das Ende einer Kaufmannstradition über drei Generationen. "Ohne den Armin schaffen wir das nicht mehr", muss die Familie feststellen.
Zu groß ist die Arbeitsbelastung, zu viel muss auf die wenigen Schultern verteilt werden.
Das kleine Kaufhaus hat nicht nur die Dinge des täglichen Bedarfs angeboten, auch Geschenke, Wohnaccessoires und Schreibwaren fanden die Kunden, ein Getränkemarkt war angeschlossen und zusätzlich wurde ein Gaslager unterhalten. "Wir sind, bzw.
werden bald 80 Jahre", meint Richard sichtlich bewegt, "alle machen viel mehr, als sie eigentlich können, aber das reicht nicht, um das Geschäft weiterzuführen".
"Der Einzelhandel hat es schwer, die Kosten steigen und die Umsätze gehen zurück", ergänzt Tochter Silvia, die ebenso wie Schwiegertochter Conny vor einer ungewissen Zukunft steht.
Über 90 Jahre Kaufmannstradition Dabei hat der "Renninger Schneider", wie das Kaufhaus im Dorf genannt wird, eine lange Tradition. Schon 1925 konnte Vater Ludwig Renninger einen kleinen Laden bauen und bewies 1930 Weitsicht und Mut. Er kaufte das bereits 1776 in einer Urkunde als "deren Freyherrn von Ehrtalschen Lehen" bezeichnete Grundstück, bebaut mit dem damals größten Haus in Reiterswiesen, das zuletzt als
Wirtschaft genutzt wurde. Von der Straße führte eine Steintreppe hinauf. Das Angebot wurde erweitert. Salz und Zucker lose aus dem Holzschubkasten, Zigaretten, auch einzeln, für die Kinder Himbeerbonbons aus dem Glas, Zichorienkaffee und Salzheringe aus dem Holzfass.
Auch Fahrräder wurden repariert und vermietet. "Für zehn Pfennig konnte man eine Stunde Fahrrad fahren", weiß Richard zu berichten. Mit dem Pferdefuhrwerk wurden Kohlen ausgefahren.
Als Richard dann den Laden übernahm, modernisierte er das Haus, nahm neue Sparten auf. 1972 wurde nochmals vergrößert, die Hofdurchfahrt geschaffen und Parkplätze angelegt: Ein Kaufhaus war entstanden, das den örtlichen Belangen Rechnung trägt. Kein Tante Emma-Laden, aber dennoch kein seelenloser Supermarkt.
Totalausverkauf ab 19.
Januar Einkaufen in persönlicher Atmosphäre hat sich auch die dritte Generation auf die Fahnen geschrieben. Silvia bringt ihre Ausbildung als Drogistin mit ein, Armin führte als Großhandelskaufmann das Geschäft und wollte mit seiner Ehefrau Conny, - auch sie prägt die nette Atmosphäre im Laden - das Unternehmen weiterführen. Das Schicksal hat es anders gewollt.
Bis 31. Januar wollen sie durchhalten, am 19.1.
startet der Totalausverkauf. Wie es dann weitergeht ist unklar. Das Haus möchte man verkaufen. Am liebsten an jemand, der das Geschäft weiterführen oder zumindest die Gebäude nutzen würde.
Für Reiterswiesen ist das ein herber Verlust. Auch wenn vieles auf der grünen Wiese eingekauft wird, mal schnell zum "Renninger", weil dies und das noch fehlt, wird es nicht mehr geben. Noch härter trifft es die älteren Einwohner ohne Auto. Es gibt keinen Metzger, auch der Bäcker ist außerhalb des Ortskerns. Ein Stück Lebensqualität auf dem Land geht verloren.